Heiligabend mit Flüchtlingen: Das erste Weihnachten von Yousef Mohammed
Eine Helferin lernte im Flüchtlingsheim in Karlshorst einen jungen Iraker kennen. Jetzt wollen sie zusammen Heiligabend feiern. Lesen Sie hier einen Auszug und den ganzen Artikel im digitalen Kiosk Blendle.
Sein Weg war weit, so viel ist klar, aber wo genau er begann und wie lange er dauerte, das hat sie bisher kaum interessiert. Sie hat eine vage Ahnung davon, wie seine Heimatstadt heißt. Sie meint zu wissen, dass er dort Eltern hat und Geschwister. Sieben vielleicht, vielleicht acht. Sie weiß womöglich auch den Grund, warum die Familie ihn von zu Hause fortgeschickt hat. Kennengelernt hat sie ihn, als er vor einem guten Monat an den Tisch herantrat, an dem sie saß, und fragte: „Mademoiselle, do you have some styling gel?“ – Mademoiselle, haben Sie Haargel für mich?
Eines aber, sagt Franziska Wolf, weiß sie schon genau: Yousef Mohammed „ist offen und lebendig. Er hat eine ansteckende Persönlichkeit.“ Sie wird den jungen Flüchtling am Heiligen Abend zu sich und ihrer Familie nach Hause zum Feiern einladen. Einen Fremden.
Sie üben schon mal ein wenig. Es ist ein Abend in der Woche vor dem vierten Advent und „Winterparty“ im Jugendklub Rainbow in Berlin-Karlshorst. Ausweislich der in den Tagen zuvor über den Stadtteil verteilten Plakate gibt es „Food & Drinks“, „Concerts & Films“ und „Play & Handicrafts“. Das Englisch ist Absicht, auch die Menschen aus den Notunterkünften ringsum sollten von dem Fest erfahren und sich eingeladen fühlen. Genau deshalb heißt das Ganze auch nicht „Weihnachtsfeier“. Zumal es keine ist.
Franziska Wolf, 31 Jahre alt, und Yousef Mohammed, gerade 18 geworden, sind schon da. Kinder der Alteingesessenen aus dem Viertel umgeben die beiden, wetzen draußen durch den Garten auf der Jagd nach Kinderpunsch und Bratwurst. Aus Lautsprechern schallt Coldplay. Drinnen im Haus ist Bastelstunde für die Kleineren, es gibt Kuchen, später soll noch eine Band auftreten. Vorm Tor steht schüchtern eine Gruppe Jungs und Männer aus der Notunterkunft in der nahen Treskowallee. Zwei, drei Minuten lang, bis sie sich endlich hereintrauen.
„Yousef, komm“, sagt Wolf. Sie gehen herum, schauen sich um, Wolf begrüßt den Jugendklubchef und einige andere der Erwachsenen, die das Fest organisiert haben. „Na, komm.“ Der junge Mann trägt Jeans und Turnschuhe, das Haargel hat er offensichtlich längst bekommen. Er wirkt, als langweile er sich ein bisschen. Als er von einem der Einheimischen eine Zigarette angeboten bekommt – die darf man hier wiederum nur draußen vorm Tor rauchen –, bedient er sich eines fordernden Tons und hält die Hand auf. „Lighter!“
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