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Moritz und Gisela Höhne wohnen in einer offenen WG. Nicht als Mutter und Sohn, sondern als zwei Erwachsene, die sich Kraft geben.
© Rob de Vrij

Berliner Schauspieler mit Downsyndrom: Ohne Makel kein "RambaZamba"

Der perfekte Mensch ist die Zukunft. Alles in Gisela Höhne protestiert dagegen. Denn dann hätte es ihren Sohn Moritz nie gegeben, den Schauspieler mit Downsyndrom. Und die Gruppe "RambaZamba" am Deutschen Theater. Unser Blende-Tipp.

Küsst er ihre Hände gar von innen? Ein Handkuss ist kein Handkuss, die letzte Erinnerung an das Konventionelle der Geste ist fort, und dann streichen seine Finger langsam ihren Arm hinauf. „Seine Zunge in meinem Ohr. Seine Hand in meinem Schoß …“ Da ist nichts Verschämtes, nur eine tiefe, tiefe Zärtlichkeit. Zora Schemm und Moritz Höhne. Sie sagen sich alles, was Liebende gewöhnlich sagen und auch das, was sie nur denken, was ihre Körper denken. Das Stück heißt „Der gute Mensch von Downtown“.

Downtown? Nachher wird eine Zuschauerin zur anderen sagen: „Jetzt versteh’ ich das erst! Down wie Downsyndrom.“ Sie wird still, denn sie weiß, was auch die Spieler auf der Bühne wissen: Bald schon wird es solche wie sie nicht mehr geben. Es werden kaum noch Kinder mit Downsyndrom geboren. Das Paar geht ins Exil: im leeren Koffer einer Bassgeige.

40 Jahre zuvor. Der jungen Mutter fiel nichts auf, gar nichts, sie fand ihn wunderschön: „Er war doch mein erstes Kind!“ Der Vater begrüßte seinen Sohn auf dieser Welt, hielt kurz inne und fragte dann: „Sieht er nicht aus wie ein Clown?“ Männer! Aber die Erkundigung war kein Tadel, sie war mehr eine erste Liebeserklärung. Nur aus den Mienen der Schwestern schien sie, unpassend genug, etwas wie Mitleid zu lesen und die Ärzte hielten Abstand zu ihr. Aber eigentlich war sie zu glücklich, um das zu bemerken.

Am dritten Tag trat dann einer an ihr Bett und erklärte ihr vieles. Nachher durchzogen Wortgruppen einzeln ihr Hirn: SIE lernen nicht gut sprechen, SIE können nicht rechnen, SIE können nicht logisch denken. Moritz, ihr kleiner Moritz, war plötzlich einer „von denen“. Aber wer waren DIE?

„Ihr Sohn wird nie in die Schule kommen!“, schloss der Arzt. Erst viel später fiel Gisela Höhne auf, dass der Mediziner nur gesagt hatte, was ihr Kind nicht können wird. Was es können wird, sagte er nicht.

Trisomie 21 also. Fehlerhafte Meiose. Meiose heißt die Halbierung des Chromosomensatzes bei der Verschmelzung des mütterlichen und väterlichen Zellkerns, andernfalls würde sich die Chromosomenzahl mit jeder Generation verdoppeln. Die Halbierung war misslungen. Ihr Sohn besaß das 21. Chromosom dreifach, zumindest Teile davon.

Es war das Frühjahr 1976 in Ost-Berlin. Es war das Jahr der Ausbürgerung Wolf Biermanns und das Jahr, in dem die DDR die Sonderschulen für geistig stärker Behinderte schloss. Sofort stand ihr der „Babysaal“ in Bad Freienwalde vor Augen, dort hatte sie einmal während des Studentensommers gearbeitet. Drei Wochen wollte sie bleiben, nach zwei Wochen lief sie weg.

Im „Babysaal“ lagen, Gitterbett an Gitterbett, alle Kinder, die nicht allein aufstehen konnten, manche waren schon 16 Jahre alt und sprachen, aber allein aufstehen konnten sie nicht. Wenn die Sonne schien, trug Gisela Höhne die Kinder mit einer Freundin hinunter in den Garten, aber mittags mussten sie schon mit dem Hinauftragen beginnen, sonst schafften sie das nicht. Es waren Übungen der Verzweiflung, die über ihre Kraft gingen. Der Diakon und die Schwestern besahen mit Missbilligung die Mühe der Studentinnen. So fangen sie immer an und dann laufen sie weg. Genauso war es.

Gisela Höhne hatte den „Babysaal“ von Bad Freienwalde vergessen wollen. Von einem Augenblick auf den nächsten trat er wieder in ihr Leben.

Bis zu diesem Augenblick war sie eine junge Schauspielerin gewesen, der das Leben jede Tür öffnete. Friedo Solter, der große Regisseur am Deutschen Theater, wollte sie zu seiner Elektra machen. Sie hatte in Pablo Nerudas einzigem Bühnenstück gespielt, in Glanz und Tod des Joaquin Murieta, auch am Deutschen Theater. Die Inszenierung ihres Mannes Klaus Erforth brach mit allen herkömmlichen Mitteln der Bühne. Und nun?

Sie ist eine schöne Frau, noch immer....

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