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Erster Versuch: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble beim ersten Bürgerrat 2019. Danach war Schäuble so überzeugt, dass er die Schirmherrschaft für den aktuellen Bürgerrat übernahm.
© picture alliance/dpa

Wie Demokratie gestärkt werden kann: Vordenken für den Bundestag

Am 19. März übergibt der Deutsche Bürgerrat dem Parlament seine Empfehlungen zur Außenpolitik. Fraktionen sind bereit, die Ergebnisse aufzugreifen.

Zehn Sitzungen mit fünf Unterthemen und insgesamt 50 Stunden Beratung über die künftigen Leitlinien der deutschen Außenpolitik - das war eine harte Aufgabe für die 154 Mitglieder des Bürgerrats, die seit dem 13. Januar tagten. Was der Bürgerrat über Deutschlands Rolle in der Welt formuliert hat, wird nun am 19. März dem Bundestag übergeben. In den fünf Empfehlungen wird Deutschlands Rolle skizziert als „faire Partnerin und Vermittlerin, die gemeinschaftlich mit anderen, insbesondere mit der EU, eine Welt gestaltet, in der auch zukünftige Generationen selbstbestimmt und gut leben können“. Zur Erreichung dieses Ziels sollte sich Deutschland „global für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Wahrung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Frieden und Sicherheit“ einsetzen. Die frühere Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, betonte als Vorsitzende des Bürgerrats, dass bei den Beratungen „das Wort Verantwortung eine wichtige Rolle gespielt“ habe. Der Bürgerrat sei sich aber einig gewesen, dass „Deutschland sich nicht verstecken muss und soll in der Welt selbstbewusster für seine Werte eintreten, gerade bei den Themen Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Demokratie“.

Die Kraft der Mitbestimmung

Im Verlauf des Bürgerrats, der Corona-bedingt online durchgeführt wurde, haben die Teilnehmenden in Kleingruppen und in der großen Runde immer wieder die Fragen bearbeitet, wie sich Deutschlands Rolle definieren lässt und wie sich dies konkret auf die Politik auswirken kann. Neben den Mitgliedern des Bürgerrats waren in den Debatten auch Fachleute aus Ministerien, der Zivilgesellschaft und Politik eingebunden.

Sehr zufrieden zeigte sich Claudine Nierth, Vorstandssprecherin des Vereins Mehr Demokratie, die zusammen mit der Initiative „es geht los“ den zweiten Bürgerrat initiiert hat. „Wir sind überzeugt, dass sich das Instrument Bürgerrat auf jeden Fall zum Ausbau und zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie eignet“, sagte Nierth. Die Schirmherrschaft hatte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) übernommen, nachdem ihn ein erster Bürgerrat 2019 zum Thema Demokratie überzeugt hatte. „Je konkreter die Fragestellung ist, desto tiefer kann ein Bürgerrat die damit verbundenen Zwickmühlen diskutieren und somit anwendungsbezogene und umsetzbarere Antworten liefern.“ Der Brückenschlag zwischen Politik und Bevölkerung sei mit diesem Bürgerrat auf jeden Fall gelungen. „Wir haben bereits Rückmeldungen aus allen Fraktionen, dass sie bereit sind, die Ergebnisse aufzugreifen“, sagte Nierth. Konkret geplant ist bisher aber nur, dass die thematisch zuständigen Ministerien und die Ausschüsse des Bundestages sich mit den Ergebnissen befassen und Abgeordnete und Bürgerratsvertreter miteinander reden.

Zufällig ausgewählt - und trotzdem repräsentativ

Die Bürgerräte wurden aus ganz Deutschland zufällig aus den kommunalen Melderegistern ausgelost und angeschrieben. Unter den Rückmeldungen wurden die Teilnehmenden gemäß Geschlecht, Altersgruppe, Bundesland, Bildungsstand und Migrationshintergrund so ausgewählt, dass der Bürgerrat die Bevölkerung in Deutschland bestmöglich abbilden. Von den ursprünglich 169 Teilnehmenden mussten seit dem Start 15 den Bürgerrat aus zeitlichen, technischen oder gesundheitlichen Gründen verlassen.

Aus Berlin kamen acht Bürgerräte, darunter der 20-jährige Kai Jabri und der 39-Jährige Thomas Spießer. Der Bürgerrat war für Spießer „ein Beitrag zur Demokratie“, der im Falle des Erfolgs „die Politik und die Bürger wieder etwas näher zusammenbringt“. Das gelte vor allem dann, wenn es nicht bei den Empfehlungen bleibe, sondern diese in Gesetze einfließen. Der in Berlin aufgewachsene Software-Entwickler Spießer hält den Bürgerrat auch für ein geeigneteres Instrument als einen Volksentscheid. Im Bürgerrat werde ernsthaft diskutiert, man setze sich intensiv mit den Argumenten auseinander.

Bürgerräte gab es – mit unterschiedlichen Kompetenzen – bereits in anderen Ländern wie Schottland oder Kanada. In Irland ging es um Geschlechtergerechtigkeit; in Frankreich und England erarbeiteten Bürgerräte im vergangenen Jahr etwa weitreichende Klimaschutzvorschläge. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte anfangs versprochen, die Empfehlungen „ohne Filter“ an das Parlament weiterzuleiten, rückte aber später davon wieder ab. Zumindest aber soll es in Frankreich ein vom Bürgerrat empfohlenes Referendum geben, um den Klimaschutz in der Verfassung zu verankern.

Alle Infos über Deutschlands Bürgerrat und die Ergebnisse gibt es hier: https://deutschlands-rolle.buergerrat.de/

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