Interview mit Julia Winkles von Bold: "Wir sind das Land der Boutiquen"
Julia Winkles gehört die Agentur "Bold", die vor allem junge Modemarken betreut. Ein Gespräch über Geld, Blogger und das Berlin-Bild ihrer internationalen Kunden.
Wie hat sich die Arbeit einer Presseagentur in den vergangenen Jahren verändert?
In den fünf Jahren, in denen Bold existiert, haben sich die Anforderungen extrem verändert. Wir haben am Anfang mit den Marken über einen relativ langen Zeitraum geplant. Heute kommen die Kunden und möchten sofort etwas verändern.
Es geht also vielmehr um das direkte Ergebnis.
Ja, und das funktioniert vor allem, wenn die Marke schon ein Image hat. Man kann nicht hoffen, dass man ohne Relevanz Aufmerksamkeit bekommt, die Leute lassen sich nicht für doof verkaufen. Man muss schon den Zeitgeist treffen.
Geht es um das Produkt oder um das Drumherum?
Ein Produkt muss stark sein, wenn es kein Drumherum hat. Das haben die wenigsten, die anderen brauchen eine Agentur, die sich darum kümmert, das Produkt bekannt zu machen. Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken haben Agenturen, die entscheiden, wer Bericht erstatten darf.
Und was hat das mit Berlin zu tun?
Vor fünf Jahren standen wir stark im Wettbewerb mit München, dort sitzt ja die Modepresse. Immer wieder fragten uns Marken: Ist Berlin nicht zu riskant? Heute ist das im Lifestyle-Bereich fast kein Thema mehr. Alle Augen sind auf Berlin gerichtet. Was hier passiert, wird überall schnell von den Medien aufgegriffen.
Berlin gilt also nicht mehr als eigener Planet?
Ich glaube schon, dass Berlin anders ist. Aber genau das ist interessant. Leute in New York erzählen mir, was in Berlin passiert, weil sie es im New Yorker lesen. Das hätte man sich vor zehn Jahren nicht denken können.
Und was haben internationale Kunden für ein Berlin-Bild?
Den Hinterhof kann man immer noch finden, nur nicht mehr in Mitte. Aber selbst Orte, die schon von anderen genutzt wurden, sind immer noch etwas Besonderes für Marken aus Amsterdam, London oder New York. Und zu Preisen, die im internationalen Vergleich günstig sind. Deshalb gibt es ja auch in Mitte Shops, in denen wenige Kunden zu sehen sind.
Warum gibt es die?
Viele Shops in Berlin Mitte sind Marketinginstrumente. Damit bekommt man Aufmerksamkeit. Geld wird woanders verdient.
Wie wichtig ist die Fashion Week?
Die ist sehr relevant. Es geht um hohe Budgets und eine Menge Verantwortung.
Modisch ist ihr Einfluss ja auch zu sehen. Den sieht man außerhalb von Berlin sogar viel mehr. Aus Deutschland kommen alle Händler hierher. Wir sind übrigens das Land der Boutiquen, europaweit sind wir führend.
Und wie ist es mit den Medien?
Es ist nicht mehr so wie vor fünf Jahren, als Mailand, London, Paris und New York nicht mitgekriegt haben, was hier passierte. Wegen der Fülle an Blogs werden Dinge schnell kommuniziert.
Die Wirkung der Fashion Week ist auch für kleine Designer spürbar?
Sie ist viel greifbarer geworden, weil die Designer schneller mit dem Endverbraucher in Kontakt treten können. Eine Plattform wie die Fashion Week hilft hier natürlich ungemein – gerade für kleinere Designer kann das den Start einer internationalen Karriere bedeuten.
Beraten Agenturen heute mehr als früher?
Ja, unsere Kunden wissen ungefähr, wohin sie wollen, aber wie sie dahin kommen, müssen wir herausfinden. Wir sind schnell im digitalen Umfeld gelandet. Vor fünf Jahren hatten Hochglanzmedien Priorität, das ist nicht mehr so, vor allem bei jungen Marken. Die freuen sich genauso, wenn ein interessantes Online-Umfeld über sie berichtet.
Es geht also mehr um den Inhalt?
Man hat schon noch gern ein Magazin in der Hand, für den Prestigemoment ist das relevanter. Aber die Wirkung hat sich ausgeglichen. Das war vor kurzer Zeit noch nicht so, da war online nett zu haben, mehr nicht.
Und warum haben Sie eine Filiale in Los Angeles?
Los Angeles ist das Berlin der USA, da kommen die Leute hin, die sich den Lebensstil in New York nicht mehr leisten können. In New York gäbe es zig Leute, die das Gleiche anbieten, aber in LA stechen wir als deutsche Agentur hervor.
Und was machen Sie da?
Das digitale Umfeld ist dort zehn Jahre weiter. Jeder No-Name-Blogger hat einen Agenten und Gebühren, die hier nur hochfrequentierte Seiten aufrufen. Das sind individuelle Personen, die für einen Instagram-Post 5000 Dollar berechnen.
Und wie sieht es im Printbereich aus?
In US-Modemagazinen gibt es Berichte fast nur noch im Zusammenhang mit Anzeigen. Deswegen ist der Fokus klarer auf Online ausgerichtet. Auch bei uns werden Blogger immer häufiger von Agenturen vertreten, die uns fragen, ob unsere Marken mit ihnen kooperieren wollen.
Blogger wissen auch hier, welchen Marktwert sie haben?
Absolut. Und 90 Prozent der Blogger sitzen in Berlin, das wissen auch die Marken.
Das heißt, Berlin ist auch ein Testmarkt.
Besser könnte es nicht sein! Noch vor einigen Jahren war London immer die erste Station für Marken, die nach Europa kamen. Heute ist Berlin oft der erste Testmarkt. Hier kann man noch wild sein.