Berliner Schnauzen: Warum klappt es bei den Klunkerkranichen nicht mit dem Nachwuchs?
Gibt es nicht doch noch etwas außer Fressen und Moral? Man hofft und hofft, aber die stolzen Laufvögel im Tierpark zieren sich seit Jahren. An der Libido scheitert es nicht.
Der Klunkerkranich hat es auch nicht leicht. Der Kranich als solcher wird verehrt für Langlebigkeit. Das ist verständlich, weil er eine hohe Lebenserwartung hat, 40 bis 50 Jahre, was in früheren, unmedizinischen Zeiten schon nicht schlecht war.
Dann wird er verehrt von uns Menschen wegen seiner Fruchtbarkeit. Fruchtbarkeit? Mag sein, dass es bei der gleichnamigen Dachterrasse in Neukölln ab und an zur Anbahnung von späterer Fruchtbarkeit kommt. Aber die Klunkerkraniche im Tierpark?
Man hofft und hofft und hofft, laut Kurator Martin Kaiser, aber Herr und Frau Klunkerkranich zieren sich seit Jahren. Libido haben sie, aber noch keine Erklärung abgegeben, warum das Ei für die Nachzucht nicht besamt wird. Es gibt eine Theorie, ob die haltbar ist, weiß man nicht. Die Klunkerkraniche sind, sorry, so heißt das nun mal, Aufreiter. Mann Klunkerkranich reitet Frau Klunkerkranich auf. Beider Flügel sind wegen Fluchtgefahr, wir halten uns im Tierpark auf, gestutzt. Mann Klunkerkranich verliert beim Aufreiten möglicherweise die Balance. Von variablen Stellungen wollen Klunkerkranichs nichts wissen. Blöd gelaufen, wenn die gestutzten Flügel den Balanceverlust verursachen, Herr Klunkerkranich abstürzt und das gesamte Bemühen und Vergnügen im Interruptus endet. Es gibt laut Martin Kaiser etliche Gegenbeispiele bei anderen Kranichen, dass die Balancevariante nicht die Ursache der Nachzuchtverweigerung ist, doch logisch erscheint sie schon.
Es geht ihnen gut im Tierpark
Es sind stolze, elegante, große Vögel. Sie schreiten einher durchs geräumige Gehege, den Zaun würden sie auch mit beschnittenen Flügeln schaffen. Aber warum? Es geht ihnen doch gut im Tierpark. Sie haben ein Feuchtgebiet, sie haben Körner, Samen, Kleingetier im Boden, den sie mit ihren langen Schnäbeln locker durchpflügen, Maulwurf, sei wachsam!, sie sind auf Dauer gepaart, haben als Laufvögel genug Platz fürs Laufen, und der Hautlappen am Hals, der herunterhängt wie ein Klunker, gibt ihnen Namen und Extravaganz.
Tierparkgegner werden einwenden, dass sie nicht fliegen können. Das ist richtig, die beiden im Tierpark sind 13 und 16 Jahre alt, warum sollten sie abhauen wollen? Draußen lauert der Fuchs, der nicht haltmacht vor Klunkerkranichs Größe von 1,70 Meter. Dass der sie umgebende Zaun elektronisch geschützt ist, wissen weder Fuchs noch Klunkerkranich, aber dass er sie schützt in gewohnter Umgebung, das wissen sie schon. Und dass sie nicht abfliegen müssen zum heimischen Kontinent Afrika, wissen sie auch, sie sind nicht sonderlich zickig und anfällig, und bei unter 20 Grad stellen sie sich weniger an als wir Menschen, sie hocken dann eben im warmen Haus.
Beim Besuch war Reinigungstag im Tierpark. Es wurde Laub geblasen, es wurde Laub aufgekehrt von lärmenden Autos, Paar Klunkerkranich ließ sich nicht stören. Stolzierte durchs Reich, pickte hier mal im Boden, schnupperte da mal am Wasser, stöberte dort mal nach einem Maulwurf. Gelassen und entspannt wirkte das.
Aber, liebe Klunkerkraniche, gibt es nicht doch noch etwas außer Fressen und Moral? Hey, liebe Klunkerkraniche, Balance hin, Balance her, Nachwuchs muss her!
Klunkerkranich im Tierpark
Lebenserwartung: 50 Jahre
Natürliche Feinde: Gestutzte Flügel
Interessanter Nachbar: Laubbläser