Neue Eis-Kreationen aus Berlin: Schoko oder Vanille? Eine Frage für Eisnostalgiker
Heute kann man zwischen japanischem Kakigori, mit Stickstoff gefrostetem Eis oder Gourmet-Softeis wählen – und jeder Menge Zutaten sowieso. Unsere Empfehlungen für Berlins bestes Crazy Ice.
Heißer wird's nicht. Der Berliner Sommer läuft auf Hochtouren, und wer noch Abkühlung sucht, muss dafür nicht in der Warteschlange vor dem Freibad schmoren. Ein Eis tut's auch. Und nie war die Vielfalt so groß wie in diesem Jahr - dank der coolen Ideen neuer Eismacher. Sie experimentieren mit Stickstoff, hobeln Schneeflocken direkt vom Eisblock, rühren frische Beeren, Nüsse und feinste Schokolade in ihre Kreationen. Und was dabei herauskommt, lässt die Genießer keineswegs kalt. Eine japanische Kundin sei in Prenzlauer Berg vom Kakigori, dem japanischen Wassereis, so angetan gewesen, dass ihr die Tränen kamen, ist zu hören. Wir haben für Sie probiert.
1. Flockys
Auch vor dem Eis macht die Globalisierung nicht halt. Galt vor einer Generation noch ein halbwegs authentisches Gelato aus Italien als Gipfel des weltläufigen Genusses, werden heute schon mal halbautomatische chinesische Eishobler durch die Welt verschifft, wenn in Friedrichshain eine Eisdiele eröffnet. Für Letzteres ist Andreas Dietrich verantwortlich, der sich das Konzept von „Flockys“ ausgedacht hat. Als der gelernte Patissier vor ein paar Jahren durch Asien reiste, war er begeistert von einer Maschine, die auch in sengender Hitze schneeflockenweiches Eis raspelte. Weniger gut schmeckte ihm allerdings, was sie dort an pappsüßen und regenbogenbunten Sirups drüberkippten. Dietrich dachte sich, das geht besser. Tut es auch – bei ihm im Laden. Nach einigen Experimenten hobelt er in Friedrichshain statt eines Eisblocks eben Milchspeiseeis mit wenig Sahne und Fruchtsorbets, also Sorten, die man sehr kalt frieren kann und die wenig Fett haben. So lässt sich das Ganze hauchfein raspeln. Sorten wie Mango, Blaubeer oder Schokolade sind im saisonal wechselnden Sortiment. Obenauf gibt’s Toppings von frischen Erdbeeren bis zu bunten Marshmallows. Rote Früchtchen krönen etwa das feinherbe Matcha-Eis, Süßes macht die Kinder glücklich. Eine Eisdiele für alle Fälle.
Friedrichshain, Boxhagener Str. 71, täglich 13–20 Uhr, flockys.de
2. Delabuu
In Thailand hat Parvas Zahir das Stakkato-Hämmern das erste Mal gehört. Er ging an den Stand, aus dem es dröhnte und fragte, was macht ihr da? „Icecream, Sir.“ Da entstand bei BWL-Student Parvas Zahir, gebürtiger Berliner mit afghanischen Eltern, die Geschäftsidee, veganes Eis anzubieten wie in Thailand, zu Rollen geformt wie dort, nicht mit „Chinamilch“ als Basis, sondern einer selbst ertüftelten, laktosefreien Pflanzencreme, leicht gezuckert, nur 32 Prozent Fett. Von kleinem Geld schaffte er sich die Kühlmaschine an, verkaufte auf Berliner Wochenmärkten aus dem Zelt. Nun hat er ein eigenes Eiscafé, stylish holzverschalt und mitten im Szenekiez, die Nachbarschaft perfekt: lauter vegane Restaurants. Wer reinkommt, kreuzt auf einem Vordruck an, was er ins Eis haben will: frische Früchte oder einen von um die 25 Schokoriegeln, Schokoküsse oder Müsli... Und dann passiert das: Milch wird auf eine bis zu minus 65 Grad kalte Edelstahlplatte gegossen, drüber kommen die gewählten Zutaten, dann wird mit zwei Hackmessern alles schnell, schnell zerkleinert – tacka-tacka-tacka-tack. Der Eismix wird zum großen Viereck ausgestrichen, und beim Abschaben mit dem Spatel rollt sich sich Masse hübsch. Die Röllchen kommen aufrecht mit Wunschtopping in den Becher, drei zu 3,60, fünf zu 4,60 Euro. Zahir, 28 und schon Manager, strahlt, als er sagt: „Es macht übertrieben Spaß!“
Friedrichshain, Krossener Str. 15–18, Mo–Do 13–22, Fr 13–23.30, Sa 12–23.30, So 12–22 Uhr, Delabuu (Facebook)
3. Misch Misch
Am schlimmsten ist der Moment, in dem man sich für einen Lieblingsmix entscheiden soll. Allein die Eissorten: Will man Schoko mit Vanille oder Mango? Oder Joghurt mit Erdbeereis oder vegane Vanille als Sorbetpartner? Und was soll rein in die Eiscreme: frische Beeren, Schokolade, Nüsse, Kekse? Oder Cheesecake-Stücke, Crumble, Brownie- oder Muffinbröckchen, Apfelkuchenteile oder Chiapudding-Tropfen? Im brandneuen Eiscafé von Gastronom Ali El Ahmad und Grafikdesignerin Elke Reisch wird einfach jede Zutat, die der Gast haben möchte, zu einem köstlichen Eisdessert gemischt. Den Becher kleidet das Personal am gläsernen Tresen mit einer hauchdünnen, frisch gebackenen Waffel aus, die minutenschnell zu einem knusprigen Korb erstarrt. Als Basis dient flüssige belgische Schokolade, dann werden die gewählten Eissorten auf einer minus 20 bis 26 Grad kalten Marmorplatte ausgestrichen, mit den Zutaten bestückt und mittels großer, langer Löffel gemischt, bis am Ende eine tennisballgroße marmorierte Kugel ins Waffelbett sinkt. Noch schnell ein Topping aussuchen: Haselnusskrokant oder kandierte Mandeln, hausgemachte Saucen, Pürees oder, oder... Die Idee aus den USA inspirierte El Ahmad in Dubai. Er variierte sie, verwendet nur beste hausgemachte Zutaten statt Convenience und wunderbares Eis der italienischen Manufaktur Zambito. Sein Ziel hat er schon erreicht, die Kundschaft wird kreativ – und wagt sich an Salz zu Karamell oder Brezel zu Vanille.
Kreuzberg, Rudi-Dutschke-Str. 18A, täglich 8–23 Uhr
4. Tenzan Lab
Die erste Kundin war eine Japanerin, und die, erzählt Stjepan Klein vom gerade eröffneten Tenzan Lab hörbar stolz, sei gleich in Tränen ausgebrochen. 15 Jahre habe sie kein Kakigori mehr gegessen. Kakigori, das zur Erklärung, ist im Grunde genommen ein Wassereis. Weil es aber von Japanern erfunden wurde, trifft es eher: dessen ultimative Steigerungsform. Außerhalb Asiens war es bislang kaum zu bekommen, jedenfalls nicht in angemessener Qualität. Insofern ist es durchaus Rarität, was Stjepan Klein in der Wörtherstraße in seiner Eisdiele – pardon: in seinem Lab – serviert. Das fängt beim Grundprodukt an, dem Wasser: Es ist mehrfach gefiltert, entkalkt und wird über Tage bei einer Temperatur knapp unter null Grad gefroren. Dabei wird es sanft in Bewegung gehalten, damit der Sauerstoff entweicht. Das ist wichtig, denn dann schmelzen jene feinen Flocken deutlich langsamer, die mit dem Hobel aus dem Eisblock geraspelt werden. Für die Freudentränen der ersten Kundin war die Variante mit dem Topping aus kandiertem Ingwer, geröstetem Sesam und Sake kasu verantwortlich, einem stärkehaltigen Überbleibsel des Reises, der zum Brauen des japanischen Nationalgetränks verwendet wird und hier als sämige Sauce die Flocken krönt. Wer es gefälliger möchte, nimmt den Becher mit Mango. Auch Varianten mit Avocado und Matcha sind im Angebot.
Prenzlauer Berg, Wörtherstr. 22, Di, Mi, Fr, So 13–20 Uhr, Do, Sa 12–20 Uhr, tenzan-lab.com
5. Paul Möhring
Zu den erstaunlicheren Unterfangen der Berliner Eisszene gehört das „Paul Möhring“. Hier gibt es Softeis in der Gourmetvariante. Das klingt aussichtslos, lange Jahre galt es als schlunziger Schrecken der Fußgängerzone, als Salmonellenschleuder, an die sich höchstens verzweifelte Kinder ranwagten, wenn mal wirklich kein Schlumpfeis zu haben war. Auch in der DDR war Softeis beliebt, was jetzt auch nicht unbedingt eine kulinarische Auszeichnung ist. Schon mutig also, dass das Café in der Oranienburger Straße versucht, es mit handwerklichem Ehrgeiz zu optimieren. In Bioqualität, mit ganzen Vanilleschoten, mit Valrhonaschokolade, mit einer cremigen, aber auch nicht zu luftigen Textur. Und mit Toppings, die den etwas zwangsoriginiellen Marketing-Slogan („Tradition & Wahnsinn“) zum Glück nur so halb ernst nehmen. Dass Salz und Karamell ein tolles Paar bilden, weiß man jetzt auch bald ein Jahrzehnt, und beim Salty Dude (3,50 Euro) funktioniert die Beziehung ganz harmonisch. Ein bisschen exzentrischer kommt auf den ersten Blick „The Butcher“ daher. Hier bringt ein mit Ahornsirup glasierter Speck einen ordentlichen Salzkick, der in der rauchigen Bourbon-Sauce eine würdige Begleitung findet. Was sich sonst noch aufs Softeis verirrt? Olivenöl, Habanero-Chili, Sechuanpfeffer, Salzstangen-Crush, kandierte Fenchelsamen… Hätte das Softeis einen Ruf zu verteidigen, hier wäre die Ehrenrettung ganz klar gelungen.
Mitte, Oranienburger Str. 84, Mo–Do 9–19 Uhr, Fr 9–20, Sa 10–20, So 10–19 Uhr, paulmoehring.de
6. Woop Woop
Wer den bunten Eisladen in Mitte betritt, sieht: kein Eis, dafür eine Vitrine mit Zutaten und nach Bestellung jede Menge Qualm. Bei Woop Woop wird Eis in der Küchenmaschine zubereitet: frisch gemixt und schockgefroren mit minus 196 Grad kaltem flüssigen Stickstoff. Das Eis ist kompakt, der Geschmack konzentriert, und die Show hat was. Stickstoff strömt durch eine dicke Leitung in den Kessel und entzieht den Zutaten Wärme, so bilden sich kaum Eiskristalle. „Cremiger kann Eis kaum sein“, sagt Philipp Niegisch. Lange hatten der Betriebswirt und sein Geschäftspartner, der Physiker Boris König, ihr Stickstoffeis nur vom Foodtruck aus verkauft. Seit einigen Jahren gibt es ihr Geschäft auf Berlins junger Touri-Meile zwischen Hostels und Diners. Man kennt die beiden aus dem TV: Auf Vox präsentierten sie ihre Idee Investoren in der „Höhle der Löwen“, und Niegisch servierte Stefan Raab als Gag Mettbrötchen-Eis. Alle paar Wochen wird die Karte aus mindestens drei Milcheis- und einer veganen Kreation gewechselt. Derzeit im Angebot: reine Pistazie, Kokosnuss, Zimt, geröstete Ananas, Schoko-Walnuss-Brownie, Mascarpone-Erdbeere-Stracciatella und ein Waldbeere-Acai-Sorbet. Neu sind Premium-Toppings aus Schokolade, Popcorn, Baiser. Für den großen Hunger zu empfehlen: die dicke Portion in der Waffel, außen heiß, innen Eis.
Mitte, Rosenthaler Str. 3, täglich 12–20 Uhr, woopwoopicecream.de
Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.
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