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In der Südkurve der Arena spielt die Musik. Zum großen Opernglück unter freiem Himmel in Verona muss allerdings auch das Wetter mitspielen.
© Fondazione Arena di Verona

Gefühl hat schöne Töne: Kultururlaub in Verona und am Gardasee

15 000 Zuschauer fasst die Arena di Verona, und die Festspiele sind eine Goldgrube. Auch 80 Kilometer nördlich, in Riva del Garda, will man nun noch von den musiktheaterbegeisterten Gästen profitieren.

Jetzt wachen sie wieder vor der Arena. Die Sphinxen, ohne die keine „Aida“-Aufführung auskommt. Und ohne Giuseppe Verdis Ägypten-Drama wiederum kommt keine Sommersaison in Verona aus. 1913 war „Aida“ die erste Oper, die im antiken Amphitheater unter freiem Himmel aufgeführt wurde. Seitdem steht das Stück jedes Jahr auf dem Spielplan, derzeit sogar in einer Inszenierung, die sich originalgetreu an den exotisch-üppigen Dekorationen von vor fast einem Jahrhundert orientiert. 15 000 Zuschauer kann die römische Arena jeden Abend aufnehmen, bis Anfang September sind fast 600 000 Eintrittskarten für sechs verschiedene Stücke im Angebot. Ein beachtlicher Teil der Besucher kommt aus Deutschland – und die Deutschen wollen am liebsten immer wieder die „Aida“ sehen.

Also werden die Sphinxen auch in diesem Sommer zwischen der Piazza Bra und der Arena hin und her transportiert, fünfzehnmal binnen elf Wochen, mit Hilfe eines Baukrans, der sich abends so weit senken lässt, dass er für die Opernbesucher nicht mehr störend „ins Bild“ ragt. Dass sich rund um das Amphitheater eine weitläufige Platzanlage ausdehnt, ist ein Glück für die Veranstalter. Denn innen, in den Katakomben des 2000 Jahre alten Baus, ist einfach kein Platz für die sperrigen Bühnenbild-Teile. Überhaupt geht es hinter den Kulissen der Arena di Verona äußerst spartanisch zu. Ob Kostümfundus, Umkleideräume für die Musiker oder Solisten-Garderoben, alle Mitwirkenden müssen sich hier mit Dauerprovisorien zufrieden geben, die in den feuchten, unverputzten Steinbögen unterhalb der 45 Sitzreihen eingerichtet sind. Ein größerer Kontrast zu den Ausstattungsorgien der abendlichen Aufführungen ist kaum denkbar.

Im Paris der Belle Epoque hat Hugo de Ana seine „La Traviata“-Interpretation angesiedelt, die zum Auftakt des Festivals jetzt ihre umjubelte Premiere feierte. Herren in Gehrock und Zylinder, Damen in bodenlangen Abendroben voller Schleifen und Rüschen bevölkern die Szene, zur Balletteinlage treten mehrere Dutzend Tänzerinnen und Tänzer in knallbunten spanischen Stierkampf-Outfits an. Ein Fest fürs Auge. Und auch für die Ohren: Denn so populär sich die Spektakel auf der größten Freilichtbühne der Welt auch geben (müssen), hat man doch den Ehrgeiz, bei den Sängerbesetzungen internationales Niveau zu bieten. Die Veroneser „Traviata“ dieses Sommers, die junge, leidenschaftlich agierende Albanerin Ermonela Jaho, wird man sicher bald auch in Berlin, Mailand oder New York hören können.

Die enorme Bühnenfläche der Arena sinnvoll zu füllen, ist für die Regisseure immer wieder eine Herauforderung. Schließlich steht ihnen die gesamte Südkurve des Bauwerks zur Verfügung, 109 Meter breit und 24 Meter hoch. Hugo de Ana hat sich diesmal für ein Arrangement aus gigantischen Bilderrahmen entschieden, reich verziert und goldbronzen lackiert, die sich teilweise heben und senken lassen. Eine raffinierte Lösung, weil die Zuschauer einerseits in den Massenszenen viel zu entdecken haben, sich andererseits der Blick für die intimen Szenen auch auf die zentrale umrahmte Spielfläche lenken lässt. Und wenn dann noch das Wetter hält, wenn im Laufe des Abends gar der zuvor bedeckte Himmel aufreißt und gegen Mitternacht ein gelber Vollmond direkt hinter der Bühne aufsteigt, dann ist das Opernglück perfekt.

Natürlich werden in der Arena auch Rock-Konzerte veranstaltet – doch die Festspiele sind die Goldgrube für Verona. Weil sie genau jene Klientel anziehen, die sich jeder Tourismusmanager wünscht: kultivierte Menschen aus der zahlungskräftigen Mittelschicht, die nicht nur nach der Vorstellung angemessen ruhig die Arena verlassen, sondern auch zuvor ausgiebig Einkaufen und Essen gehen. Für Opernfans aus dem süddeutschen Raum war die Stadt Romeo und Julias schon immer ein festes Ziel im Festivalkalender.

Auch 80 Kilometer nördlich, in Riva del Garda, will man noch von den musiktheaterbegeisterten Gästen profitieren. In den zwanziger Jahren war das Städtchen zwischen steil aufragenden Felsen ein hochnobler Kurort. Die österreichische Kaiserfamilie kam regelmäßig, Schriftsteller von Thomas Mann bis Franz Kafka schätzten das milde Klima am Nordufer des Gardasees, vor allem auch im Winter. In diese Tradition möchte das Lido Palace-Hotel jetzt anknüpfen. Nicht nur während der wuseligen Sommermonate, wenn die Sonnenhungrigen von jenseits der Alpen in Völkerwanderungsstärke in Städtchen und auf Campingplätzen rund um den Lago einfallen, sondern eben auch außerhalb der Saison will Direktor Antonio Polesel sein Fünf-Sterne-Haus offen halten.

Ein ehrgeiziger Plan. Denn Riva del Garda gilt nicht gerade als Destination für Menschen, die sich Luxus leisten wollen. Sportler lieben die Gegend, Mountainbiker, die sich über die schmalen Bergstraßen quälen wollen, Surfer, die zu Hunderten ausschwärmen, wenn mittags die „Ora“ kommt, der scharfe Wind aus Süden, der durch die geografischen Gegebenheiten der Region begünstigt wird. Vor Millionen Jahren, als sich die Adria noch als subtropisches Meer bis hierher ausdehnte, wuchsen die heute so imposanten, nahezu senkrecht aufragenden Felsen durch Kalkablagerungen empor. Dann kam die Eiszeit – und als die Gletscher schmolzen, blieb der bis zu 350 Meter tiefe See zurück, vom Mittelmeer abgetrennt durch die enormen Geröllmassen, die das Wasser mit sich führte.

Erst in der Opern-Arena in überbordenden Gefühlen schwelgen, dann die schroffe Bergwelt des Trentino genießen, erst durch Veronas Gassen schlendern, venezianische Baumeisterkunst bewundern, dann staunend die starken österreichischen Architektur-Einflüsse in Riva del Garda erkunden – daraus lässt sich schon ein italienischer Sommernachtstraum machen.

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