Die Wurst muss ein Ende haben: Wir brauchen neue deutsche Lieblingsprodukte
Wurst, Auto, Bier – viele deutsche Exportschlager und Identitätsmerkmale sind schlecht für das Klima. Es gibt aber Alternativen. Eine Kolumne.
Fränkischer Presssack, Odenwälder Schwartenmagen oder Wurstbrei mit Bratkartoffeln – aufwändig titulierte Fleischspezialitäten, die Abgeordnete aus Union, SPD und Grünen in einer Werbebroschüre des Bundesverbands der Deutschen Fleischwarenindustrie anpreisen.
„Unsere Wurst – unser Geschmack. Lieblingswurst aus der Politik“, lautet ihr Titel, und im Grußwort schwärmt die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner (CDU) davon, dass das „Fleisch- und Wurstangebot Deutschlands“ so „vielfältig wie unser Land“ sei. Mehr als 1500 verschiedene Wurstsorten gebe es. Sie selbst halte als Pfälzerin der Leberwurst die Treue.
Kaum etwas ist deutscher als die Wurst. Deutsche Politiker:innen lassen sich gern dabei ablichten, wie sie – je nach Region – beherzt in Brat-, Curry- oder Weißwurst beißen. Die Wurst ist Symbol für Bodenständigkeit und Tradition. Doch ist sie auch zukunftsfähig, oder wird es Zeit, nach neuen Identitätsmerkmalen zu suchen?
Lange ist klar: Fleisch ist Klimakiller
Bei aller Wurst-Liebe aus der Politik ist die Fleischherstellung eine von Skandalen geplagte Industrie. Fehlendes Tierwohl ist seit langem Thema, während der Pandemie kamen wegen massenhafter Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen auch Debatten um miserable Arbeitsbedingungen hinzu. Abgesehen davon ist klar: Fleisch ist Klimakiller.
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In Südamerika werden Regenwälder abgeholzt, um Anbauflächen für Tierfutter zu schaffen. Mehr als 13 Kilogramm CO2 entstehen pro Kilo Rindfleisch. Viele jüngere Menschen ernähren sich bereits vegetarisch oder vegan, auch in Deutschland.
Schon bei den Autos wurden Trends verschlafen
Die deutsche Fleischindustrie war lange resistent gegen Veränderungen, Julia Klöckners Reform-Bemühungen allzu zaghaft. Ihr Tierwohl-Label wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen, eine vorgeschriebene Reduzierung des Tierbestands lehnt sie ab.
Dass die Devise „einfach mal weitermachen, bis es nicht mehr anders geht“ nicht die beste ist, hat sich schon bei einem anderen Produkt gezeigt, dass symbolhaft für Deutschland steht: dem Auto. Lange haben deutsche Autobauer den Trend E-Mobilität verschlafen oder zumindest auszusitzen versucht. Weltweiter Marktführer im Bereich E-Autos ist Tesla.
Forschen für umweltfreundlicheres Bier
Nicht ganz so schädlich wie Wurst und Auto ist ein weiteres deutsches Lieblingsprodukt: Bier. Auch Brauereien setzen große Mengen CO2 frei. Immerhin laufen Bestrebungen, Bier klimafreundlicher zu machen und die Kohlensäure, die während der alkoholischen Gärung in der Produktion entsteht, für Getränke wieder zu verwenden, statt sie in die Atmosphäre zu blasen.
Großbrauereien tun das schon, in Bayreuth forschen Ingenieure an Verfahren, die auch für kleinere Brauereien wirtschaftlich sind. Es gibt also Hoffnung. Bis dahin ließe sich der Fokus auf eine deutsche Spezialität richten, die jetzt schon zukunftsfähig ist: das Brot. Mischbrot hat dem Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung zufolge einen CO2-Fußabdruck von 0,6.
Während der Pandemie hat Brot bereits einen Image-Boost bekommen, kaum jemand, der nicht eigenen Sauerteig angesetzt hat. Jetzt müssen nur noch die Politiker:innen mitziehen, mit beherzten öffentlichen Bissen in die Backware und der Botschaft, dass in der Not das Brot auch ohne Wurst schmeckt.
Korrektur: In einer früheren Version war vom Bundesverband der Deutschen Fleischindustrie die Rede, richtig ist Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie.
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