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© Rolf Brockschmidt

Syrien: Luxusliegen am Assad-Stausee

Syrien hat ehrgeizige Pläne für den Ausbau des Tourismus. Ein Grund: Die Ölvorkommen sind knapp.

Vor dem altehrwürdigen Khan Roustom Pascha aus dem 18. Jahrhundert in Hama wartet eine Menschenmenge darauf, dass sich endlich das Tor zu diesem traditionellen Rastplatz der Karawanen öffnet. Eine Folkloregruppe, Musiker und Schulmädchen mit Blumensträußen sind bereit, Syriens Tourismusminister Saadalla Agha Al Khalaa zu begrüßen, der die alte Herberge als Besucherzentrum wiedereröffnen wird.

Wo früher die Händler ihre Waren gelagert hatten, zeigen nun Kunsthandwerker in den kleinen Räumen rund um den Innenhof des Khans ihr Können. Die Tourismusinformation ist eingezogen, und auch die Tourismuspolizei, die es seit einigen Jahren gibt, steht hier den Besuchern mit Rat und Tat zur Seite. Es ist nach Palmyra das zweite Besucherzentrum für Touristen, das der Minister binnen einer Woche eröffnet. Ein Zeichen dafür, dass Syrien dem Tourismus einen immer größeren Stellenwert beimisst. Immerhin 31 Prozent der ausländischen Deviseneinnahmen stammen aus dem Tourismus, der 14,5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Da die syrischen Ölvorkommen sehr begrenzt sind, muss die Regierung auf den Ausbau des hochwertigen Tourismus setzen.

Verbesserung der Infrastruktur ist das eine, doch es gibt weitere ehrgeizige Projekte, den Tourismus im ganzen Land zu fördern. Dabei geht es vor allem auch um die östlichen Landesteile jenseits des Dreiecks Aleppo–Palmyra–Damaskus.

Links und rechts des Euphrats und des Nebenflusses Chabur gilt es noch viele archäologische Stätten zu entdecken. Ein Stützpunkt auf dem Weg dorthin könnte der Assad-Stausee werden, an dessen Ufer luxuriöse Tourismusanlagen mit Strand errichtet werden sollen. Allerdings ist das Niveau des Assad-Sees Schwankungen unterlegen, der Nordosten wird gerade von großer Trockenheit geplagt. Neben dem Wassersport wären die Resorts auch Ausgangspunkt für Ausflüge, etwa nach Raqqa mit seinen islamischen Bauwerken oder ins byzantinische Resafah, 25 Kilometer südlich von Raqqa. Ferner schwebt dem Minister die Entwicklung des Flusstourismus vor. Denkbar sind Kreuzfahrten auf dem Euphrat von Resafah/Raqqa aus über Deir-ez-Zor bis nach Tell Hariri, dem historischen Mari, kurz vor der Grenze zu Irak.

Ein weiteres Projekt ist die Entwicklung eines Gebietes verlassener frühchristlicher Dörfer nördlich von Aleppo. Dort sollen nach Vorstellung der Regierung von diesem Jahr an Touristen in ausgesuchten Bauten aus byzantinischer Zeit wohnen und von dort aus die Altertümer besichtigen können. Zum Schutz dieses Gebietes um die Klosteranlage von Qalat Seman, dem Heiligtum von Simeon, dem Säulenheiligen, hat Syrien die Aufnahme der „antiken Dörfer“ auf die Weltkulturerbeliste der Unesco beantragt. Damit könnte diese einmalige Ansammlung von rund 700 frühchristlichen Dörfern, die nach der Islamisierung nicht zerstört worden waren und seit etwa 1000 Jahren leer stehen, vor weiterem Verfall gerettet werden.

Im Schatten dieser staatlichen Entwicklungen gedeihen auch private Anstrengungen. So hat im vergangenen Jahr zum 100. Jahrestag der Abfahrt des ersten Zuges der Hedschas-Bahn aus Damaskus eine Stiftung ein Museum südlich der syrischen Hauptstadt am Kadam-Bahnhof errichtet. 14 Dampflokomotiven aus der Zeit um 1900 stehen vor dem Lokschuppen, fast alle made in Germany, Borsig ist gut vertreten. In einem Gebäude des Werkstattkomplexes werden Telegrafen, Schilder, Telefone, Modelle und sonstige Memorabilien aufbewahrt. Der Höhepunkt ist das „Live-Museum“. Die alten Werkstätten sehen so aus, als hätten kaiserliche Bahnbeamte aus Deutschland vor 100 Jahren eben mal eine Pause gemacht. In einem Raum schmieden zwei Syrer mit einem halbautomatischen Schmiedehammer einen Bolzen. Es riecht nach Stahl, die Transmissionsriemen surren. Ein Museum deutscher Eisenbahntechnik am Rande der Wüste, vielleicht auch nicht uninteressant für deutsche Kooperationspartner. Deutsche Touristen sind unter den Europäern ohnehin die am schnellsten wachsende Gruppe.

Syrien besitzt ein wohl unterschätztes touristisches Potenzial, gilt als prinzipiell sicheres Land, das deutschen Besuchern und auch Investoren viel zu bieten hat.

Weiteres im Internet:

www.syriatourism.org

Rolf Brockschmidt

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