Tunesische Ministerin vor ITB Berlin: "Wir haben ein Sicherheitssystem für Tourismus erarbeitet"
Über Reisewarnungen, die Angst der Urlauber und die weltweite (Un-)Sicherheit: Ein Gespräch mit der tunesischen Tourismusministerin Salma Elloumi Rekik vor Beginn der ITB.
Frau Ministerin Elloumi, die Terroranschläge des vergangenen Jahres haben den Tourismus Ihres Landes schwer getroffen. Sehen Sie eine Verbesserung der Situation?
Das Jahr 2015 war ein entscheidendes Jahr für Tunesien. Wir haben drei Terrorattacken erlitten. Nach dem ersten Angriff auf das Bardo Museum haben wir sofort offen die Lage kommuniziert und mit wichtigen Partnerländern diskutiert. Die Situation hatte sich dann wieder leicht gebessert. Leider hat sich die Lage nach dem Angriff von Sousse, der dramatische Folgen hatte, als sehr schwierig erwiesen, weil es Reiseverbote von Großbritannien und Belgien für Tunesien gab, die Annullierungen und den Stopp von Reservierungen zur Folge hatten. Wir haben 26 Prozent der Aufträge verloren. Der Tourismussektor ist von großer, strategischer Bedeutung für die Wirtschaft des Landes und berührt den Transport, die Lebensmittelwirtschaft, die Gastronomie und das Kunsthandwerk, das allein mehr als 350.000 Menschen beschäftigt, davon 80 Prozent Frauen.
Sie haben im vergangenen Jahr fast die Hälfte der deutschen Touristen verloren. Wie wollen Sie diese zurückgewinnen?
Seit den Terrorangriffen haben wir bilaterale Verträge über die Sicherheit mit Deutschland, Großbritannien und Frankreich unterzeichnet sowie mit der Europäischen Union. Gemeinsam mit deutschen Experten haben wir angefangen, ein Sicherheitssystem für touristische Orte, Reiseveranstalter und Restaurants zu erarbeiten. Zudem hat der tunesische Staat Maßnahmen ergriffen, um die Flughäfen und die Sehenswürdigkeiten zu schützen. Wir haben, glaube ich, jetzt ein akzeptables Niveau auf dem Gebiet der Sicherheit erreicht.
Spürt oder sieht der Besucher etwas von den neuen Sicherheitsmaßnahmen?
Die Sicherheit im Hotel betrifft vor allem die Videoüberwachung, die Kontrolle der Eingänge, der Parkplätze, aber wir verlangen von den Hoteliers nicht, die Rolle der Polizei zu übernehmen. Wir werden Fachleute und Reiseveranstalter einladen, um sich selbst ein Bild von der Sicherheitslage zu machen.
Was sagen Sie einem deutschen Touristen, der gerne nach Tunesien reisen würde, aber Angst hat und zögert?
Es ist ein regionales Problem, das nun auch international geworden ist, wenn Sie sehen, was in Frankreich, aber auch in den USA oder sonst wo in der Welt passiert. Das Risiko existiert überall. Auf dem Tourismussalon in Paris hat der Präsident der Föderation der Reiseveranstalter darauf hingewiesen, dass in Frankreich pro Jahr 3000 Menschen durch Verkehrsunfälle sterben. Deswegen wird dort aber niemand auf das Auto verzichten.
Wir bewerten Sie die Reisewarnungen verschiedener Länder gegenüber Tunesien? Deutschland hat ja darauf verzichtet?
Deutschland und Frankreich waren uns immer sehr nah. Spanien hat zehn Jahre lang schwere Jahre des Terrors erlebt, aber es gab niemals eine Reisewarnung für Spanien. Auch Großbritannien hat unter dem Terror gelitten, aber es gab keine Warnungen. Ich würde es begrüßen, wenn diese Reisewarnungen überprüft würden.
Was haben Sie unternommen, um den Verlust der Arbeitsplätze im Tourismus abzufedern?
Wir haben Maßnahmen eingeleitet, um den Betroffenen bei der Ausbildung zu helfen, wir haben die Technik verbessert und die Gelegenheit genutzt, den Tourismussektor neu zu strukturieren und die Qualität zu steigern. Wir sind auch dabei, andere Produkte zu entwickeln und auszubauen. Neben dem Strand setzten wir auf sanften Tourismus, die Berge, die Wüste und den Kultur- und Konferenztourismus. Das braucht alles seine Zeit.
Wie steht es um den Zugang zu den archäologischen Stätten?
Wir haben ganze Städte, die zum Weltkulturerbe zählen und noch nicht bekannt und auch noch nicht ganz ausgegraben sind. In der Provinz Kasserine liegt Haidra, dort hatten die Römer die riesige Stadt Ammaedara erbaut, die erst zu drei bis vier Prozent ausgegraben ist. Es gibt Aquädukte und Kultstätten, ein Amphitheater, den Versammlungsraum mit Mosaikböden, private Bäder ... Es ist unglaublich, was dort zu entdecken ist. Wir haben rund 40 000 archäologische Stätten und besitzen 150 Museen in Tunesien, von denen vielleicht 40 besucht werden, die anderen sind unbekannt.
Kann man diese Städte besuchen?
Ja, Oudna ist 30 Kilometer von Tunis entfernt und ist zu zehn Prozent ausgegraben, Oudna hat nach Karthago und El Jem das drittgrößte Amphitheater. Dort gab es auch Gladiatorenkämpfe. Das Theater ist zu 60 Prozent ausgegraben.
Wie haben deutsche Veranstalter reagiert?
Wir brauchen die Hilfe unserer Freunde. Wenn man uns fallenlässt, können wir nicht klarkommen. Die Veranstalter hatten ihr Engagement nach Sousse gestoppt, aber es gibt eine leichte Erholung.
Wo sehen Sie den Tourismus in der Zukunft?
Der Tourismus wächst weltweit. Und wir können auf unserer Infrastruktur aufbauen und mehr entwickeln. In diesem Jahr werden wir ein Gesetz erlassen, das es Tunesiern, aber auch Ausländern erlaubt, Aparthotels zu kaufen.
Das Gespräch führte Rolf Brockschmidt.
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