Reportage: Was das Rittergut von AfDler Poggenburg über ihn verrät
AfD-Politiker André Poggenburg schweigt – über sich und seinen Erfolg in Sachsen-Anhalt. Warum also nicht sein Haus befragen? Ein Besuch in Nöbeditz. Unser Blendle-Tipp.
Zur Kranzniederlegung am Holocaustgedenktag in Magdeburg kommt er zu spät. Wie blöd. Wie unangenehm. Und „die Lügenpresse“ wartet schon. Ist dieses Zuspätkommen gar symbolisch gemeint?, will sie wissen, sinngemäß. André Poggenburg, Spitzenkandidat der AfD für die Landtagswahlen, wehrt ab, er trägt eine fast jungenhafte Bestürzung im Gesicht, natürlich war das nicht Absicht, aber: „Ich bin von weiter weg!“
Klingt, als stamme er von einem anderen Sonnensystem. Ein Verdacht, den manche ohnehin hegen, aber egal wie, das war keine gute Antwort. Poggenburg, gelernter Behälter- und Apparatebauer aus Weißenfels, hat eines jener Gesichter, von denen es heißt, man könne darin lesen wie in einem offenen Buch. Und die nächsten Fragen dürften kaum einfacher werden. Denn dieser Tag, dieser 27. Januar, und seine Partei scheinen nicht recht zusammenzupassen.
Damals, im Januar, sahen gewagte Prognosen die AfD in Sachsen-Anhalt bei 15 Prozent, höchstens. Schon die wären sensationell gewesen für eine Newcomerpartei, die es bei den letzten Landtagswahlen noch gar nicht gab. Und dann, am 12. März, wurde der Mann von etwas weiter weg 41 Jahre alt, und am nächsten Tag holte seine Partei 24,3 Prozent, zog gleichmütig an SPD, Linken und Grünen vorbei und wurde zweitstärkste Kraft nach der CDU. Der neue Magdeburger Landtag ist also ziemlich blau.
Hätte er sich das zugetraut? Eben noch ein fast insolventer Autokühlerbauer in der Provinz, der jeden Tag damit rechnen musste, verhaftet zu werden, weil er immer wieder die Auskunft über seine Vermögensverhältnisse verweigerte. Und nun geht er statt in den Knast erhobenen Hauptes in den Landtag. Wie fühlt sich das an?
Leider kann man ihn das nicht fragen.
André Poggenburg antwortet nicht auf Interviewwünsche. Nicht, dass er absagt, das wäre der mehr konventionelle, höfliche Weg, aber Poggenburg reagiert gar nicht erst. Einerseits ist das sehr verständlich. Die Chance, dass etwas richtig Gutes, richtig Schönes, Erhebendes über ihn in den maßgeblichen Zeitungen dieses Landes erscheinen könnte, ist vergleichsweise gering, um nicht zu sagen, sie ist fast nicht vorhanden. Manchen Ostlern, vielleicht auch ihm, kommt das wohl vor wie früher in der DDR: Man wusste sowieso, was in der Zeitung steht, und man wusste, dass es mit der „gefühlten“ Wirklichkeit nicht viel zu tun hatte. Das Wort „Lügenpresse“ ist nicht so sehr faschistoid, es ist mehr DDR-ursprünglich. Es bezeichnete eine gewisse Renitenz gegen das System, aber was bezeichnet es heute? Den alten Ost-Trotz?
Eigentlich ist Poggenburg zu jung für den alten Ost-Trotz. Er gehört zu der Generation, für die das Ende der DDR mitten in die Pubertät fiel. Alles löste sich auf, nichts zählte mehr. Unangenehme, fordernde Lehrer waren im Zweifel Stasi-Typen. Die Erwachsenenwelt: unmündige Kinder im eigenen Land, noch verunsicherter als man selbst. Eben riefen sie noch: Wir sind das Volk! Und schon ein Jahr später stand auf den Transparenten der erkenntnistheoretisch Hellsichtigen: Wir waren das Volk! Wie hat ihn diese Zeit geprägt, die für jeden Menschen die entscheidende ist: die eigene Jugend?
Hat er sich sein Rittergut deshalb gekauft? Weil er Sehnsucht nach etwas Beständigem hatte? Erste urkundliche Erwähnung 1266, das gibt doch Halt. Wieder das sein, was moderne Menschen fast nie mehr sind: Glied einer Kette, etwas ererben und es weitergeben. Anwohnen, anrestaurieren gegen die Erfahrung, dass mit solchen wie uns meist alle Ketten enden. Wie gut hätte man darüber reden können auf seinem Rittergut, etwas weiter weg....
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