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Reise: Pomp im Zelt

Nächte im Freien sind beliebt – aber oft spartanisch. Nun soll Camping, wie schon in Amerika und England, auch luxuriös werden.

Muffige Schlafsäcke, schnarchende Nachbarn, schmuddeliges Gemeinschaftsklo: Wie war man froh, das hinter sich zu haben – und statt in Papas Drei-Mann-Zelt in einem richtigen Hotel Urlaub machen zu können. Doch wenn Badewanne, Himmelbett und dunkler Holzboden ins Zelt einziehen, wird aus Camping „Glamping“, kurz für „Glamorous Camping“ – Zelten mit Pomp. „Vor allem Frauen sind begeistert und sagen: Das sieht aus wie bei ,Jenseits von Afrika‘ “, sagt Thomas Reimann vom Reiseveranstalter Selectcamp. Die Luxuszelte stehen schon in Italien, Frankreich und Spanien. Bald wollen die Anbieter auch in Deutschland starten.

In den USA und Großbritannien ist das nichts völlig Neues. Selbst prominente Zeitgenossen wie Kate Moss und der Fernsehkoch Jamie Oliver haben sich als Glamper geoutet. Beliebt ist Glamping vor allem bei einer Klientel, die zwar Luxus im Urlaub als gesetzt betrachtet, sich aber politisch korrekt verhalten möchte und sich über die ökologischen Folgen eines Fünf-Sterne-Urlaubs inklusive Fluganreise Gedanken macht. So wie manche Hollywoodstars, George Clooney zum Beispiel, von der Luxuskarosse auf Hybridautos umsteigen, so propagieren die Glamping-Anhänger ein Zurück zur einfacheren Lebensweise. Na ja, in gewissen Maßen.

Mancher mag sich darüber mokieren, dass der Glamper sein Zelt nicht selbst aufstellt, geschweige denn durch die Wildnis trägt. Und dass er nicht auf der Isomatte nächtigt, sondern im kuscheligen, von dienstbaren Geistern frisch bezogenen Kingsize-Bett. Wie auch immer man dazu steht: Das Angebot wächst längst auch außerhalb Großbritanniens und den USA. In den Niederlanden, wo Camping traditionell beliebt ist, gab es bereits erste eigene Glamping-Abteilungen auf den großen Touristikmessen, berichtet Klaus Schneider, Geschäftsführer der deutsch-holländischen Vacanceselect Gruppe mit Deutschlandsitz in Hamburg, die Camping auf gehobenem Niveau anbietet.

In Italien, Spanien, Portugal und Frankreich sind die Voraussetzungen für Glamping besser als hierzulande: Es gibt mehr unberührte Natur, spektakulärere Landschaften – und meist besseres Wetter. Vor allem unsere französischen Nachbarn haben das Glampen für sich entdeckt. Dutzendfach findet man im sonnigen Languedoc, in der ursprünglichen Dordogne oder im wildromantischen Massif Central Einrichtungen, die des Glampers Herz erfreuen. Ob waschechte Indianer- Tipis oder riesige Beduinenzelte, mittelalterliche Turnierzelte oder mongolische Jurten – sie sind oft Monate im Voraus ausgebucht.

Oder wie wäre es mit Urlaub im Roulotte, einem bunt bemalten Zigeunerwagen, durch dessen gläsernes Dach man nächtens zum Firmament aufschaut? Der Anbieter Roulottes de Campagne hat sie aktuell bereits auf mehr als 60 Plätzen in Frankreich aufgestellt – und kündigt weitere an.

Zu den ungewöhnlichen fahrbaren Untersätzen gehören auch jene silberglänzenden Ostereier, denen selbst Outdoor- Muffel die Bewunderung kaum verwehren können: die Camping-Vans der Marke Airstream. Sie kosten ein Vermögen, was erst recht gilt, wenn es sich um Oldtimer handelt. Deshalb mietet man sie besser. Tage- oder wochenweise geht das zum Beispiel im Belrepayre Airstream Trailer Park südlich von Toulouse – zwei ehemalige Zirkusartisten führen ihn. Oder im Camp Silver auf der niederländischen Insel Texel: Ein Designer hat sie im kultigen Sixties-Stil ausgestattet. Manch ein Hotelbesitzer dürfte vor Neid erblassen.

In Deutschland sind die Ansätze noch zaghaft. Man muss lange suchen, bis man eine Einrichtung findet, bei der sich hinter der Bezeichnung „luxuriöser Campingplatz“ der wahre Geist des Glamping zeigt. Im Ostseebad Dahme an der Lübecker Bucht versucht man, der Idee nahezukommen: Im Eurocamping Zedano stehen sie tatsächlich, die Zeltbehausungen der Oberklasse.

Einen erkennbaren Trend „zurück zur Natur“ will auch Selectcamp, die Luxusmarke der Vacanceselect-Gruppe, nutzen. „Unsere Zielgruppe lebt sehr bewusst und naturverbunden und will dabei nicht auf Komfort verzichten“, sagt Thomas Reimann. Der Tourismus reagiere so auf einen Lebensstil, der Gesundheit und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stelle. In Großbritannien oder den Niederlanden sei „Glamping“ schließlich schon ein Erfolg. Der deutsche Markt wachse momentan am stärksten.

Noch in diesem Jahr will Selectcamp 10 000 deutsche Glamping-Urlauber zählen, das wäre eine Steigerung um mehr als 50 Prozent. Und in dem Tempo solle es in den kommenden Jahren weitergehen. „Wir sind ziemlich sicher, dass es anhält“, sagt Selectcamp-Geschäftsleiter Klaus Schneider. Im kommenden Jahr sollen auch in Deutschland 50 sogenannte Lodgesuiten stehen, man sei mit mehreren Partnern im Gespräch. Die Suite ist eine Art Nobelzelt mit Retrobadewanne. Dabei hat nicht jeder Campingplatz den Glamping-Faktor. Bislang stehen die Zelte etwa am Gardasee oder in der Toskana.

Die Veranstalter sehen Familien aus dem Mittelstand und ältere Reisende ohne Kinder als ihre Zielgruppe. Doch mit Glamping sollen auch Menschen, die noch nie gecampt haben oder bisher ihren Partner nicht dazu bewegen konnten, zum Zelten gebracht werden.

Dem Glamping-Trend steht der Bundesverbands der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD) allerdings kritisch gegenüber. „Wir finden es spannend, aber mit der ursprünglichen Urlaubsform hat es wenig zu tun“, sagt Daniela Leipelt, Geschäftsführerin des Verbands in Berlin. Beim Camping gehe es um einen Lebensstil, bei dem unterschiedlichste Menschen zusammentreffen. „Beim Glamping durchbricht man das.“ Denn für jeden erschwinglich ist so ein Luxuszelt keineswegs: In der Hauptsaison zahlt eine vierköpfige Familie beispielsweise für die „Lodgesuite“ am Gardasee pro Woche 1400 Euro.

Mehr zum Glamping im Internet:

goglamping.net

glampinggirl.com

selectcamp.de

vanselect.de

bvcd.de

Barbara Kolb, Anna Schürmann

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