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Manuela Rehn und Jörg Reuter in ihrem Laden, auf den Brettchen eine Brotzeit.
© Mike Wolff

Empfehlungen: Unsere Besten

Scotch und Bourbon, Schinken und Wurst, Scones und Cookies: In Berlin kann man so viel Gutes finden. Hier sind: drei Lieblingsläden. Teil XVI einer Serie.

HIER GEHT ES UM DIE WURST – UND NOCH MEHR

Merkwürdig geformte Stalaktiten hängen da nebeneinander herunter: Salami, Ahle-Wurst, Schinken im Netz, ganze Schweineschinken am Knochen ... Zum Reinbeißen sieht das aus, und wenn der Blick dann in die Kühltheke fällt, setzt vehement Speichelfluss ein: Pata Negra, Lardo, Tiroler Coppa, Hessische Blutwurst, sogar Pastrami, grobe Leberwurst, mal Fettes, mal Mageres, Wiener Würstchen, Trüffelsalami, Parmaschinken, rund 50 verschiedene Produkte; auf der Theke ein Holzbrettchen mit kleinen Stücken davon, Appetithappen, die man sich als Kunde nebenbei einverleibt. Nebendran ein ähnliches Angebot in Käse.

Seit gut einem halben Jahr gibt es den kleinen, feinen Laden, 45 Quadratmeter Genuss, ein schlauchartiger Raum, grau sind Fußboden und Stuckdecke, hinten ein langer Tisch für zehn Leute mit Stühlen und Bank, an einer Wand Holzrahmen mit Fotos befreundeter Lieferanten, Bauern, Fleischer, Imker, Kaffeeröster, dazwischen auch mal eine gefleckte Sau, die längst gegessen ist, im Schaufenster eine rostige Waage, und irgendwie spürt man:

Hier wird Tante Emma professionell veredelt.

Die zwei Macher sitzen am Tisch, Manuela Rehn, 35, Jörg Reuter, 44, vor sich Aufschnitt, Käse, Gürkchen, Tomate, Weingläser, Butterbrote. Sie naschen, kauen, erzählen, verkosten Neues (italienischen Rotwein).

Begeisterung spricht aus Augen und Mündern. Dieser Kuhschinken da, sagt er, ist von zehn Jahre alten Milchkühen, gibt’s ja kaum noch so olle Tiere, kommt aus Galizien, eineinhalb Jahre luftgetrocknet, Konsistenz fast wie Bündnerfleisch, dunkelrot die Farbe, kräftig am Gaumen.

Oder die Ahle-Leberwurst da, probieren Sie mal, sagt sie, schickt uns ein Metzger aus der Kasseler Gegend; mürbe ist die, wuchtig im Mund, pfeffrig, eine „Wurstpraline“. Man schmeckt’s.

Es ist ja nicht ihr Brotberuf, dieser Laden, eher ein „Herzenswunsch“, ein Traum, den viele haben und doch nie verwirklichen: Ich hätte gerne ein Geschäft, wo all das verkauft wird, was ich gerne esse, nur beste Qualität, nur von Herstellern, die ich kenne, ökologisch, wenn’s geht, dargeboten in einer Umgebung zum Wohlfühlen.

Er: gelernter Landwirt.

Sie: studierte Marketingfachfrau.

Zusammen: Strategieberatung für große Firmen, auch im Ausland; zentrales Thema: Nachhaltigkeit.

Motto: Tue Gutes und verdiene Geld damit.

Idee: Wir wollen die beste Auswahl an Schinken in Berlin anbieten.

Der Laden läuft nebenbei, finanziell sind sie davon nicht abhängig, einmal die Woche, so der Plan, schiebt jeder eine Schicht hinter der Theke, mit den Kunden reden, Feedback einfangen, ansonsten steht ein sachkundiger junger Mann („unser Marktleiter“) da, säbelt die gewünschten Stücke von Käse und Wurst ab und lässt auf Wunsch auch einen Cappuccino aus der silbernen Maschine, dazu Cantuccini aus dem Glas, gern auch eine belegte Stulle und ein Glas Wein.

Was die beiden ansonsten arbeiten, lässt sich an der Sprache erahnen: Zwei-Nutzungs-Tier, Upcycling, preisfokussiertes Segment ... Die wuchtigen Regale etwa sind upgecyclet, Bauholz aus alten Häusern, darin Honig (aus Dresden), Haselnusscreme (aus Pirna, wo Manuela Rehn herkommt), Tee (von Freunden aus Kreuzberg), Schokolade (von einem Mann aus dem Kiez), Kaffee (Rösterei in Friedrichshain), Pasta (unser umbrischer Scout). Ein Netzwerk des guten Geschmacks. Schön für die beiden und ihre Kundschaft. Norbert Thomma

Vom Einfachen das Gute, Invalidenstraße 155, Telefon 28864849, werktäglich ab 10 Uhr.

Single Malt

SINGLE MALT

Den Chef haben sie in der Szene „Whiskykanzler“ getauft. Werner Hertwig hat schließlich Pionierarbeit geleistet. Als er seinen Laden 1986 mit einer Auswahl hochwertiger Whiskys eröffnete, waren die hierzulande noch Nischenprodukt.

Wenn Hertwig der Malzregierung vorsteht, dann ist Jens Praßer so etwas wie sein Vizekanzler. Seit kurzem unterstützt Praßer, Jahrgang 1966, den Freund im täglichen Geschäft und wird wohl bald dessen Nachfolge antreten. Vor Jahren kam der Industriekaufmann mal als Kunde in den Laden in der Eisenacher Straße in Schöneberg. Auf der Suche nach einem Geschenk für seinen Vater verkostete er einen 30 Jahre alten Whisky – und spätestens da war es um Praßer geschehen: „Da habe ich meinen Weg zum Single-Malt-Whisky gefunden“, sagt er. Zu Whisky also, der Charakter hat, der anders als die handelsüblichen Blends nicht verschnitten und geglättet ist, sondern aus einer einzigen Brennerei stammt und ausschließlich aus gemälzter Gerste hergestellt wird. Von der „Spirituose mit der größten Bandbreite an Aromen“ schwärmt Praßer. Ein Spektrum, das von Frucht- über Holz- bis zu starken Rauchnoten reicht.

„Wein & Whisky“ – der Name ist geblieben, auch wenn der Verkauf von Wein anders als in der Anfangszeit kaum mehr eine Rolle spielt – ist ein Laden, in dem man Whisky lieben lernen kann. Das Angebot in den Regalen der vier Altbauräume ist kaum zu überschauen. Etwa 1500 Sorten gibt es hier: vor allem schottische, aber auch irische, japanische, amerikanische, französische, ja sogar schwedische Whiskys (beziehungsweise „Whiskeys“, wie die Spirituose in den USA und Irland heißt), seltene alte Schätze ebenso wie die großen Marken, Whiskys, die Destillerien speziell für die Schöneberger abgefüllt haben, Flaschen, für die man 30 Euro zahlen muss neben solchen für 300 Euro, Whiskys, auf die Jens Praßer schwört, und solche, die halt kaufen soll, wer das unbedingt möchte.

Im Eingangsbereich stehen auf einem alten Fass einige Sorten (Glenkinchie, Cragganmore ...), die man unkompliziert für ein paar Euro probieren kann – aus stilechten Nosing-Gläsern, in der Hand angewärmt. On the rocks würden sich die Aromen der Spirituose gar nicht richtig entfalten, sagt Praßer. Herz des Ladens ist der Bereich, in dem sich früher ein Pub befand: Das Licht ist gedimmt, eine schottische Fahne verdeckt das einzige Fenster, links und rechts stehen schwere Holzregale und in der Ecke Ledersessel. Hier finden auch Verkostungen statt, fürs Einsteigertasting (ab fünf Personen) zahlt man 30 Euro. Jens Praßer berät seine Kunden gern, das merkt man. Er hat schon an die 850 Whiskys probiert, als Kenner will er sich trotzdem nicht bezeichnen. Whisky ist eben ein endloses Thema, „eine Wissenschaft – aber eine, die großen Spaß macht“.Björn Rosen

Wein & Whisky, Eisenacher Straße 64, Mo 13-18, Di-Fr 11-18, Sa 10-14 Uhr.

Scones & Co

SCONES & CO

Kuchen ist auch eine Lösung. Als Heilpraktikerinnen dafür ausgebildet, Menschen Gutes zu tun, setzen zwei Freundinnen nun ihren Heilauftrag mit anderen Mitteln um: Mit ingeniösen Kuchen, Desserts, Cookies und Tartes. Am wirkungsvollsten sind dabei im Berliner Winter die Scones. Mit einer schwer reißenden, kontinentalen Artverwandten der „clotted cream“, entfaltet das kleine Stück British Empire fein krümelnd Größe, dazu eine selbst gemachte Erdbeermarmelade mit toll-dreistem Aroma. Und dann ist es plötzlich Sommer. Englischer Sommer.

Das Gebäck auf dem spiegelnden Tresen wirkt perspektivisch verzerrt wie in Lewis Carroll’s Wunderland: Gugelhupfe sind zu Mini-Gugels geschrumpft, nicht mehr als je ein Bissen. Zu Weihnachten lagen Winz-Stollen in Schachteln, von der Größe kleiner, abgehackter Finger japanischer Yakuza. Der mondgroße Schokoladen-Cookie dagegen verdeckt das Gesicht eines dreijährigen Kindes vollkommen.

Tanya Hackfort und Ellen Moroff haben über Jahre begeistert Zeitschriften für ihre Rezepte gewälzt. Häufig spazierten sie durch Berlin, um den idealen Ort zu finden für ihre „sweet litte nothings“. Es wurde Schöneberg, Off-Broadway, also etwas jenseits der Goltzstraße, Eröffnung vor gut einem Jahr. Auf dem grünen Sessel neben der Kinderbank wurde in der Familie Hackfort schon ein Heiratsantrag gemacht – und Ellen Moroff sitzt daheim auf einem Balkonstuhl, denn ihre Stühle sind jetzt im Café.

Hier haderten sie anfangs mit ihrem neuen Ofen. Ein zunächst unberechenbarer Wüstenwind in seinem Innern föhnte die Käsekuchen auf ganz merkwürdige Weise zurecht, die ersten mussten sie wegschmeißen. Aber längst ist das Ungetüm gezähmt, und die beiden messen ihre eigene Experimentierfreude an der ihrer Gäste: Neben der spanischen Zitronentorte, neben Käsekuchen und Birnentartes gibt es Erdbeer-Basilikum-Torte im Sommer und Desserts im Glas aus der englischen Tradition der Puddings und Trifles, an die sich das Publikum erst langsam herantraut. Die Scones, von denen jeden Morgen zehn Stück frisch gebacken werden, hat Tanya Hackfort unter dem anschwellenden Applaus der Nachbarschaft zur Perfektion getrieben: Dinkelmehl nimmt sie, Sahne statt Buttermilch und hinein kommt immer mal wieder etwas anderes: Schokolade und Aprikosen, Feigen, manchmal sogar frische Mango.

„Priester, Heilpraktiker und Wirt“, sagt Tanya Hackfort, „das ist kein Unterschied.“ Sie kümmert sich jetzt um all jene, die ebenfalls ahnen, dass Kuchen für sie eine Lösung sein könnte, und darüber zu Stammkunden geworden sind. Deike Diening

Mattea B., Frankenstraße, Ecke Kyffhäuser Straße, Mo-Sa 9-19, So 10-18 Uhr.

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