Modeausstellung in Rotterdam: Viktor & Rolf sind die Puppenspieler
Viktor & Rolf sind die berühmtesten Modedesigner der Niederlande. Die Kunsthalle Rotterdam widmet ihnen eine Ausstellung zum 25-jährigen Jubiläum.
Die weißhaarige Dame schiebt ihren Rollator so nah an das Kleid heran, dass sie den ausladenden Saum vor ihrer Nase hat – und fotografiert dem Kunstwerk direkt unter den Rock. Das Werk ist von Viktor & Rolf, die detailverliebte Dame eine Besucherin der Ausstellung zum 25-jährigen Jubiläum des niederländischen Designduos in der Kunsthalle Rotterdam.
Die Niederländer sind mächtig stolz auf ihre berühmtesten Designer. Tatsächlich würde es bei dieser Ausstellung fast genügen, die Kleidungsstücke auf Puppen zu ziehen und in den Raum zu stellen, so aussagekräftig und unterschiedlich sind die einzelnen Kollektionen.
In den drei Räumen erscheinen Viktor Horsting und Rolf Snoeren erst einmal wie zwei exaltierte Kreative, die Spaß daran haben, ihre Spleens zu einer Kunstform zu erheben. Das fängt schon mit ihnen selbst an. Weil sie als Studenten an der Universität der Künste in Arnheim immer verwechselt wurden, machten sie ein Spiel daraus und zogen sich gleich an. Wie ein altes Ehepaar haben sie sich auch in ihren Bewegungen und ihrer Sprechweise aneinander angenähert, obwohl sie kein Paar sind.
Schon oft haben sie die Geschichte erzählt, wie sie an verschiedenen Orten in Südholland aufwuchsen und sich nicht vollständig fühlten. Dieses Problem erledigte sich schlagartig, als sie sich 1988 bei der Aufnahmeprüfung trafen.
Vielleicht muss man zu zweit sein, um so konsequent und unbeschadet durch die Untiefen der Modebranche zu kommen. Viktor & Rolf haben sich nie in kommerzieller Beliebigkeit oder verrücktem Kunsthandwerk verloren. Sie finden immer wieder den Punkt, an dem es weh tut oder es etwas zu lachen gibt.
Lustig ist zum Beispiel, wie sie das Thema „Roter Teppich“ interpretieren. Da steht ein Mantel mit einer riesigen Schleife am Halsausschnitt, der aus einem roten Veloursteppich gefertigt ist und gar nicht anders aussehen kann als die Karikatur eines Outfits für einen Möchtegern-Promi.
Die meisten Kleider, die in der großen Haupthalle aufgebaut sind, halten nicht mit dem hinterm Berg, was uns die Designer sagen wollen. Während die meisten Kollegen ihre Sicht der Dinge stark abstrahieren, sieht bei Viktor & Rolf eine Kollektion mit dem Namen „Atomic Bomb“ auch genau so aus. Alle Outfits haben die Form eines Atompilzes. Zum Beispiel bläht sich ein Smoking, der schmal auf der Taille sitzt, zu den Schultern überdimensional auf.
Sie wollten berühmte Designer werden - dafür interessierte sich aber niemand
1993 gelang es ihnen mit einem ihrer frühesten Entwürfe, für das wichtige Modefestival Hyères ein gleichzeitig wunderschönes und morbides Kleidungsstück zu schaffen. In seiner Form entspricht das Kleid dem klassischen Prinzessinnentraum, aber die Verzierungen aus grauem, stumpfem Stoff, der sich wie Spinnweben über den glänzenden Seidentaft legt, verleihen der Schönheit etwas Abgründiges.
Mit diesem Kleid gewannen sie als 24-jährige Modeabsolventen zum ersten Mal einen Preis und viel Aufmerksamkeit. Für Viktor & Rolf der Startschuss, um nach Paris zu gehen und berühmte Designer zu werden. Dafür interessierte sich dort aber leider niemand. Sie erlitten das Schicksal vieler junger Nachwuchsdesigner: Tagsüber schufteten sie für große Häuser, nachts nähten sie ihre eigenen Kleider. An ihren Entwürfen in Rotterdam ist auch ihre persönliche Geschichte abzulesen, zum Beispiel die Enttäuschung und Wut darüber, dass der Applaus ausblieb.
Heute machen sie nur noch Haute Couture
Sie bauten sich ihre Welt en miniature, entwarfen Kleider für Puppen, brachten ein eigenes Parfüm auf den Markt, dessen Flakon sich nicht öffnen ließ und von dem es nur 150 Stück gab. All das stellten sie in kleinen Galerien in Amsterdam und Paris aus. So wurden sie zu Modekünstlern. Sie setzten Erfolg in Szene, und siehe da – damit stellte er sich wenig später auch ein. Von 2001 bis 2013 zeigten sie ihre Mode während der Prêt-à-porter-Wochen in Paris, brachten mit „Flowerbomb“ ein echtes Parfüm auf den Markt und arbeiten mit Hennes & Mauritz zusammen. Seit 2013 sind sie offizielle Mitglieder des „Chambre Syndicale de la Haute Couture“ in Paris. Ihre konzeptionellen Arbeiten lassen sich besser mit der aufwendigen Verarbeitungsweise der Haute Couture verbinden.
Und wie man an dieser Ausstellung sehen kann, haben sie sich eine treue Kundschaft erarbeitet. Fast jedes Stück ist die Leihgabe eines Museums. Die Kuratoren sitzen wahrscheinlich schon wieder bei den Modenschauen in der ersten Reihe, um sich die schönsten Entwürfe zu reservieren. Auch dadurch haben Viktor & Rolf ihren Platz in der Modegeschichte der letzten 25 Jahre gesichert.
Viktor & Rolf: Fashion Artists 25 Years, bis zum 30. September in der Kunsthal Rotterdam. Mehr Infos: www.kunsthal.nl
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