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Augen geradeaus, mal nicht nach Leckerli links und rechts des Weges schauen. Im Weinberg gibt’s schließlich auch was zu lernen.
© Dirk Wegner

Schwarzwald: Gratwanderung auf Genießerpfaden

Kulinarische Verlockungen lauern allerorten im Schwarzwald, selbst entlang der Spazierwege.

Der Wirt vom Spinnerhof speit Feuer. Eine mächtige Stichflamme schießt aus seinem Mund. Rudolf Renner zeigt, wozu er und sein 74-prozentiges Kirschwasser fähig sind. Der Pfeil am Wegrand hatte die Erlebnisbrennerei „Teufelsküch’ “ schon angekündigt. Nun weichen selbst die ganz Neugierigen vor dem Höllenzauber einen Meter zurück. Doch es geht gefahrlos weiter. Zur Versöhnung serviert Brenner Renner den Gästen seinen Kirschbrand mit Quellwasser auf Trinkstärke herabgesetzt, mehr zur Verdauung, nicht zum Flambieren.

Hoch über Sasbachwalden reicht der Blick über rebenbewachsene Schwarzwaldhänge bis tief nach Frankreich hinein. In der Ferne ist der eigentlich gar nicht so winzige Turm des Straßburger Münsters als Miniatur zu erkennen. „Früher fuhren wir hinüber ins Elsass, um gut zu essen, heute kommen die Franzosen zu uns“, erzählt Alexander Trauthwein, Kurgeschäftsführer des Ortes.

Auswahl haben sie genug. Allein in Sasbachwalden gibt es bei gut 2300 Einwohnern 23 gastronomische Betriebe, einer pro 100 Einwohner. Da ist viel kulinarische Abwechslung im Angebot: von der urigen Wein- und Vesperstube über das gutbürgerliche Landgasthaus bis hin zum Stern gekrönten Spitzenrestaurant. Der Schwarzwaldort ruft geradezu zum „Genießen“ auf. Dafür wird die Talstraße, die unten im Ort beginnt und ganz folgerichtig oben als Bergstraße endet, mal eben als „Badischen Genussmeile“ bezeichnet.

Der Alde-Gott-Panoramaweg verführt mit XXL-Kirschtorten

Genießen soll der Gast in dem Mittelgebirge aber nicht nur beim Essen, sondern auch, wenn er anschließend, oder wann auch immer, seine Spaziergänge macht. So könnten die zahlreichen „Schwarzwälder Genießerpfade“ glatt als Wiedergutmachung schwer zu widerstehender Schlemmerei verstanden werden. Einer von ihnen, der 13 Kilometer lange Alde-Gott-Panoramaweg, führt rund um Sasbachwalden. Ihn wenigstens einmal zu gehen ist die sportliche Buße für die kalorienreichen Sünden, zu denen der Ort seine Besucher nicht nur mit XXL-Kirschtorten verführt.

Gleich mittags beginnt der Wirt des Restaurant Engel mit dieser Verführung. Er empfiehlt gegrilltes „Schäufele Filet“ vom Pata Negra Schwein auf provenzalischem Gemüse mit Kartoffelkrapfen. Dazu passe ein Glas trockener Grauburgunder. „Früher wurde in der Region meistens halbtrocken getrunken“, erinnert Trauthwein. „Heute allerdings doch eher trocken.“

Wo hier Genuss angesagt ist, gehört neben einem Spitzenessen eben auch ein Premiumwanderweg. Nach den Kriterien des Deutschen Wanderinstituts ist das eine „möglichst erdige und grasige Wegstrecke“, davon höchstens 15 Prozent Asphalt, eine nutzerfreundliche Markierung und ein „unberührtes, abwechslungsreiches Landschaftsbild“.

Vom Spinnerhof in die Weinhänge hinein

Alles vorhanden in Sasbachwalden, gleich hinter dem Kurhaus. Unfehlbar ausgeschildert geht es durch eine Schlucht, in der der Brandbach zwischen Moos bewachsenen Granitblöcken zu Tal tanzt und rauscht, hinauf zu den Gaishöll-Wasserfällen. Dreizehn Holzbrücken sind auf 150 Höhenmetern zu überqueren. Oben haben sich die ersten Kalorien vom Schäufele bereits in Körperwärme verwandelt. Erst einmal die Jacke öffnen und tief durchatmen. Da wäre Rudolf Renners Feuerzauber gar nicht nötig gewesen.

Vom Spinnerhof führt der Weg durch Streuobstwiesen, vorbei an alten Quittenbäumen, direkt in die Weinhänge hinein. Auch der zugewucherte alte Postweg mit seinen schönen Ausblicken auf die Rheinebene und die Vogesen wurde als Teil des jüngsten Genießerpfads wieder freigelegt.

Ach herrjeh, bald steht unter Obstbäumen der erste „Schnapsbrunnen“ am Wegrand. Wer der Verdauung nachhelfen will: 80 Cent kostet ein Stamperl vom lokalen Obstbrand. Das Geld bitte in die „Kasse des Vertrauens“. Danke! Allein rund um Sasbachwalden wachsen acht- bis zehntausend Bäume mit den kleinen, dunklen Süßkirschen, allein für Herstellung von Schwarzwälder Kirschwasser.

65 Euro für ein „Dinner Jumping“

Auf dem zweiten Teil der Panoramarunde wird’s geschichtlich. Der Dreißigjährige Krieg hatte den Schwarzwald nahezu entvölkert, erläutert eine Info- Tafel. Als ein Heimkehrer in dieser Ödnis einem Mädchen begegnet sei, soll er über diese menschliche Begegnung sein Gottvertrauen wiedergefunden und gerufen haben: „Der Alde Gott lebt noch!“ „Alde Gott“ heißt seitdem in der Ortschaft eine ganze Weinberglage, durch die der Weg ins Tal führt.

Wer glaubt, ein Tagesprogramm aus Schlemmen und Spazierengehen ließe sich nicht weiter verdichten, sieht sich getäuscht. Im Ort lässt sich nämlich für 65 Euro ein abendliches „Dinner Jumping“ buchen. Dabei werden die erforderlichen Bewegungsmomente zwischen den Menü-Gängen gern in Kauf genommen. Also für die Vorspeise vielleicht im Gasthaus Holzwurm Platz nehmen, den Zwischengang im Restaurant Fässlewirt essen, für den Hauptgang ins Hotel Engel schlendern und das Dessert im Hotel Talmühle genießen. Auf diese Weise lassen sich vier Stunden mit kulinarischen Überraschungen füllen.

Zeit für etwas Nachtruhe. Wer mag, kann sich dazu in einem Weinfass ausstrecken. Auf dem Hofgut Wild wurden Weinfässer für Übernachtungen aufgestellt. So entstanden im Weinberg Quartiere, die etwas an das Auenland der Hobbits erinnern. Mit einem Riesling zur Entspannung kann man ins Tal blicken, während in der Ferne Frankreich seine Abendlichter anknipst.

Dirk Wegner

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