Privatzimmervermietung: Mal sehen, was im Kühlschrank ist
Ein alter Trend, neu erfunden: Urlaub im Privatquartier finden vor allem junge Menschen spannend.
Fotos von den Eltern fremder Menschen hängen an der Wand. Im Gefrierfach liegen noch Reste des Weihnachtsbratens. Staubsauger, Wäsche, Bürokram: alles da. Und mittendrin Touristen. Urlaub machen in der Wohnung eines Fremden? Gerade junge Reisende haben damit kein Problem. Ganz im Gegenteil: Private Zimmer oder Wohnungen als Urlaubsdomizil zu mieten, sei sogar richtig angesagt, sagt Jens Oellrich, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Tourismuszukunft in Eichstätt.
Das Phänomen ist so neu wie alt: In den 1950er und 60er Jahren räumten vor allem im ländlichen Raum oder auch auf den ostfriesischen Inseln die Familien ihre Kinderzimmer und nahmen Feriengäste auf. „Das gibt es nur noch vereinzelt. Doch der gleiche Trend ergibt sich heute erneut, nur diesmal machen es vor allem junge Leute“, erklärt Oellrich. Die Geschäftsführerin des Deutschen Tourismusverbandes in Berlin, Claudia Gilles, hat im Vergleich zum Fremdenzimmer auf dem Bauernhof eine weitere Veränderung beobachtet: „Mittlerweile erwarten die Gäste mehr Komfort.“ Außerdem liegen die meisten Wohnungen in Städten. Und das Phänomen der Privatzimmervermietung findet hauptsächlich online statt. Portale wie Wimdu, Airbnb, 9Flats oder Couchsurfing sind die Vorreiter. Das Angebot reicht vom einfachen Klappsofa bis hin zum luxuriösen Ferienhaus, das der Besitzer in der Zeit vermietet, in der er selbst es nicht braucht.
Die Webseiten sind alle ähnlich aufgebaut: Privatleute erstellen ein Profil für ihre Wohnung. Der Nutzer findet Fotos der Räume, eine Beschreibung zur Ausstattung und Lage, den Preis, manchmal ein Foto vom Bewohner sowie die Bewertungen und Kommentare von ehemaligen Gästen.
Doch es gibt Unterschiede: Bei Airbnb, Wimdu oder auch Housetrip stehe das Besondere im Mittelpunkt, nicht unbedingt das Billige, erklärt Oellrich. Solche Portale seien etwas für Urlauber, die Städtereisen machen wollen, sich für Insiderinformationen interessieren und andere Einblicke bekommen wollen als Pauschaltouristen. Meistens steht den Gästen die gesamte Wohnung zu Verfügung.
„Couchsurfing ist dagegen eher experimentell“, erklärt Oellrich. Die Gäste schlafen meist gleichzeitig mit dem Gastgeber in der Wohnung, mieten also nur die Couch. Außerdem koste es in der Regel kein Geld. „Das ist zum Beispiel etwas für Backpacker.“
Wie finden die Urlauber, was zu ihnen passt? Bilder, Kommentare und Bewertungen seien das A und O bei der Suche, sagt Oellrich. Ist ein Gastgeber unseriös, bleibt das nicht lange verborgen, unzufriedene Gäste sind beim Kommentieren gnadenlos. „Ich würde deshalb nur Wohnungen nehmen, bei denen es schon Bewertungen gibt.“ Gilles warnt: „Natürlich wird da auch manchmal geschummelt.“ Ihr Tipp lautet daher: „Je mehr Bewertungen, desto aussagekräftiger.“ Die Preise für Privatunterkünfte variieren: Zwischen 30 und 100 Euro müssen Urlauber für eine Nacht in einer durchschnittlichen privaten Stadtwohnung kalkulieren. Buchung und Bezahlung laufen über die Plattform. Der Gast überweist das Geld an den Betreiber, der es weiter an den Gastgeber leitet – und meist eine Vermittlungsgebühr einbehält.
Für manche Reisende sind allerdings Hotels die bessere Wahl – auch wenn sie etwas teurer sind. „Hotels haben Prozesse, Qualität ist standardisiert“, sagt Oellrich. Gerade Geschäftsreisende lassen sich besser nicht auf das etwas kompliziertere Prozedere bei der Privatunterkunft ein. „Im Hotel ist es egal, ob ich früh oder spät anreise, da funktioniert das.“ Bei den Privatzimmern dagegen klappt die Schlüsselübergabe nicht in jedem Fall reibungslos. Immer wieder kritisieren ehemalige Gäste in den Kommentarspalten, dass der Vermieter zu spät oder gar nicht kam, oder dass er nicht zu erreichen war, als ihr Flieger Verspätung hatte.
Wer ein Hotel bucht, könne sich bestimmter Standards in der Regel sicher sein, sagt Gilles: An der Rezeption spricht jemand Englisch, der Gast hat meist verschiedene Bezahloptionen, es gibt ein gastronomisches Angebot. „In Privatunterkünften wissen Sie nicht mal sicher, ob die Kaffeemaschine funktioniert.“ Außerdem könnten sich manche Gäste in der Wohnung eines Fremden gehemmt fühlen. Sie treibt die Sorge um, eine wertvolle Vase der Oma hinunterzuwerfen, oder das Gefühl, sich nicht so frei bewegen zu dürfen.
Andere Gäste schätzen dagegen gerade das Gefühl, in den vier Wänden eines völlig Fremden zu wohnen. „Ich bekomme Einblicke in das Leben eines anderen“, sagt Gilles. Nach Ansicht von Oellrich ist die Privatzimmervermietung eher etwas für offene Menschen, für Reisende, deren Urlaub ein Erlebnis werden soll, die vorher gar nicht genau wissen wollen, was sie erwartet.
Sicherlich nicht die Norm sind ausgefallene Angebote: Auf den gängigen Plattformen gibt es zum Beispiel ein Baumhaus in einem italienischen Lavendelfeld oder eine eigene Insel im Südpazifik.
Die Kehrseite der Medaille – zumindest in deutschen Großstädten – zeigt Thomas Lengfelder vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga in Berlin: „Das sehen wir mittlerweile als riesigen, zweiten, grauen Hotelmarkt an.“ Der hat seiner Ansicht nach nicht nur für die Steuereinnahmen der Stadt, für die Hoteliers und für die Nachbarn der vermieteten Wohnungen Nachteile, sondern auch für die Urlauber selbst. Hotels hätten spezielle Auflagen für Brandschutz und Fluchtwege, zum Beispiel eine Direktschaltung zur Feuerwehr. In Privathäusern seien die nicht erfüllt. Gleiches gelte für die strengen Hygienerichtlinien.
„Wir haben grundsätzlich nichts gegen Privatpersonen, die mal ein Zimmer untervermieten“, sagt Lengfelder. Aber einige Anbieter treten als private Mieter einer Wohnung auf, ohne auch nur eine Nacht selbst darin geschlafen zu haben. In Berlin gibt es laut Lengfelder ganze Straßenzüge, in denen nur noch Touristen ein- und ausgehen. Für die Nachbarn bedeute das: extrem viel Müll und großer Krach. „Die Kultur des Hauses verändert sich“, sagt Lengfelder.
Wer das nicht unterstützen will, hat es allerdings schwer. Diese nur scheinbar privaten Angebote ließen sich von echten privaten kaum unterscheiden, sagt der Hotelier. Oellrich rät, sich die Kommentare genau anzuschauen. Daraus lasse sich meist herauslesen, ob der Anbieter eine Firma oder zum Beispiel ein Student ist. Das Zimmer mag dann zwar vielleicht etwas weniger perfekt sein, aber dafür authentisch. (dpa)
Johanna Uchtmann
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