Südschweden: Nichts zu tun für Wallander
Feinsandige Strände, atemberaubende Klippen und Dörfer wie aus dem Bilderbuch: Skåne in Südschweden spiegelt eine heile Welt.
In Südschweden kann die Sonne zaubern. Sie zeichnet zarte lilafarbene Streifen in den puderzuckerfeinen, weißen Sand, die der Wind, husch, gleich wieder verweht. Auch deshalb radelt Hotelier Christian Wilander so gern an diesen westlichsten Zipfel von Skåne. Passiert den legendären, gut hundert Jahre alten Golfplatz auf der Halbinsel Falsterbo. Die Einheimischen haben diesen Zipfel, der sich vorwitzig gen Dänemark reckt, den Spitznamen Näset, Nase verpasst.
Wilander fährt vorbei am klassizistischen Leuchtturm, errichtet aus gelbbraunen Ziegeln mit einer dicken schwarzen Binde um den Bauch. Seit 1795 steht der Trutzbau hier und ersetzte lange Zeit jene Leuchtfeuer, die oft absichtlich an den falschen Stellen entzündet wurden. Die Folge: Irregeleitete Schiffe, die an vorgelagerten Felsen zerschellten. Bald waren die Unholde dann zur Stelle, um Beute zu machen. „Hunderte von Wracks hat man hier gefunden“, sagt Wilander.
Bis ins 16. Jahrhundert hinein lebten wohl mehr als 30 000 Menschen auf der Halbinsel. Der Heringsfang sicherte ihnen gutes Einkommen, ansehnliche Holzhäuschen entstanden in Falsterbo und dem Nachbarort Skanör. Kein Wunder, dass die weiß gestrichene St. Olofs-Kirche – der Kern stammt aus dem 13. Jahrhundert – so riesige Ausmaße hat. Dann gingen die Fischbestände zurück, viele Bewohner zogen fort. Der Zipfel versank in der Bedeutungslosigkeit.
Bis sich, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die ersten Badegäste für ihn interessierten. Die kolossalen Strände, das milde Klima, die beschauliche Lage am Öresund. 1908 eröffnete in Skanör das gediegene Hotel Gässlingen, dem der neue Besitzer Wilander vor etlichen Jahren zu Recht die Plakette „historisch“ anschrauben durfte.
Der Strand ist für alle da
Außerhalb der Hochsaison geht es sehr, sehr beschaulich zu auf Falsterbonäset. Nur rund 8000 Menschen leben inzwischen das ganze Jahr über hier – und haben es sich, nur 30 Kilometer südlich von Malmö, besonders schön gemacht. Auf großen Grundstücken mit prunkenden Gärten stehen eindrucksvolle Villen und Häuser, kein Bau gleicht dem anderen, jeder wurde offenbar von einem anderen talentierten Architekten konzipiert. „Hier wohnen reiche Leute“, sagt Wilander freimütig.
Anders ausgedrückt: Es ist der Nobelvorort von Malmö. Kein Wunder, dass die Leute dort auch gut essen wollen. Nachmittags besten hausgemachten Kuchen im niedlichen Kust Café von Skanör und abends vielleicht ein Menü im Restaurant des Hotels Gässlingen. Als Hauptgerichte stehen heute Rotzunge oder Ochsenfilet zur schmackhaften Wahl. Zum Fisch empfiehlt Wilander einen Weißwein aus dem Burgund, zum Fleisch ausgesuchte Rotweine aus Spanien. Moment, bringt Skåne mittlerweile nicht auch Weine hervor? Wilander lächelt und sagt diplomatisch: „Die können Sie ja mal woanders probieren.“
Der Strand ist natürlich für alle da. Winzige hölzerne Buden säumen ihn und machen ihn kunterbunt. Violett, strohgelb, lindgrün, rosa oder himmelblau sind sie gestrichen, wie in der Karibik. Meist werden sie nur in der Hochsaison von ihren Besitzern aufgeschlossen und benutzt. Zum Umziehen oder als Unterschlupf, falls es regnen sollte. Meist sind es nur kurze Schauer, denn der ständig wehende Winde pustet die Wolken so schnell weg, wie sie gekommen sind.
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Regen stört David Lindegren nicht. Er freut sich sogar darüber, denn dann wird das Gras schön saftig für seine Kühe. Vor gut zehn Jahren hat sich der Ingenieur im nordwestlichen Teil Skånes, unweit der Kleinstadt Båstad, seinen Traum erfüllt. „Ich wollte nicht nur die Wochenenden oder den Urlaub auf dem Land verbringen“, sagt der 43-Jährige. „Ich wollte die Natur ständig genießen.“ So ist er Bauer geworden. Inzwischen besitzt Lindegren 140 Rinder der Rasse Rödkulla.
„Die ,Rote Hornlose‘ war nahezu ausgestorben in Schweden“, erzählt er. Die Kühe waren nicht „rentabel“, sie gaben zu wenig Milch und wurden durch andere Rassen ersetzt. Um ihre Kälber zu nähren, reicht die Milch der sanftmütigen Rostbraunen allemal. Zwei, drei Jahre bleiben die Kleinen bei ihren Müttern, weiden gemeinsam auf den hügeligen Wiesen. Ein Idylle wie aus dem Bilderbuch. Das Fleisch der Rinder verarbeitet Lindegren zu luftgetrocknetem Schinken und Würsten. Die Qualität ist bereits mehrfach prämiert worden, einige der besten Köche Schwedens kaufen bei Lindegrens.
Auch ein paar Schweine leben auf dem Hof – und haben viel Platz. Rosafarbene Borstenviecher sind es nicht, eher sehen sie wie Wildschweine aus. Nähern sich Besucher, trotten sie neugierig herbei und lassen sich geduldig die struppigen Köpfe kraulen. Am liebsten aber mögen sie die Zuwendungen von Lindegren. Er nimmt einen Stock und reibt ihnen damit kräftig über den Rücken. Da legen sie sich glatt hin vor Wonne. Den Tieren geht es gut auf diesem Hof. Wenig habe sich hier verändert, sagt Lindegren. „Das Tal und die Graslandschaft gab es schon vor Tausenden von Jahren, kaum etwas hat sich verändert.“ Auch damit das so bleibt, hat er sich für den Hof entschieden.
Hier müssen Blumen hin
Kronprinz Oskar und seine Frau Sophia von Nassau wünschten sich dagegen einen schönen Platz für die Sommerfrische. Nah bei der Stadt Helsingborg entstand 1864 ihre eingeschossige Residenz. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schenkte er sie seinem Enkel Prinz Gustav Adolf, dem späteren schwedischen König. Der setzte zwei Etagen drauf und ließ das bescheidene Schloss Sofiero auch sonst vergrößern. Und er befand: Hier müssen Blumen hin.
Seine Frau, die englische Prinzessin Margareta, hatte mindestens so einen grünen Daumen wie er. 1907 wurde der erste Rhododendron gepflanzt. Bald wuchsen die Bestände auf rund 10 000 Pflanzen in 300 Arten. „Wenn die Familie von Stockholm nach Sofiero reiste, benutzten sie drei Wagen“, erzählt Gartensprecherin Annika Malmgren. „In einem saßen das Ehepaar und die Kinder, im anderen war die Kleidung, und der dritte war für Blumenzwiebeln und Pflanzen.“
Daraus geworden ist eine blühende Pracht. „Wir haben ja nicht nur Rhododendron, sondern von Frühjahr bis Herbst viele andere Blumen, darunter allein etwa vierzig verschiedene Dahlienarten“, erzählt Malmgren stolz. Sobald die Jahreszeit für eine Pflanzenart zu Ende gehe, entfalte sich schon die nächste.
Unbedingt in Höganäs stoppen
„Der Park sieht in jedem Jahr etwas anders aus“, sagt Malmgren. Manchen Stammbesuchern gefalle das nicht, sie möchten immer das Gleiche vorfinden. „Wir respektieren das Erbe. Aber wenn wir eine neue Blume entdecken, pflanzen wir sie ein und schauen, wie sie sich macht“, erzählt Malmgren und setzt mit Nachdruck hinzu: „Margareta hatte es doch ganz genauso gemacht.“ Die mutige Gestaltung muss richtig sein: Sofiero wurde schon mehrmals zum besten Park Europas gekürt.
Besucher können auf schmalen, hügeligen Pfaden hindurchspazieren, Steinfiguren bewundern oder auf der einladenden Caféterrasse des Schlosses Platz nehmen. Von dort sehen sie über bunte Blüten bis zum grünblau schimmernden Wasser des Öresunds.
Auf dem Weg ins nördliche Skåne muss man unbedingt in Höganäs stoppen. Noch immer wird hier Keramik in schönem Design hergestellt. Aber weil es dann doch zu viele Produktionsstätten waren, wurde eine vor drei Jahren zum beeindruckenden Lunch-Café umfunktioniert. Mittags können sich die Gäste hier zu günstigen Preisen am fabelhaften Büfett satt essen und hinterher in der unteren Etage einkaufen. Schwedisches Lakritz in vielen Geschmacksrichtungen etwa, Marmeladen, Kekse – und natürlich Keramik. Die eine oder andere Galerie ist auch untergeschlüpft.
Wandern auf dem Kullaberg
Weiter nördlich thront Mölle auf einer vorwitzigen Landzunge über dem Meer. 1880 begann hier der Badebetrieb. Ein Sündenbabel. Denn während die Gäste anderswo noch nach Geschlechtern getrennt ins Wasser sprangen, schwammen Männer und Frauen hier gemeinsam in ihren ulkig geringelten Badekostümen. Mölle war angesagt. 1909 wurde das noch immer weithin sichtbare Grandhotel auf einen Hügel gebaut, kurz darauf gab es zehn Hotels, drei Pensionen und sechs Cafés in dem kleinen Ort.
Vor allem schwedische, dänische und deutsche Gäste verbrachten hier die Sommerferien. Dabei gab es kaum Strand, die Menschen sonnten sich auf den Klippen. Ein Plakat aus jener Zeit zeigt eine Frau mit bloßem Rücken, die hinunterschaut auf Segelboote im blauen Meer. Capri lässt grüßen.
An diesem Junivormittag hat sich die Sonne versteckt, und die See ist so bewegt, dass Bootsfahrten zur Tümmlerbeobachtung unterbleiben müssen. Macht nichts. Zum Wandern auf dem Kullaberg ist das Wetter prima. Der Weg durchs Naturschutzgebiet führt mal an atemberaubenden Klippen entlang, dann über Wiesen und durch lichten Wald bis zum 187 Meter hohen Gipfel Hakuli hinauf. Bisweilen muss man schon ein wenig klettern, aber die meiste Zeit kommt man ganz bequem voran.
Weißdorn, Schlehen und Geißblatt wachsen hier, aber zum Beispiel auch die seltene kugelförmige Platterbse. 70 Prozent der schwedischen Flora kann hier entdeckt werden. Ein Schild kündet von der Existenz der Tapezierspinne, eine gefährdete Art. Nicht eine Achtbeinige lässt sich blicken, stattdessen huscht eine Blindschleiche über den Weg.
Alles friedlich in Skåne
Auch die Schriftstellerin Selma Lagerlöf muss mal hier gewesen sein: Sie hat dem Kullaberg ein literarisches Denkmal gesetzt. Im 5. Kapitel seiner wunderbaren Reise mit den Wildgänsen erlebt Nils Holgersson das alljährliche Treffen aller Tiere auf dem Kullaberg zu Spielen und Tänzen.
Wohin man auch fährt, alles friedlich in Skåne. Kommissar Wallander hätte nichts zu tun. Dabei liegt Ystad, der Schauplatz vieler Mankell-Krimis, auch in der Region. Im Ort begeben sich zahlreiche Besucher auf die blutigen Spuren des Buchhelden. Und haben dann keine Zeit mehr für die Falsterbronäset, für Schloss Sofiero und erst recht nicht für den Kullaberg. So steht man am Hakuli fast allein am Leuchtturm und auch im spannenden Naturschutzzentrum ist kaum jemand.
Nur im Hochsommer dürfte das anders sein. Und im historischen Strandhotel des hübschen Ortes Arild, wenige Kilometer von Mölle entfernt, sind dann alle Zimmer ausgebucht. Vom Frühstückssaal aus hat man den kleinen Hafen im Blick, wo im Juli sicher viel mehr Yachten liegen als jetzt.. „Aber richtig überlaufen ist es nie bei uns in Skåne“, erklärt Annika Ek-Gustavsson vom regionalen Tourismusbüro. Und lächelt sehr zufrieden.
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ANREISE
Nächst gelegener Flughafen für die Region ist Kopenhagen, von dort über die Öresundbrücke nach Malmö, Hauptstadt von Skåne. Autofähren (TT-Line oder Stena Line) von Rostock nach Trelleborg. Preise variieren stark je nach Saison.
UNTERKUNFT
Hotel Gässlingen in Skanör: historisches Haus mit gelungenen Anbauten; Sauna/Pool; Doppelzimmer ab 213 Euro; Telefon: 00 46 / 40 45 91 00, Internet: hotel-gasslingen.com,
Strandhotel in Arild: charmantes geschichtsträchtiges Haus mit Hafenblick, Doppelzimmer ab 139 Euro; Telefon: 00 46 / 42 34 61 00, Internet: strand-arild.se
RESTAURANTS
Gästgifvaregård, Skanör: sehr gute Küche in ansprechendem Ambiente, Drei-Gänge-Menü ab rund 55 Euro. Günstige Pauschalen mit Übernachtung im Hotel Gässlingen buchbar, das Lokal befindet sich im separaten Gebäude; im Internet: skanorsgastis.com
Höganäs Saluhall: tolles Lokal in einer alten Porzellanmanufaktur von Höganäs; ausgezeichnetes, reichhaltiges Mittagsbüfett (von 12 bis 14 Uhr) für rund 15 Euro, am Wochenende Brunch; abends geschlossen (Bruksgatan 36Z, Höganäs, Telefonnummer: 0046/42-34 25 0, Internet: hoganassaluhall.se).
AUF DEM LAND
Auf Lindegrens Hof gibt’s einen Laden mit Spezialitäten, Kochkurse u. Besichtigungstouren werden angeboten (Bjäre Rödkulla, Sinarpsdalen 164, Båstad, Internet: bjarerodkulla.se).
SCHLOSS
Schloss und Park Sofiero, fünf Kilometer nördlich von Helsingborg, geöffnet zwischen Mitte April und Mitte September, täglich von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: rund elf Euro, sofiero.se
REISEFÜHRER
Sabine Gorsemann: Südschweden (mit Stockholm). Michael Müller Verlag, 20,90 Euro
AUSKUNFT
Visit Sweden, Östersund, Telefon aus Deutschland (Inlandstarif): 069 / 22 22 / 34 96, Internet: visitsweden.com/de