Mode: Hess Natur: Weg vom Wegwerfartikel
"Hess Natur" sieht die Zukunft in achtsam produzierter Kleidung. Eine Diskussion über Nachhaltigkeit in der Textilbranche.
Orangefarbenes Seidenkleid mit auberginefarbener Flokati-Jacke, Wollkleid in Creme mit altrosa Stiefeletten – das ist die „Slow Fashion“ des Ökolabels Hess Natur aus Butzbach. Über Zukunft versus Utopie diskutierten am vergangenen Mittwoch im Hotel de Rome Hess-Natur-Chef Marc Sommer, Trend- und Zukunftsforscher Eike Wenzel und Alfons Kaiser von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Neben der Entscheidung zwischen Stil und gutem Gewissen seien die Käufer von Biomode auch in die Lager „Es schadet mir“ und „Es schadet anderen“ geteilt, sagte Grünen-Politikerin Renate Künast aus dem Publikum. Das müsse sich ändern: „Menschen sollen Mode haben, aber auch ihren Altruismus leben.“ In der Lebensmittel- und Kosmetikbranche gibt es längst eine Haltung der Achtsamkeit. „Die Leute definieren ihren Lebensstil darüber, was sie essen, wo sie essen und wie der Vorname des Kochs war“, sagt Wenzel. Essen landet im Körper, Kosmetik auf der Haut. Beides betrifft uns unmittelbar. Kleidung streifen wir über und glauben, sie hätte mit unserem Körper nichts zu tun. Dabei ist sie „das dritte Element, mit dem wir uns Gutes tun“, sagt Tanja Hellmuth, Chefdesignerin bei Hess Natur. Das macht sich nur eine kleine Elite bewusst. Marc Sommer will, dass die „Nachhaltigkeit in der Mitte der Gesellschaft ankommt“.
Gesellschaftliche Trends wechseln laut Wenzel alle zehn bis zwölf Jahre. Konsumtrends aber gehen mit dem Lebensstil, und der verändert sich ständig. Deutschland könnte heute hundert Prozent nachhaltig leben, auch in der Mode. Doch der Wegwerftrend der fünfziger Jahre sei nicht vorbei, in den letzten zwanzig Jahren habe sich der Textilkonsum vervierfacht. Wenzel bleibt optimistisch: „Unsere Socken werden mehrere Leben haben, sie werden kompostierbar sein, und wir werden daran Spaß haben.“ Das nennt er „intelligent produzieren“. Möglich sei das durch die Digitalisierung zusammen mit staatlichen Programmen für Nachhaltigkeit.
Um mit schnellen Modetrends mitzuhalten, arbeitet Hess Natur jetzt auch mit Kunstfaser
Künast baut auf das Internet. Dort tauschen sich Leute international aus, decken Produktionsketten auf. Ihr Wunsch: Europäische Transparenz und nachhaltiges Produzieren bei Modelabels, die „dies auch bewerben“.
Alfons Kaiser ist skeptisch. Der Mensch sei eitel und drücke sich mit Mode aus. „Selbst wenn man energieeffizienter produziert, ist das Prinzip des Überkonsumierens nicht aus den Köpfen rauszukriegen.“ Die Digitalisierung verstärke Massenkonsum und Kaufsucht.
Um mit schnellen Modetrends mitzuhalten, arbeitet Hess Natur jetzt auch mit Kunstfaser – recycelt. Dank Lasern und Bonden produziert die Firma auch angesagte Looks ökologisch. Die Preise können bei einzelnen Stücken steigen, die Basics bleiben gleich, sagt Chefdesignerin Tanja Hellmuth. Hess Natur ist überzeugt: Nachhaltige Mode werde zum Bedürfnis der Gesellschaft. Der Berliner Pop-up-Store wird voraussichtlich ein fester Einkaufspunkt.