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Der wohl erste deutsche Single-Malt, die "Blaue Maus" feiert in diesem Jahr seinen gerade mal 30. Geburtstag. Die Preußische Whisky Destillerie in der Uckermark, die in einem frühere Pferdestall beheimatet ist, bringt in diesem Jahr ihre zweite Abfüllung auf den Markt.
© Kitty Kleist-Heinrich

Deutscher Whisky: Was einheimischer Whisky taugt

Im Grunde ist Whisky nichts anderes als destilliertes Bier. Deshalb muss sich das schottische Nationalgetränk doch auch hierzulande herstellen lassen, denken sich immer mehr Brauer und Brenner - auch in Berlin. Unser Autor hat probiert.

Gewürzgurke. Eindeutig. Sicher, das mag nicht das erste Aroma sein, das einem in den Sinn kommt, wenn man an Whisky denkt oder das man hervorhebt, um andere von den Segnungen der Spirituose zu überzeugen. Martin Eschenbrenner aber nickt und schwenkt das kleine Probierglas zufrieden vor seiner Nase. Salzig, würzig, gemüsig, eindeutig: Gewürzgurke.

Es ist ein Dienstagabend. Eschenbrenner, groß gewachsen und glatzköpfig, hat in seine Kneipe Eschenbräu im Wedding geladen. Er und zwei Freunde probieren das erste Mal den Whisky, den der gebürtige Badener vor zweieinhalb Jahren in drei Eichenfässern eingelagert hat. Im November will er daraus den ersten Single Malt Berlins abfüllen. Die Flaschen hat er schon besorgt, am Namen feilt er noch. „Ash tree“, angelehnt an seinen Namen, hat er gerade wieder verworfen, nachdem einer aus der Runde einwarf, dass das doch etwas sehr nach „ashtray“, Aschenbecher, klänge.

Whisky aus Deutschland? Der gelernte Brauer Eschenbrenner versteht die Verwunderung nicht. „Whisky ist die logische Fortführung des Biermachens“, sagt er, was überzeugend klingt, wenn man sich vor Augen führt, dass Whisky im Grunde nichts anders ist als destilliertes Bier. Und mit Bier sollte man sich hierzulande ja auskennen.

Um so erstaunlicher also, dass Deutschland so lange gebraucht hat, sich an das Getränk, das seine Wurzeln im Schottland oder Irland des 5. Jahrhunderts hat, heranzuwagen. Erst seit einigen Jahren hat die hiesige Whiskyproduktion merklich Fahrt aufgenommen. Inzwischen gibt es neben Eschenbrenner mehr als hundert Brennereien, die Whisky herstellen. Im Vergleich zu den rund 29 000 Korn- und Obstbrennereien natürlich ein Witz, aber immerhin ein Anfang – mit langem Vorlauf: Erste belegbare Versuche, in Deutschland Whisky zu machen, lassen sich auf das 18. Jahrhundert datieren, und der heute noch verkaufte Single Grain „Stonewood 1818“ der Steinwälder Hausbrennerei Schraml beruft sich auf ein Rezept aus eben jenem Jahr.

Wirklich wahrgenommen wurde Whisky hierzulande erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Alliierte Soldaten machten den Drink populär, Gangster- und Wild-West-Filme taten ihr Übriges. Weil Whisky zu Adenauers Zeiten aufgrund hoher Zölle sündhaft teuer war, griffen viele Deutsche jedoch zu billigeren einheimischen Produkten wie dem seit Ende der 50er Jahre verkauften „Racke Rauchzart“, einem Verschnitt von schottischem Whisky und deutschem Getreidebrand. Auch im Osten wurde gefertigt. „Der Falkner“ hieß ein vom VEB Edelbrände und Spirituosen Luckenwalde hergestellter Whisky, dessen Produktion inzwischen eingestellt wurde. Glaubt man Diskussionen in Internetforen wie whiskymania.de, ist das aber kein Verlust: „In Erinnerung ist mir noch irgendwas sprittig Holziges. Als ob man auf abgebrannten Streichhölzern gekaut hat“, ist dort zu lesen.

Der erste deutsche Single Malt feiert in diesem Jahr seinen gerade mal 30. Geburtstag. Anno 1983 destillierte der Franke Robert Fleischmann erstmals die nach seiner Kneipe benannte „Blaue Maus“. Über die Jahre gesellten sich diverse Obstbrenner und Brauer dazu, meist beschränkt sich die Produktion jedoch auf wenige hundert nur lokal erhältliche Flaschen. Erst im September 2012 schlossen sich 17 Destillateure zum Verband der deutschen Whiskybrenner zusammen. Dort gibt man sich siegessicher: „Kultur, Image und die Qualitäten des Deutschen Whiskys werden wachsen.“

Was Scotch-Liebhaber und Spirituosenfachleute sagen

Noch ist Whisky in Deutschland ein Nischengetränk. Der Marktanteil lag 2011 bei gerade einmal 9,6 Prozent. Was die heimische Produktion angeht, rangiert er noch weiter hinten. Gerade einmal 2,3 Prozent des in Deutschland hergestellten Hochprozentigen ist Whisky, Platz eins belegt mit 25 Prozent unangefochten König Kräuterlikör.

Der Markt jedoch wächst, bestätigt Volker Rickmann vom Kreuzberger Tabak und Whisky Center. „Besonders junge Leute interessieren sich zunehmend für das Getränk.“ Ob das gutem Marketing oder dem Erfolg von Retro-Fernsehserien wie „Mad Men“ geschuldet ist, in denen die Hauptdarsteller in kaum einer Szene ohne Zigarette und Whiskytumbler zu sehen sind, weiß auch er nicht. Die Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure jedoch geben ihm recht. Demnach ist das Whiskyangebot in Deutschland zwischen 2002 und 2011 von 46,4 Millionen auf 66,7 Millionen Flaschen gestiegen. Der Pro-Kopf-Verbrauch kletterte von 0,3 Liter auf 0,6 Liter – obwohl der Schnapskonsum insgesamt rückläufig ist.

Doch selbst wenn der bekannte Whisky-Kritiker Jim Murray manche deutschen Erzeugnisse wie den „Sloupisti“ aus der Brandenburger Spreewaldbrennerei oder den „Alrik“ der Harzer Hammerschmiede in seiner jährlich erscheinenden „Whisky Bible“ mit 94 beziehungsweise 95 von 100 Punkten auszeichnete, tun sich viele Scotch-Fans mit dem deutschen Whisky schwer. „Das ist, als würde Jürgen Drews plötzlich bei den Rolling Stones mitsingen wollen“, sagt Volker Rickmann. Der 53-Jährige hat vor gut 20 Jahren zum Whisky gefunden und seitdem, so schätzt er, mehr als 3000 Sorten probiert. Von den deutschen Whiskys, die er verkostet hat, habe ihn noch keiner überzeugt, sagt er. „Da schmeckt man einfach, dass ein paar hundert Jahre Erfahrung fehlen.“

Etwas anders sieht das Thomas Kochan, der in Prenzlauer Berg den Laden „Dr. Kochan Schnapskultur“ führt und auch ein paar deutsche Whiskys im Angebot hat. Seiner Meinung nach seien die hiesigen Erzeugnisse durchaus konkurrenzfähig: „Handwerklich haben es die deutschen Brenner drauf“, sagt er. Man dürfe nur nicht den Fehler begehen, einen deutschen dreijährigen Whisky mit einem Scotch zu vergleichen, der 15 Jahre oder länger im Fass gereift sei. Aber in ein paar Jahren, wenn auch länger gereifte Destillate auf den Markt kämen, könnte das noch sehr spannend werden.

Ein bisschen offen muss man beim Probieren aber schon noch sein. Viele heimische Erzeugnisse riechen ob ihrer Jugend erst mal brandig, auch ein einheitlicher regionaler Geschmack hat sich noch nicht herausgebildet: Während Eschenbrenners Berliner Whisky wie beschrieben irgendwo zwischen Gurke und Eiche zu verorten ist, orientiert sich der Whisky der größten deutschen Destillerie „Slyrs“ an den Vorbildern aus den schottischen Lowlands, die karamellig und weich schmecken. Das könnte auch daran liegen, dass hier im Gegensatz zu fast allen anderen deutschen Brennern keine Obstdestillierapparate benutzt werden, die Fruchtaromen verstärken. Der aus Dinkel gebrannte schwäbische „Owen“ wiederum erinnert manch einen an Marzipan und Graubrot, andere allerdings auch an Lösungsmittel. Der Whisky aus der Preußischen Whisky Destillerie in Brandenburg wiederum duftet nach … Tomate?

Warum deutscher Whisky so teuer ist

„Ja“, sagt Cornelia Bohn. „Das sagen viele“. Manch einer habe aber auch schon Himbeere oder Schokolade entdeckt. Rund 100 Kilometer nordöstlich von Berlin steht die 48-Jährige im uckermärkischen Mark Landin in einem sauber renovierten Pferdestall. Am Kopfende der Halle thront eine bauwagengroße Destillierapparatur. Kupferkessel, Stahl, Hightech. Auf ihrer Jacke prangt das Logo ihrer Brennerei: ein Pferd mit Pickelhaube. Ende 2012 füllte Bohn das erste Mal ihren Single Malt ab. Zwei bis drei Jahre habe sie gebraucht, um sich das ganze Know-how anzueignen.

Das erste Mal Whisky getrunken habe sie noch zu Ostzeiten im Bulgarien-Urlaub, erzählt die Pharmazie-Ingenieurin. Sie war gleich fasziniert. Als 1989 die Mauer fiel, investierte sie einen Teil ihres Begrüßungsgeldes gleich mal in eine Flasche Scotch.

Mit der eigenen Produktion hat sich Bohn, die hauptberuflich in einer Apotheke arbeitet, jetzt einen Traum erfüllt. Es lief gut an. Die erste Abfüllung von 998 Flaschen sei binnen zwei Tagen verkauft gewesen, sagt sie. Und das, obwohl auch ihr Whisky keinesfalls billig ist. Wenn in diesem März die zweite Charge abgefüllt wird, verkauft sie die Halbliterflasche für 60 Euro. Später im Laden wird dann noch mal deutlich mehr fällig. Selbst für die generell hochpreisigen heimischen Produkte ist das teuer. Scotch-Freund Rickmann findet solche Preise sogar „völlig überteuert.“ Für das, was ein dreijähriger deutscher Whisky koste, bekäme man häufig einen exzellenten viermal so alten Scotch.

„Die Kosten erklären sich vor allem durch die geringe Stückzahl und die viele Handarbeit“, sagt Bohn. Außerdem importiere sie die Korken aus Portugal, das Malz, das sie verwendet, bekäme man auch nicht geschenkt. Von der Destilliermaschine ganz zu schweigen. „Die allein kostet so viel wie ein kleines Eigenheim.“

Die hohen Preise und geringen Stückzahlen haben auch zur Folge, dass sich vor allem Sammler besonders für deutschen Whisky interessieren. „Ich bin sicher, dass einige Flaschen nie geöffnet werden“, sagt Cornelia Bohn. Man hört, dass sie das schade findet.

Aber das kann ja noch werden. Auch die Japaner brauchten Jahre, bis ihr Whisky die Anerkennung erfuhr, die er heute hat, geben sowohl Rickmann wie Kochan zu bedenken. Wenn die Entwicklung hierzulande ähnlich verläuft, wird vielleicht auch deutscher Whisky bald lieber getrunken als gesammelt.

Moritz Honert

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