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Solo für zwei. Dicke Freunde sind Wowereit und Nußbaum nie geworden, aber sie hatten eine gute Zweckgemeinschaft. Und Wowereit war der Einzige, der Nußbaum ungestraft rüffeln durfte.
© picture alliance / dpa

Finanzsenator Ulrich Nußbaum tritt zurück: Der Nächste, bitte

Erfolgreich, Unternehmer, kein Parteibuch. Finanzsenator Ulrich Nußbaum stand für einen neuen Stil im Berliner Politbetrieb. Doch ohne Wowereit will auch er nicht mehr. Jetzt tritt er ab.

Er ging, wie er kam: überraschend und mit einem feinen Gespür für den richtigen Zeitpunkt – nun aber mit der inneren Gewissheit, dass er gehen muss, und mit dem festen Willen, diesen Schritt als selbstbestimmt erscheinen zu lassen. „Die Entscheidung ist seit Längerem gereift“, sagte Finanzsenator Ulrich Nußbaum am Freitag in der Berliner Finanzverwaltung. Ein Rücktritt sei dies nicht. Er bleibe Berlin erhalten bis zur Neuwahl des Senats im Dezember. Dann aber stehe er nicht mehr für einen Senatorenposten zur Verfügung.

Es ist ein kurzer Auftritt. Dunkler Anzug über dem blütenweißen Hemd, der Abschied fällt Nußbaum sichtlich schwer. Nur wenige Fragen lässt der Finanzsenator zu und beantwortet diese knapp mit den vorbereiteten Zeilen: Mit der Eignung der drei Kandidaten für die Nachfolge von Klaus Wowereit um den Posten des Regierenden Bürgermeisters habe seine Entscheidung nichts zu tun. Rein persönliche Gründe seien es, die ihn zum Rückzug bewegen. Ausdruckslos wirkt das Gesicht, fast bekümmert. Nußbaum ist kaum wiederzuerkennen. Dieser charmante Unternehmer, der auf Pressekonferenzen plaudernd seine Finanzpolitik verkaufte, Angriffe gewitzt parierte. Heute hat er nur wenige Sätze übrig und das Versprechen, er bleibe Berlin erhalten, werde sich weiter einmischen. Denn die Stadt ist „the place to be“.

Stöß als Staatssekretär verhindert

Nußbaum hatte nur wenige Vertraute über seine Pläne informiert. Zumindest zwei der Bürgermeister-Kandidaten konnte er mit seiner Überraschung noch ein letztes Mal vorführen: Bausenator Michael Müller und SPD-Landeschef Jan Stöß. Zu beiden pflegt der Finanzsenator eine herzliche Abneigung. Über Jahre hatte dieser mit Müller über den Verkauf landeseigener Liegenschaften gestritten und eckte dabei auch mit Stöß böse an. Der wäre nach den letzten Wahlen gerne Staatssekretär in der Finanzverwaltung geworden. Aber das hatten Nußbaum und Wowereit gemeinsam verhindert.

Nach Wowereits Rücktritt hatten beide dennoch erklärt, den Senat im Falle eines Sieges nicht umbilden zu wollen. Aber unter Müller oder Stöß hätte Nußbaum nie wieder die Freiheit gehabt, die er unter Wowereit genießen durfte.

Nußbaum paktierte mit Saleh

Nicht nur in Wirtschaftskreisen hatte sich herumgesprochen, dass Nußbaum mit dem dritten Bewerber, Raed Saleh, paktierte. Saleh war auch der erste Kandidat, der nach Nußbaums Ankündigung dessen Erfolge lobte und erklärte: „Berlin ist Ulrich Nußbaum zu Dank verpflichtet.“ Doch Fraktionschef Saleh, Unternehmer wie der Finanzsenator, gilt als ziemlich chancenlos im Rennen um das Rote Rathaus. Was bleibt ihm, Nußbaum, da anderes übrig als ein geordneter Rückzug?

Es dürfte Nußbaum geschmeichelt haben, dass er einst als Kronprinz Wowereits gehandelt wurde. In die Partei eintreten, um seine Chancen zu erhöhen, wollte er trotzdem nicht. Das Format für den Posten des Regierenden hätte er vielleicht sogar gehabt: Leichtigkeit und Charme haben ihn zum beliebtesten Politiker Berlins gemacht, seit Jahren liegt er in den Umfragen vorn. Selbstbewusstsein und Schlagfertigkeit brachten ihm ihm Respekt auch bei den politischen Gegnern ein. Der Mann verstand es, seine Politik zu verkaufen. Und er tat es, wie ein Unternehmer oder besser gesagt: wie ein Sanierer.

Ein Glanzlicht im Berliner Politbetrieb

Als Wowereit im Jahr 2009 den ehemaligen Bremer Finanzsenator nach Berlin holte, war das eine Überraschung, fast schon ein Coup. Ein Unternehmer mit Einstecktuch, der einem, wenn auch gebraucht gekauften Bentley Continental entsteigt – das verlieh dem braven Berliner Politbetrieb ungewohnten Glanz. Vier Jahre lange hatte er zuvor in Bremen als Finanzsenator gewirkt unter dem damaligen Bürgermeister Henning Scherf. Er hätte weitermachen können nach den Wahlen im Jahr 2007, unter Scherfs Nachfolger. Da war Nußbaum schon als Wirtschafts- und Justizsenator nominiert, verzichtete dann aber überraschend.

Nach seinem Jurastudium promovierte der im Kreis Trier geborene Nußbaum über die Rohstoffgewinnung in der Antarktis. Seine Zulassung als Rechtsanwalt bekam er 1989, doch als Unternehmer wurde er erfolgreich. Seit Ende der 90er Jahre ist er Gesellschafter der Sea Life Harvesting Group, wo er vor seiner politischen Karriere verschiedene Führungspositionen in Verwaltung, Finanzen und Handel innehatte. Außerdem war er Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer in Bremerhaven.

Seit drei Jahren gibt es wieder Haushaltsüberschüsse

Ulrich Nußbaum mag bei seiner Ernennung für einen neuen Stil im Berliner Politbetrieb gestanden haben. Tatsächlich entpuppte sich seine Wahl aber nur als die Fortsetzung eines Projektes, dem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit lange vor Nußbaum einen prägnanten Namen gegeben hatte: „Sparen, bis es quietscht.“

Sechs Jahre später quietscht es in der Stadt und es mehren sich die Rufe, dass endlich die Schulen saniert, die Schlaglöcher gestopft, die Wohnungsnot gelindert werden müsse. Doch die Milliarden für das Investitionsprogramm sollen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt aufgebracht werden, da die Berliner Wirtschaft wieder schwächelt und hinter dem großen Rest der Republik herhinkt. Zwar gibt es seit drei Jahren Überschüsse im Berliner Haushalt, aber sie reichen bei weitem nicht, um die marode Infrastruktur wieder aufzupolieren.

Nußbaum weiß das. Bliebe er, müsste er um seine saubere Bilanz fürchten. In diesem Punkt läuft es in Berlin eben auch wie im Rest der Republik: Die bedingungslose Sparpolitik wird zunehmend von Politikern und Forschern in Frage gestellt. Ein linker SPD-Mann wie Stöß wird investieren wollen und zeigt sich folgerichtig in einer ersten Stellungnahme zu Nußbaums Rückzug fast schon erleichtert: Mit seinem Rückzug gebe Nußbaum „seinem Nachfolger die Möglichkeit, bereits in den Verhandlungen zum Doppelhaushalt eigene Akzente zu setzen“. Die Bekämpfung von Armut und den sozialen Ausgleich hat auch Michael Müller auf seiner Agenda. Wie sollte Nußbaum seinem künftigen Regierenden Bürgermeister dann weiterhin die Milliarden verweigern können?

Selbstbewusst bis zur Sebstherrlichkeit

„Dass ich älter geworden bin und mehr Falten bekommen habe, das sehen Sie auch“, sagt Nußbaum am Freitagmittag. Die vielen Schlachten haben offenbar selbst ihn müde gemacht. Auch wenn er so oft als Sieger dagestanden hatte, im vergangenen Jahr musste er mächtig einstecken. Das Verfahren zum Verkauf des Gasnetzes an die landeseigene Firma Berlin Energie beispielsweise bezeichnen Insider als eine „schlampig vorbereite Verstaatlichung“. Derzeit prüfen Landgericht und Bundeskartellamt die Vorwürfe. In beiden Fällen verkämpfte sich der Finanzsenator mit aussichtslosen Anträgen und Verfahrenstricks.

Nußbaum war in der SPD dafür gefürchtet, dass sein Selbstbewusstsein zuweilen in Selbstherrlichkeit umgeschlagen konnte. Selbst aus der eigenen Verwaltung bläst ihm inzwischen heftiger Wind entgegen. Die Beamten der Justizverwaltung haben die Senatsvorlage aus dem Hause Nußbaum verrissen. Zahllose grundlegende Verstöße gegen Transparenz und Vergaberegeln beklagen die Richter und Verfassungsrechtler. Die massive Kritik an Nußbaums Vorlage führte sogar in der Koalition zu einem Eklat. Als Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) die Expertise aus dem eigenen Hause bei der Entscheidung über die Vergabe im Senat nicht einfach auf sich beruhen lassen wollte, blitzte noch einmal Nußbaums Kampfeslust auf: Ob Heilmann denn möglicherweise befangen sei, weil der Justizsenator selbst an einem Energiehändler beteiligt sei, hatte er im Parlament gefragt.

Der Spaß, die Not zu verwalten

Dass der derart verunglimpfte Heilmann den Angriff nicht elegant parierte, sondern seine Anwälte in die Spur schicken wollte gegen den eigenen Senatskollegen, spielte Nußbaum noch in die Hände. Erst vor wenigen Tagen legte er noch einmal nach und stoppte auch das Verfahren zum Verkauf des Stromnetzes und begründete die Maßnahme wiederum mit einer möglichen Befangenheit von Justizsenator Heilmann. Dabei spricht sich in Verwaltungskreisen herum, dass Nußbaums Verwaltung auch beim Stromnetzverfahren ähnliche Fehler gemacht haben könnte, wie sie bei der Gasnetzvergabe den Experten zufolge zu finden sind.

„Der Rückkauf der Wasserbetriebe in schwierigen Verhandlungen mit den privaten Anteilseignern ist etwas, das bleibt“, sagt Nußbaum. Eine neue Liegenschaftspolitk und Transparenz bei den Landesunternehmen hält er sich außerdem zugute. Seine Erfolge? Jahre hat es gedauert, bis das Land Berlin mit dem alten Grundsatz brach, Grundstücke zum höchstmöglichen Preis zu verkaufen. Lange wurde gerungen, um die Besetzung des Gremiums, das künftig entscheidet, an wen das Landeseigentum geht und wofür. Keine Kraftprobe mit Bausenator Müller, der seit Jahren verbilligte Grundstücke für landeseigene Firmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot fordert, ließ Nußbaum aus. Ähnlich gespannt das Verhältnis zu Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU), die günstiges Bauland für Berliner Betriebe fordert.

Berlins beliebtester Senator

„Für mich ist es das Wichtigste, dass wir den Landeshaushalt saniert haben“, sagt Nußbaum. Er hatte Spaß daran gefunden, die Not zu verwalten. Ein typischer Finanzsenator könnte man sagen: Die schwarze Null im Haushalt als Maßstab für den Erfolg, er erreichte sie. Eine erfolgreiche Ära geht zu Ende, könnte man meinen.

Allein, sein Verdienst war es nur in Teilen: Sein Vorgänger Thilo Sarrazin hatte die Weichen gestellt, die teure Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus abrupt gestoppt, die Chefs der landeseigenen Unternehmen mit Hilfe von Rendite-Charts auf Excel-Tabellen traktiert und auf Leistung gestimmt. Nußbaum musste nur das Begonnene fortsetzen. Auch die Konjunktur half dem Unternehmer: Die Berliner Wirtschaft zog an, und deshalb sprudelten die Steuern stärker als zuvor. Und wo das nicht reichte, erhöhte er die Abgaben selbst.

Die Grunderwerbsteuer etwa, ein geschickter Schachzug, auch das perfekt getimt dazu: Nach dem Zensus-Schock vor wenigen Jahren setzte Nußbaum die Abgabenerhöhung durch. Berlin musste eine Lücke im Haushalt von mehreren hundert Millionen Euro schließen, weil die Statistiker die Einwohnerzahl nach unten korrigieren, was die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich schmälerten. Nußbaums Begründung: Die Grunderwerbsteuer belastet jene, die es sich am ehesten leisten können. Populär war das, oder wahlweise populistisch.

Nun geht er also, Berlins beliebtester Senator.

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