Belgien: Wandern im Gemälde
Im Westen Belgiens fand der Maler Pieter Bruegel im 16. Jahrhundert seine Motive. Eine Touristenroute führt hin.
Ob Pieter Bruegel die wilden Hefen gekannt hat, ist nicht überliefert. Ziemlich sicher ist aber, dass er das Produkt, das nur mit ihnen entsteht, probiert haben wird. Ob es Lambics und Gueuzes sind, diese besonderen Biere, die es nur in der Heimat des berühmten flämischen Malers gibt, die auf seinen Bildern ausgeschenkt werden? Tatsache ist, dass Bruegel heimatverbundener war, als es seine fantastischen Landschaftskompositionen vermuten lassen.
Der Westen von Belgien, das immer noch bäuerlich geprägte Pajottenland, ist zwar ein Wallfahrtsort für Bierliebhaber, darüber hinaus jedoch kaum bekannt. Dass Pieter Bruegel der Ältere, der sogenannte Bauern-Bruegel, hier im 16. Jahrhundert wesentliche Anregungen für sein Werk gefunden hat, war nur noch eine Fußnote in seiner Biografie – bis sich Albrecht de Schrijver und seine Unterstützer an die Arbeit gegen das Vergessen machten. „Das waren wir Bruegel, der für mich der größte Maler Flanderns ist, schuldig“, erklärt der engagierte Herr mit Nachdruck. Außerdem habe sein Werk einen wichtigen Beitrag zur Schaffung flämischer Identität geleistet.
Nun animiert in der weit verzweigten Landgemeinde Dilbeek ein Freilichtmuseum zum Kennenlernen von Bruegels Malerei und der Landschaft. Rundwege für Wanderer und Radler führen zu 19 Stationen, an denen Reproduktionen, die mehr oder weniger Originalgröße aufweisen, aufgestellt worden sind. Es geht über Wiesen und Felder und durch die kleinen Ortsteile, in denen manch stattliches Eigenheim auf neue Bewohner hindeutet. Auch die EU-Bürokraten schätzen mittlerweile die Ruhe der Landschaft vor den Toren der Hauptstadt.
„Sieht die Kirche hier in Sint-Anna- Pede nicht genauso aus wie auf Bruegels Gemälde?“, fragt Albrecht de Schrijver und zeigt auf „Das Gleichnis von den Blinden“, das vor dem Gotteshaus steht. Tatsächlich ist die Ähnlichkeit verblüffend. Auch Mühlen und Höfe, wie sie noch heute im hügeligen Pajottenland zu finden sind, lassen sich in den Gemälden entdecken. Bruegel-Kenner de Schrijver weiß natürlich, dass dem Maler kein Abbild der Landschaft vorschwebte, sondern dass er Kommentare auf eine sehr schwere Zeit des Umbruchs schuf, die er in visionären Landschaften verschlüsselte. Wo hat man in Flandern auch schon solch dramatische Gebirgskulissen gesehen.
So geht es bei der Bruegel-Route denn auch weniger darum, das Original eines Bildmotivs zu suchen. Vielmehr sollte man sich einlassen auf das Spiel der Gedanken, auf das Hin und Her zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Dabei wird man feststellen, dass diese Landschaft ihren Charakter noch nicht verloren hat. So gesehen, ist die Bruegel- Route ein Beitrag zum Landschaftsschutz. „Und die Bruegel-Fans dürfen sich darüber freuen, dass sie so viele Werke betrachten können wie in keinem Museum der Welt“, sagt Albrecht de Schrijver schmunzelnd.
Es besteht folglich kein Grund, so ernst zu sein wie die Menschen in den Bruegel- Szenen, deren Sorgen und Nöte sich trotz Feier und Tanz in ihren Mienen widerspiegeln. Da half auch das Bier nichts. Das ist heute anders. Auch wenn nur eine Handvoll Lambic-Betriebe im Pajottenland das Brauereisterben überlebt hat – zu Bruegels Zeiten gab es in jedem Dorf gleich mehrere –, erfreut sich diese Spezialität hoher Wertschätzung.
Dass die Tradition dieser besonderen Braukunst nicht verloren geht, dafür kämpft Armand Debelder. Vor ein paar Jahren hat er in seiner winzigen Brauerei „3 Fonteinen“ in Beersel angefangen, Lambic zu brauen. „Das ist ein ganz spezielles Bier, das ein gutes Händchen braucht“, sagt der Bierexperte lachend. Es komme auf das Mischungsverhältnis von gemalztem und rohem Getreide und das mehrstündige Aufkochen mit zwei Jahre altem Hopfen an. Die dreijährige Lagerung im Holzfass, wo die wilden Hefen die spontane Vergärung einleiten, entscheidet schließlich über den individuellen Geschmack eines Lambic-Jahrgangs. „So ein kompliziertes und komplexes Bier kann man maschinell nur unter Verlust der Qualität herstellen.“
Nun lebt aber nicht alles, was diesen Landstrich westlich von Brüssel touristisch ausmacht, von den Ideen solch engagierter Asterixe. Die Heimat von Bruegel und den wilden Hefen bietet auch ganz normale Sehenswürdigkeiten – etwa das herrschaftliche Schloss von Gaasbeek, das Wasserschloss Coloma in Sint-Pieters-Leeuw mit seinen großen Rosengärten oder die restaurierte Wassermühle in Sint-Gertrudis-Pede. Auch der Nationale Botanische Garten in Meise und das benachbarte Städtchen Grimbergen bieten Abwechslung zwischen Bier und Bruegel.
Ulrich Traub
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