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Demonstration gegen Gewalt: Muslime in Deutschland: Unter Beobachtung

Das Image des Islams ist schlecht wie nie. Schuld daran sind Terroristen. Viele Muslime wollen sich das nicht mehr gefallen lassen und demonstrieren an diesem Freitag gegen Gewalt. Doch wie verhindert man Radikalisierung? Eine Spurensuche.

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Neulich, als im Fernsehen über die Terrormiliz „Islamischer Staat“ berichtet wurde, sagte ihr Bruder: „Guck mal, das sind auch Muslime.“ Plötzlich hing dieser Satz im Raum, schwer und düster. Und alles daran klang falsch. Seit Monaten sind die Gräueltaten des IS in den Medien allgegenwärtig. Und die militanten Islamisten werben auch hierzulande um Nachwuchs: mit Videobotschaften, über Facebook und Whatsapp, im direkten Kontakt auf der Straße. Laut Verfassungsschutz sind bereits 400 junge Deutsche in den „Heiligen Krieg“ nach Syrien und in den Irak gereist. Einige sollen dort Selbstmordattentate verübt haben. Am heutigen Freitag demonstrieren die vier großen Islam-Verbände in Deutschland bundesweit mit Mahnwachen und Kundgebungen gegen Gewalt und Hass im Namen Allahs. Ein wichtiges Zeichen. Doch was wird jenseits dieser Großkundgebungen getan, um zu verhindern, dass sich junge Muslime von radikalen Botschaften angesprochen fühlen?

Es gibt nicht viele Muslime, die darüber sprechen möchten. Wieso ich, wieso wir? Was sollen wir uns rechtfertigen, distanzieren sogar, von Terror und Mord. Von etwas, das mit uns nichts zu tun hat. Aber hilft es zu schweigen? Die Interpretation der eigenen Religion Fanatikern zu überlassen? Und wenn man sich engagiert, welche Strategie ist die richtige? Eine Suche nach Antworten in Jugendzentren, Moscheen und Verbänden.

Nora schnappte sich den Satz ihres Bruders und brach ihn in kleine Stücke. Der „Islamische Staat“ ist das eine, Terror, Menschenverachtung. Ihr Islam ist etwas anderes, Nächstenliebe, Respekt.

Die 20-jährige Politikstudentin, die eigentlich einen anderen Namen trägt, sitzt gemeinsam mit zwei weiteren Jugendlichen in einem Café in Osnabrück. Sie sind in der dortigen Muslimischen Jugendcommunity (Mujos) aktiv und gehören zu den wenigen, die das Sprechen dem Schweigen vorziehen. Wenn im Islam alle Brüder und Schwestern sind, dann sollten die einen doch an die anderen appellieren, sagen sie. Oder?

Gefühl des Generalverdachts

Nora ist mit dem Islam aufgewachsen. Als sie mit Kopftuch zum Deutsch-Leistungskurs kam, sagte der Lehrer: „Oh, das hier ist Deutsch, ich glaube, Sie sind falsch.“ Wenn muslimische Jugendliche nicht mit auf einen Drink kommen, werden sie von nichtmuslimischen Freunden schon mal gefragt: „Bist du Extremist geworden?“ Muslimisch sein in Deutschland 2014, das bedeutet auch: mit dem Gefühl des Generalverdachts zu leben. Studien zeigen: Diskriminierungserfahrungen begünstigen Extremismus. Wer sich unverstanden fühlt, sucht sich ein Umfeld, in dem er akzeptiert wird und sich zugehörig fühlt. Und wenn die Eltern wenig religiös sind und keine Antworten geben können, fischt man sich die Informationen vielleicht aus dem Netz und landet möglicherweise bei den Falschen. Radikale bieten einfache Antworten auf komplizierte Fragen. Die einfachsten Erklärungen sind selten die besten.

Vor einem halben Jahr überlegte Nora, an einer Demonstration teilzunehmen. Es ging um die politische Situation in Ägypten, um was genau, wollte sie Tage vorher gern herausfinden. Sie schrieb den Veranstaltern eine Mail. Die Antwort: Als Muslimin ist es deine Pflicht, dort hinzugehen, Ägypten ist ein muslimisches Land. „Diese Antwort war ein absolutes No-Go“, sagt Nora. „Um mich zu etwas zu verhalten, brauche ich sachliche Informationen.“ Du’A Zeitun sagt das. Die 35-Jährige hat Mujos gegründet und sitzt neben Nora. Zeitun ist pädagogische Mitarbeiterin der katholischen Landvolk-Hochschule Oesede, Studentin der islamischen Theologie, Mutter von drei Kindern und jemand, für dessen Beschreibung das Wort „engagiert“ lange nicht reicht.

Eine Art liebevoller Überwachung

Sie sagt: „Das Wichtigste ist: Die Jugendlichen müssen selber reflektieren und nach Antworten suchen, sie müssen dazu gebracht werden, die eigene Meinung zu hinterfragen.“ Keine einfachen Antworten! Das verlangt Du’A Zeitun auch von sich selbst und anderen. Fragen zur Radikalisierung beantwortet sie deswegen auch mit Gegenfragen: Was versteht man denn unter ,radikal‘? Ist zweimal pro Woche in die Moschee gehen schon radikal? Ist Bart tragen radikal? „Wer äußerlich ins Bild passt, wird in die Schublade ,radikal‘ gesteckt und radikalisiert sich vielleicht genau dadurch.“ Was war zuerst da? Und wer hat Schuld? Die Mehrheitsgesellschaft, die Jugendlichen das Gefühl gibt, nicht dazuzugehören? Die „Minderheitsgesellschaft“, die sich nicht zugehörig fühlt – und es wütend dabei belässt?

„Es wird vorausgesetzt“, sagt Nora, „dass du irgendwo hingehörst.“ Aber was, wenn nicht? Du’A Zeitun kennt diese Gedanken. Sie ist in Aachen geboren und wuchs in der Nähe von Oldenburg auf. Ihr Vater kam damals zum Studium aus Syrien nach Deutschland, heute ist er Imam. Seine Kinder hat er ermutigt, sich mit den Meinungen verschiedener Gelehrter auseinanderzusetzen – und eine eigene zu finden. Haram, verboten, das sei ein Wort gewesen, das nur benutzt wurde, wenn es wirklich angebracht war, sagt Zeitun. Weil die Gelehrten sich nicht einig sind, ob etwa Musik haram ist oder nicht, war sie auch nicht verboten. Zu Allah, der auch ein strafender Gott ist, fand sie Kontakt über seine Güte und Barmherzigkeit. „Niemand“, sagt Du’A Zeitun, „wird sündenfrei vor Gott stehen.“ Nicht schlimm, denn der vergibt.

Sie ist immer erreichbar

Sie merkt ziemlich schnell, wenn ihre Jugendlichen beginnen, das anders zu sehen. Denn Du’A Zeitun praktiziert eine Art liebevoller Überwachung. Sie stalkt ihre Schäfchen bei Facebook, added jeden, den sie kennenlernt. Und sie lernt offensiv kennen. Zeitun geht auf die jungen Leute zu, stellt sich vor, fragt „wie heißt du?“ und zack, versendet sie die nächste Freundschaftsanfrage. Sie kann den Jugendlichen nicht in die Köpfe schauen – aber auf ihre Facebook-Pinnwände. Wenn da plötzlich Quatsch steht, wird sie aufmerksam. Mittlerweile hat sie 2000 Freunde bei Facebook. Die Zahl ist beeindruckend, aber nicht wichtig. Wichtig ist: Sie ist da. Und falls sie mal nicht da ist, dann ist sie immer noch erreichbar. Wenn sie etwas gefragt wird, theologisch, zwischenmenschlich, Beziehungsstress, Elternstress, Schulstress, dann antwortet sie. Selbst wenn das bedeutet, dass sie spät in der Nacht mit dem Handy in der Hand einschläft. „Man muss die Probleme ernst nehmen“, sagt Du’A Zeitun, „egal wie scheinbar klein sie sind.“

In Deutschland ist das Feld der sogenannten Islamismus-Prävention sehr jung, analysierte kürzlich der „Mediendienst Integration“. Zwischen 2010 und 2013 hat das Bundesfamilienministerium gerade mal 22 Modellprojekte gegen „islamistischen Extremismus“ gefördert. Einige Projekte setzen auf Aufklärung in der Schule, andere auf eine bessere Erforschung des Islamismus oder auf Beratung. Viel Geld wird noch nicht investiert. Für Moscheegemeinden, die ihre Jugendarbeit ausweiten wollen, gibt es kein einziges Bundesprogramm, bei dem sie sich bewerben können.

Er will Vorbild sein

Früher im Sommer, es ist gerade Ramadan, empfängt Ferid Heider in der Moschee des Interkulturellen Zentrums für Dialog und Bildung IZDB in Wedding. Das Gebäude liegt etwas versteckt, abseits der Straße. „Typische Hinterhofmoschee“, sagt Ferid Heider zur Begrüßung und grinst. Heider ist 35 Jahre alt, verheirateter Vater von zwei Töchtern, gebürtiger Berliner – und Imam. Er unterrichtet und predigt in vier Gemeinden in der Stadt, ist ständig unterwegs und beschäftigt. Nun aber sitzt er, schwarzes Haar und schwarzes Hemd, halbwegs entspannt in einem Sessel. Ferid Heider sagt, er mache keine präventive Arbeit in dem Sinne, dass er gezielt über Radikalismus aufkläre. Er erwähne es in Predigten, wenn’s passt. Viel eher sieht er sich als Vorbild. Ein Vorbild, das möglichst immer ansprechbar ist. „Man muss für die Jugendlichen da sein. Sonst verbringt jemand anderes Zeit mit ihnen.“ Die Moscheevereine aber hätten nur wenig Geld, viele würden sich ehrenamtlich engagieren. Ihre Zeit – und auch seine – sei eben begrenzt. Anders als die der Radikalen, die auf Menschenfang gehen. Die seien häufig arbeitslos, ein Mangel an Zeit ihr geringstes Problem. Vier Millionen Muslime leben in Deutschland, rund 6000 rechnet der Verfassungsschutz zu den erzkonservativen und ideologischen Salafisten. Von denen wiederum ist eine Minderheit gewaltbereit. Aus diesem Umfeld stammen viele jener 400 Männer, die aus Deutschland in den Irak und nach Syrien gereist sind. Manche, das sagen Experten, suchen dort ein Abenteuer. Andere glauben, das Leid der „Brüder und Schwestern“ schnell mildern zu können, wenn sie tatkräftig eingriffen. Selten war Krieg so erlebbar wie in Zeiten des Internets. Videos und Bilder provozieren Mitleid – und Wut.

„Dieses Kalifat ist eine Luftblase, aufgeblasen mit Gewalt“

Zur Ideologie der Salafisten gehört, dass sie für ihr Verständnis des Islams aktiv missionieren. Allein in Berlin-Neukölln haben sich in den vergangenen Monaten drei salafistische Vereine gegründet. Salafisten sprechen muslimische Jugendliche auf der Straße an und versuchen, junge Männer in den Fitnessstudios für den „Heiligen Krieg“ zu rekrutieren. Wer labil ist, nicht fähig, eigene Verantwortung zu übernehmen, sei empfänglich für so etwas, sagt Claudia Dantschke von der Berliner Beratungsstelle „Hayat“. Oder wer nach einer starken Autorität suche, die sagt, was zu tun sei.

Hayat ist angesiedelt beim Zentrum für Demokratische Kultur. Eltern, Muslime wie Nichtmuslime, können sich an die Beratungsstelle wenden, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Kinder sich radikalisieren. 96 Familien versucht Hayat derzeit bundesweit zu helfen, 28 davon leben in Berlin. Jugendliche, die auf radikales Gedankengut anspringen, seien im Grunde auf der Suche nach Geborgenheit, Orientierung und Identität, sagt Dantschke. „Wenn junge Leute sich radikalisieren, dann ist es wichtig, so lange wie möglich Kontakt zu halten“, sagt sie. „Viele Eltern reagieren autoritär und damit kontraproduktiv, wenn Verständnis und Zuhören gefragt sind.“ Claudia Dantschke redet mit den Eltern, motiviert sie, das Gespräch mit den eigenen Kindern nicht aufzugeben. Die Kinder nicht aufzugeben! Aber wie holt man die zurück? „Indem man sie dazu bringt, über die vorgestanzten Antworten hinaus zu argumentieren“, sagt Dantschke. „Immer wieder ehrlich interessiert nachfragen, bis sie sich selbst erklären müssen und vielleicht merken, dass sie es gar nicht können. Als die Terroristen des IS im Irak ihr Kalifat ausriefen, kamen einige Jugendliche zu Imam Ferid Heider und fragten: Wie soll ich mich da jetzt verhalten? Wo doch das Kalifat für konservative Muslime die Idealvorstellung eines Staates sei. Das hatten sie gehört. „Aber doch nicht so eines“, antwortete Heider. „Dieses Kalifat ist eine Luftblase, aufgeblasen mit Gewalt.“ Er müsse die Jugendlichen auf emotionalem Weg erreichen, sagt Heider, und auf theologischem. Er will, dass sie dann sagen: „Ich bin überzeugt worden mit Argumenten aus dem Koran und aus der Sunna.“ Er nennt es das Drei-Phasen-System: sozial, emotional, argumentativ. „Ich appelliere an sie, sich ihre eigenen Gedanken zu machen.“ Es sei bereits ein Running Gag zwischen ihm und den Jugendlichen. Dass es nicht die eine allgültige Meinung zu etwas gibt und dass das okay ist. Inzwischen wiederholen die auf ihre eigenen Fragen seine Standardantwort schon im Chor: „Hierüber gibt es Meinungsverschiedenheiten unter den Gelehrten.“

Selbstverantwortlich leben

In seiner Predigt kurz darauf klingt das dann so: „Du bist selbst verantwortlich für dein Leben und auch du wirst eines Tages vor Allah stehen. Gib nicht anderen die Schuld für irgendetwas.“ Deutlich mehr junge Männer sitzen auf dem türkis gemusterten Teppich der Moschee. Nicht alle der Frauen tragen Kopftuch. In kurzen Abständen donnern Flugzeuge in Richtung Tegel über das Gebäude, irgendwo im Raum bekommt jemand eine SMS. Als Ferid Heider beginnt, die Verbrechen des „Islamischen Staats“ zu verurteilen, flüstert im hinteren Teil des Raumes ein Mädchen einem anderen zu: IS, was ist das? Die andere zuckt mit den Schultern.

Das Problem, sagt Heider, seien nicht die Jugendlichen, die in die Moschee kommen. Sondern jene, die wegbleiben. Die aufhören, ihn zu grüßen, beginnen, sich besonders traditionell zu kleiden, schließlich abdriften und ihn als Verräter beschimpfen, ihn bedrohen. Das zu verhindern, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Es sind unsere Jugendlichen“, sagt er und meint: deutsche. Wenn er dazu beitragen kann, gern. Die x-te Abgrenzung vom Terrorismus bringe allerdings nichts, „die interessiert keinen“. Schön wär’s, sagt er noch, wenn er einfach seine Arbeit machen und es ihm egal sein dürfte, was alle anderen denken. Darf es aber nicht.

Wenig Anerkennung, viel Kritik

Ferid Heider und Du’A Zeitun arbeiten mit Jugendlichen, ohne dass ihnen Fernsehkameras dabei zuschauen. Aiman Mazyek spricht fast täglich in Mikrofone, gibt Statements, diskutiert in Talkshows. Mazyek, 45, schwarzes Bärtchen, dunkle Augen, ist das Gesicht des Islams in Deutschland. Er hat sich nicht in diese Rolle gedrängt. Aber es gibt nicht viele, die den Job machen wollen. Mazyek engagiert sich seit 20 Jahren im Zentralrat der Muslime in Deutschland, seit vier Jahren ist er der Vorsitzende. Er bekommt wenig Anerkennung, sagt er, aber umso mehr Kritik, Häme und Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen. Was er in die Mikrofone spricht, geht Moscheegemeinden oft zu weit. Sie wollen, dass er den Islam verteidigt und nicht so viel kritisiert. Allen anderen geht es nicht weit genug. In ihren Augen kann er nicht genug kritisieren. So war es in den Sarrazin- und Kopftuchdebatten, so ist es wieder, seitdem die IS-Milizen morden, Salafisten als „Scharia-Polizei“ patrouillieren und das Image des Islams so schlecht ist wie nie.

Wie kommen die Leute auf die Idee, dass er Terror gut finden könnte?

Mazyeks Tage sind streng durchgetaktet, nicht nach den fünf Gebeten, die er als gläubiger Muslim gerne zu den vorgeschriebenen Zeiten absolvieren würde. Sondern nach den Terminkalendern von Journalisten, Politikern, Staatssekretären. Gerade hat er das Bundesinnenministerium am Ohr. Mazyeks Zentralrat veranstaltet den Aktionstag gegen Gewalt am heutigen Freitag mit. Innenminister Thomas de Maizère will eine Moschee in Hannover besuchen. Um dem Tag politisches Gewicht zu verleihen, um die Verbände zu stärken, um ein Zeichen zu setzen.

Aiman Mazyek legt das Handy beiseite und sagt: „Die Meldungen aus dem Irak und Syrien erdrücken einen.“ Nein, das sei kein Islam, auch wenn sich die IS-Milizen hundertmal als Gotteskrieger aufspielten. „Das ist die größtmögliche Pervertierung des Islam.“ Mazyek diktiert das seit Wochen Journalisten in die Blöcke. Doch eigentlich nervt es ihn: Wieso muss er sich täglich distanzieren? Wie kommen die Leute überhaupt auf die Idee, dass er den Terror gut finden könnte? Er, der hier in Deutschland aufgewachsen ist, der Vater Syrer, die Mutter Deutsche. Der selbst Onkel und Cousins in Syrien verloren hat.

Egal in welcher Talkshow er sitze, in welches Mikro er spreche, offenbar gehöre es zum guten Ton, Muslime erst einmal zu „konfrontieren“. Das sei wie ein Ritual, sagt er, und unglaublich schwer aufzubrechen. Dass in den vergangenen vier Wochen fünf Brandanschläge auf Moscheen in Berlin, Bielefeld, Mölln und Oldenburg verübt wurden, werde meist nur am Rande erwähnt.

Die Entfremdung ist groß

Viele Muslime seien verängstigt, geradezu paralysiert wegen der Brandanschläge, die Nichtmuslime hätten Angst vor IS und Salafisten. Die Entfremdung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen sei so groß wie nie. „Wenn wir nicht aufpassen, fliegt uns das um die Ohren“, sagt Mazyek. In den vier Jahren seiner Amtszeit hat er gelernt: Die einzige Chance, um Misstrauen abzubauen, ist es, die Moscheen zu öffnen und auf die Gesellschaft zuzugehen. Er hat erreicht, dass das viele Verbände mittlerweile auch so sehen. Einfach war das nicht.

Manchmal hilft Humor, weiß Mazyek. „Warum machst du nicht mal was über die Salafisten und ihre bekloppten Ideen?“, hat er deshalb neulich zu einem arabischstämmigen Comedian gesagt. Für die Salafisten, die ihm gerade so zusetzen – Mazyek sagt „die mich massieren“ –, hat er sich auch was überlegt. In Wuppertal, wo junge Männer vor zwei Wochen mit Schutzwesten als „Scharia-Polizei“ patrouillierten, wollen sich seine Leute jetzt auch Westen überziehen und was für die Umwelt tun: Bäume pflanzen statt radikales Gedankengut säen. Der Bürgermeister sei begeistert von der Idee, sagt Mazyek. Aber jetzt muss er weiter. Das Entwicklungsministerium wartet. Auch dort wird er erklären, sich distanzieren und Fragen beantworten, auf die es keine einfachen Antworten gibt.

Dieser Text erschien auf der Dritten Seite des gedruckten Tagesspiegels.

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