Sadiq Khan und sein London: Der Boxer, der Bürgermeister wurde
Als Junge lernte Sadiq Khan boxen – damit er sich auf der Straße verteidigen konnte. Seit dem Frühjahr regiert er London. Im 44er-Bus auf den Spuren seines Lebens. Unser Blendle-Tipp.
Sadiq Khans Vater war Busfahrer. Das weiß die Frau mit der Raucherstimme an der Bushaltestelle in Tooting, im Süden Londons, selbstverständlich. Schließlich, sagt sie, sei er zehn Jahre lang ihr Abgeordneter im Unterhaus gewesen. Ein Nachmittag in diesem Sommer, wärmer als in der britischen Hauptstadt sonst üblich. Der Sohn der Frau zieht an ihrem T-Shirt – „Mama, der Bus kommt!“ Langsam schiebt sich ein roter Doppeldecker an die Haltestelle.
Über der Windschutzscheibe leuchtet die große „44“. Es ist jene Linie, die auch Sadiq Khans Vater dienstlich fuhr. Die Türen schließen sich, der Bus fährt ruckelnd los. Aus dem Lautsprecher schnurrt: „Dies ist der Busservice nach London Victoria.“ In rund 40 Minuten vom Randbezirk ins Zentrum der Stadt.
Vom Außenseiter zum Bürgermeister – diese Route, sie ist auch der Lebensweg von Sadiq Khan.
Er hat so oft vom Beruf seines Vaters erzählt, dass es am Ende sogar für einen Witz reichte. „Sadiq Khan redet endlich über seinen Vater“ hieß ein Video, das kurz vor seiner Wahl zum Londoner Bürgermeister am 7. Mai dieses Jahres auf Facebook verbreitet wurde. Jemand hatte alle Ausschnitte aus den Reden des Kandidaten zusammengeschnitten, in denen dieser über seinen Vater erzählte. Busfahrer, Busfahrer, Busfahrer.
Darüber schmunzeln einige, doch fest steht: Khan hat es geschafft, seine Herkunft im Wahlkampf von einem traditionellen Nachteil in einen Vorteil zu verwandeln. Den Weg vom Arbeiterjungen, Einwanderersohn, muslimischem Underdog hat Khan gegen jede Wahrscheinlichkeit zu einer Heldensaga gemacht. Dass sein Gegenkandidat bei der Bürgermeisterwahl Erbe eines Millionenvermögens und Sohn eines Bankers war, machte seine Geschichte nur besser. Unten sticht oben, Hollywoodmaterial.
Den Londonern gefiel die Geschichte. Im Frühjahr wählten sie den 46 Jahre alten Labour-Kandidaten mit der größten Mehrheit der jüngeren Politikgeschichte des Landes. Seit fast 100 Tagen regiert Khan nun die britische Hauptstadt. Er ist der erste ...
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