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Schaut auf dieses Brett! Am Strand von Warnemünde haben Teilnehmer eines Surfkurses ihr Erfolgserlebnis.
© Bernd Wüstneck/dpa

Warnemünde: Warten auf die Welle

An der Hafeneinfahrt von Warnemünde machen sich Surf-Anfänger auch den Bugschwall der großen Pötte zunutze.

Der Wellengang auf der Ostsee hält sich in Grenzen. Eine Brandung ist weit und breit nicht in Sicht. Vor dem Supremesurf Beachhouse am Strand von Rostock-Warnemünde haben es sich Windsurfer, Kitesurfer, Stand-up-Paddler und Wellenreiter in zahllosen Liegestühlen bequem gemacht. Neoprenanzüge sind hier und da zum Trocknen aufgehängt. Einige Surfer sitzen an der Bambus-Strandbar, um sich mit dem passenden Getränk die Zeit zu vertreiben, mit Gleichgesinnten zu klönen oder einfach nur der Reggae-Musik zu lauschen. Surfbretter aller Farben und Formate liegen in der Gegend herum, stecken im Sand oder lehnen am Beachhouse.

Ein Surflehrer erklärt unterdessen einer Gruppe von Anfängern, die Trockenübungen auf ihren Brettern machen, das kleine Einmaleins des Wellenreitens. Es herrscht ein leicht ablandiger Wind, der gerade noch ausreicht, um den Windsurfern die Segel zu füllen. Die Stand-up-Paddler sind wie immer guter Dinge, da sie unabhängig vom Wind ihre Bahnen ziehen können.

Die Wellenreiter hingegen, die nach wie vor in der Sonne baden, scheinen von einer Brandung zu träumen, wie es sie in Kalifornien, Kapstadt oder auf Hawaii gibt. Einige von ihnen beobachten intensiv den Horizont, an dem sich langsam die Silhouette der Skandinavienfähre abzeichnet, die alle zwei Stunden von Gedser in Dänemark nach Rostock fährt.

Wellenreiten nach Fahrplan

Auf diesen Augenblick haben die Wellenreiter die ganze Zeit gewartet. Auf einmal kommt das Strandleben wieder in Bewegung. Die Surfer leeren ihre Getränke, streifen ihre Neoprenanzüge über und tragen ihre Surfbretter Richtung Wasser. Auf einer vorgelagerten Sandbank gehen sie in Warteposition. Es bildet sich langsam eine Schlange. Als die Fähre die Mündung der Warnow erreicht hat, um zum Rostocker Hafen weiterzufahren, ist es endlich so weit: Es rollen Wellen auf den Warnemünder Strand zu, die bei idealen Bedingungen 1,50 Meter hoch sind!

Das klobige Unterwasserschiff der 35 Jahre alten Fähren „Prins Joachim“ und „Kronprins Frederik“ sorgt dafür, dass die Warnemünder Wellenreiter gewissermaßen nach Fahrplan alle zwei Stunden von 8 Uhr 30 bis 22 Uhr 30 auf einer künstlichen Brandung surfen können. Und das immerhin bis zu 15 Minuten lang. Von welcher Güte die Wellen sind, ist davon abhängig, wie schwer beladen die Fähren sind und zu welchem Zeitpunkt sie auf ihrem Weg in die Warnow die Geschwindigkeit drosseln. Je mehr Tiefgang und Tempo, desto besser.

Die Warnemünder Fährwelle ist neben der stehenden Flusswelle im Münchner Eisbach die skurrilste Surfwelle Deutschlands. Seitdem Surfer den Spot vor rund zehn Jahren entdeckt haben, hat sich die Fährwelle bis weit über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht.

Die Zukunft der der Fährwelle steht auf der Kippe

Das Wohnzimmer der Warnemünder Wassersportler ist von Mai bis September das Supremesurf Beachhouse, das sich auf Höhe des zu DDR-Zeiten legendären Hotels Neptun am Strandaufgang 11 befindet. Es bietet eine Surfschule, einen Verleih und natürlich jede Menge Strandleben inklusive Strandbar.

Surfschule mit Strandbar
Surfschule mit Strandbar
© Oliver Schindler

André aus Berlin, der schon das sechste Mal in Warnemünde Urlaub macht, sitzt auf einem der wenigen Barhocker und trinkt noch einen Kaffee, bevor er wieder aufs Brett steigt. „Ich hab’ das Wellenreiten auf der Fährwelle gelernt. Sie hat sehr viel Power“, sagt André und wirft einen Blick Richtung Horizont.

Leider steht die Zukunft der Warnemünder Wellenreiter unter keinem guten Stern. Die Reederei Scandlines hat vor Kurzem angekündigt, im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2015 zwei neue Fähren auf der Strecke Gedser–Rostock einzusetzen. Da die „Berlin“ und die „Copenhagen“ ein modernes, hydrodynamisches Unterwasserschiff haben, das viel weniger Wasser verdrängt, wird es die Fährwelle dann nicht mehr geben. Der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest, weil die beiden Fähren zurzeit noch auf einer dänischen Werft umgebaut werden.

Die Wassersportler bleiben gelassen

In Zukunft müssen die Warnemünder Wellenreiter dann auf einen sehr strammen Nordost- oder Nordwestwind hoffen, der ihnen eine natürliche Brandung beschert. Oder sie können auf ein anderes Brett umsteigen: Windsurfer, Kitesurfer und Stand-up-Paddler sind ja nicht auf die Fährwelle angewiesen.

Für Paula, die seit vielen Jahren zum Team des Beachhouses gehört und an der Strandbar arbeitet, gibt es nach wie vor Grund zur Hoffnung, dass die Fährwelle noch eine ganze Weile bleibt: „Die Reederei wollte die alten Fähren schon 2012 aus dem Verkehr ziehen, aber es hat sich seitdem immer wieder verzögert.“

Gelassenheit ist eine Eigenschaft, die im Beachhouse sehr verbreitet ist und unter Warnemünder Wellenreitern sowieso. Es dauert schließlich noch, bis die nächste Fährwelle kommt. Zeit genug, den Neoprenanzug zum Trocknen aufzuhängen, sich ein Getränk an der Strandbar zu holen und vom Liegestuhl aus den Horizont zu beobachten.

Oliver Schindler

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