Kreuzfahrtvorurteile: Ein Meer voller Klischees
Was Kreuzfahrtanfänger auf See befürchten – und warum an Bord vieles ganz anders ist.
Teuer, langweilig und nur etwas für Rentner? Um den Urlaub auf hoher See ranken sich noch immer Vorurteile. Dabei werden Kreuzfahrten immer beliebter und sind derzeit die am stärksten wachsende Reiseform. Im vergangenen Jahr haben die Deutschen laut einer GfK-Studie bereits mehr als 1,2 Milliarden Euro für Kreuzfahrten ausgegeben, für die kommenden drei Jahre prognostizieren die Marktforscher eine Steigerung der Angebotskapazitäten um mehr als 40 Prozent. Zeit, um mit gewissen Vorurteilen aufzuräumen und zu schauen, wo sie vielleicht doch zutreffen: Für Kreuzfahrtneulinge, die planen, das erste Mal an Bord zu gehen, und auch für gestandene „Seefahrer“ stellen wir die gängigsten Kreuzfahrtklischees vor und klären, wie viel Wahrheit wirklich dahintersteckt.
SCHWIMMENDE ALTERSHEIME
Schiffsreisen sind nur etwas für Ruheständler! Nun, ganz so ist es nicht, obwohl ein erklecklicher Teil der Passagiere im fortgeschrittenen Alter ist. Doch der Mix an Bord hat sich in den vergangenen zehn Jahren erheblich verändert, das klassische Kreuzfahrtstereotyp ist überholt. Reisen im Zeichen von Heavy Metal, SM oder Harry Potter sprechen explizit die jüngere Klientel an und sorgen für ein stetig sinkendes Durchschnittsalter auf See. Bei Kunden von Dreamlines, Ehoi und anderen auf Seereisen spezialisierten Internetportalen liegt dieses derzeit unterhalb von 50 Jahren – mit Variationen je nach Schiff und Reederei. Während sich die Reisen von Tui Cruises an eher jüngere beziehungsweise jung gebliebene Paare richten, sind beispielsweise die Angebote von MSC, Costa oder Disney stärker auf Familien zugeschnitten. Allerdings gibt es inzwischen den Trend bei vielen Reedern, den Aufenthalt auf ihren Schiffen auch für Kinder unterhaltsam und interessant zu gestalten. Denn bei den Unterkünften auf See gilt wie bei Hotels: Gefällt es den Kleinen, sind in der Regel auch die Eltern beziehungsweise die mitreisenden Großeltern zufrieden.
DICKMACHER
Der Kreuzfahrtgast ist unbeweglich und lässt keine Mahlzeit aus! Das Klischee des Touristen, der sich ausgiebig am All-inclusive-Büfett bedient, ist nicht so einfach zu entkräften. Schließlich stehen die kulinarischen Verlockungen zu nahezu allen Tages- und Nachtzeiten bereit. Gleichwohl: Der Passagier hat seine Chancen. Zum einen ist es keineswegs Pflicht, täglich mehrgängige Menüs zu vertilgen, zum anderen ist nicht bekannt, dass jemals zu wenig Grünzeug oder andere kalorienarme Kost auf einem Kreuzfahrtschiff im Angebot war. Die Tagesprogramme der modernen Schiffe weisen zudem zahlreiche Angebote auf, wie einer außergewöhnlichen Kalorienzufuhr begegnet werden kann: Fitnessstudios mit Laufbändern und Fahrrädern, kleine Muckibuden, oft eine Laufbahn auf dem Oberdeck – es liegt am Gast, ob er isst, ruht und dann über zusätzlichen Speck klagt oder ob er ausgiebig genießt, jedoch die zugeführte Energie wieder verbrennt und sich entsprechend wohler fühlt. Auf den Schiffen von Reedereien wie Royal Caribbean International können sich Passagiere sogar auf der Eislaufbahn, beim Basketball oder an der Kletterwand austoben.
NUR FÜR REICHE
Eine Seereise kann sich nur erlauben, wer richtig viel im Lotto gewonnen hat oder sonst wie im Geld schwimmt! Nicht ganz. Die Angebotspalette bei Schiffsreisen auf Fluss oder Hochsee erstreckt sich wie bei Autos oder Hotels von Low Cost bis Luxus. Einen dreitägigen Kurztrip von Kiel nach Oslo auf der „Color Magic“ gibt es ab 79 Euro, die einwöchige Mittelmeerkreuzfahrt oft für wenige hundert Euro. Andererseits: Eine der aktuell teuersten Kreuzfahrten im Angebot, eine 142-tägige Weltreise mit der „Europa“, kostet ab 56 751 Euro pro Person; wer in der Penthousesuite dieselbe Reise antritt, wird gar um 133 481 Euro – pro Nase – erleichtert. Durchschnittlich geben Kreuzfahrer etwa bei Dreamlines.de 875 Euro pro Person bei einer Reisedauer von neun Tagen aus. Da Kreuzfahrten meist Vollverpflegung beinhalten, entspricht ihr Leistungsumfang etwa dem von All-inclusive-Pauschalreisen – und preislich bewegen sich diese Reiseformen abhängig vom Standard auf ähnlichem Niveau. Ein sich weiterhin verschärfender Wettbewerb zumal sorgt dafür, dass auch Reisende mit kleinerem Geldbeutel in See stechen können.
GROßE LANGEWEILE
Spätestens am dritten Tag wird es öde an Bord! Viele Kreuzfahrtneulinge befürchten Monotonie im Urlaub. Dabei legen Schiffe nahezu täglich in einem anderen Hafen an, und Gäste haben die Wahl zwischen individuellen Erkundungen sowie von der Reederei vermittelten Ausflügen. Oft können sie sich sogar ihre eigene Tour an Land vom Concierge zusammenstellen lassen, so dass beispielsweise ein Taxi im Hafen wartet und sie zum gewünschten Ausflugsziel bringt. Und wenn zwischendurch ein Tag auf See ansteht, ist vorgesorgt: Neben Fitnessangebot und Unterhaltungsprogramm mit Shows können die Passagiere auch den Geist anregen – bei Kreativprogrammen, Lesungen oder in der schiffseigenen Bibliothek. Selbst wer also ein Problem damit hat, sich selbst zu beschäftigen, muss einen Mangel an Anregungen und Mitmachmöglichkeiten nicht fürchten.
„TRAUMSCHIFF“-ROMANTIK
Auf den großen Schiffen gibt es keine Seefahrtromantik mehr! Wer darauf Wert legt und sich ein kleines Faible für Kitsch bewahrt hat, wird auf einer Schiffsreise kaum enttäuscht: Salz in der Luft, Wind um und Wellenrauschen auf den Ohren, Meer, so weit das Auge reicht, oder traumhafte Sonnenuntergänge bei einem Glas Sekt an der Reling sind durchaus dazu angetan, auch Romantikmuffel in beseelte Stimmung zu versetzen. Und zur Beruhigung: Auf manchen Schiffen wird auch noch das „Captain’s Dinner“ so inbrünstig zelebriert, dass es doch viele Gäste immer wieder zu Tränen rührt.
SINGLES VEREINSAMEN AN BORD
Kreuzfahrten sind nur etwas für Paare! Ob Alleinstehende, die etwa zehn Prozent aller Kreuzfahrtbucher ausmachen, beim Ausflug auf einer einsamen Südsee- insel ihren Partner fürs Leben kennenlernen, sei dahingestellt. Wer jedoch einigermaßen kommunikativ ist, wird sich an Bord pudelwohl fühlen. Denn nirgendwo ist die Chance größer als auf einem Kreuzfahrtschiff, andere, oft interessante Menschen zu treffen. Wer nicht nur Abwechslung und Anregungen, sondern tatsächlich einen Partner sucht, wird sich möglicherweise gar für eine der speziellen Singlekreuzfahrten entscheiden.
ALLES FÄHRT IN DEN SÜDEN
Kreuzfahrten führen vornehmlich in Regionen, wo es heiß ist! Völlig falsch. Auch wenn das klassische Kreuzfahrtbild in den Köpfen der Menschen meist ein exotisches Karibikmotiv mit Palmen an feinen weißen Stränden ist, werden Nordlandtouren immer beliebter. Sehr gefragte Routen gen Nord führen beispielsweise entlang der norwegischen Küste, durch Inselwelten wie die Lofoten oder in mächtige Fjorde hinein und bis zum Ziel Nordkap. Eher Expeditionscharakter weisen Fahrten in die Arktis, nach Grönland oder Alaska auf. Und die norwegische Inselgruppe Svalbard mit der Hauptinsel Spitzbergen hat sich in den vergangenen Jahren gar zu einem „heißen“ Tipp entwickelt, nicht zuletzt, weil dort die Chance relativ groß ist, Eisbären in freier Wildbahn zu sehen.
IMMER IN SCHALE WERFEN
Ich will mich nicht jeden Tag verkleiden! Keine Sorge, der Smoking gehört nicht mehr zur Pflichtausstattung ins Kreuzfahrergepäck. Tatsächlich ist bei manchen traditionellen Reedereien zwar noch „Abendgarderobe“ erwünscht, das ist jedoch die Ausnahme. Auf den meisten Schiffen ist legere Freizeitkleidung völlig ausreichend, wenn man nicht gerade zum (selten gewordenen) „Captain’s Dinner“ eingeladen ist. Das legere Flair herrscht insbesondere auf Schiffen vor, die jüngere Gäste und Familien ansprechen. Die Reedereien informieren in der Regel ihre Gäste vorab, ob es einen oder gar mehrere Galaabende an Bord mit entsprechendem Dresscode gibt. Doch auch dem kann der Gast meist entgehen, indem er stattdessen in einem legeren Büfettrestaurant speist.
LANDAUSFLÜGE SIND NEPP
Da zahle ich viel Geld für nix! Tatsächlich, an den Landausflügen in den Häfen dieser Welt scheiden sich die Geister. Während die einen glauben, nach einer geführten Halbtagestour auf Kuba hätten sie vom Bus aus die Insel kennengelernt, sind sich andere nach dieser Erfahrung sicher, dass ihnen nur das Geld aus der Tasche gezogen worden ist. Der lokale Reiseleiter mit seinem schlechten Englisch oder noch miserableren Deutsch war eine Zumutung, das Mittagessen in einer abseits gelegenen Abfütterungsstation für eine ganze Reihe von Ausflugsbussen erwies sich als Katastrophe und die Zeit, sich intensiv an bestimmten Punkten umzusehen, einfach zu knapp bemessen. „Es gibt keinen Programmpunkt bei einer Kreuzfahrt, der so viel Kritik auslöst wie die Ausflüge“, durften wir mal von Richard J. Vogel erfahren, früher Geschäftsführer bei Aida, heute bei Tui Cruises. Es sei schon ein Kreuz mit den Exkursionen, weil eine Qualitätskontrolle vonseiten der Reederei quasi unmöglich sei. Kein Reeder könne in allen Häfen eine eigene Agentur unterhalten, um für qualitativ gute Ausflüge zu garantieren. Alle seien auf lokale Anbieter angewiesen, die eben vielfach leider auch gleich schlecht seien. „Hier können wir immer nur mahnen, drohen hilft gar nicht, und ein Druckmittel fehlt uns auch.“ Was bleibt? Wem es eben möglich ist, sollte seinen Ausflug , vielleicht mit anderen Passagieren, selbst organisieren.
SEEKRANKHEIT
Auf Schiffen wird man seekrank! Kommt drauf an. Auf Segelbooten und kleineren Ausflugsdampfern kann auch schon leichter Seegang für manchen zur Qual werden. Die großen Pötte schippern jedoch dank neuester Technologie so ruhig über das Wasser, dass die Gäste fast vergessen, dass sie sich auf einem Schiff befinden. Wer extrem zu Seekrankheit neigt, kann bei der Kabinenwahl schon etwas vorbeugen: Am wenigsten schaukelt es in der Mitte des Schiffs und auf den unteren Decks. Einiges über Wind und Wellen sagt auch die Streckenwahl der Reise aus: Je näher ein Schiff an Land fährt, desto weniger schwankt es in der Regel. Werden zwischen den Häfen große Strecken zurückgelegt, insbesondere bei Inseltörns oder Überfahrten, geht es oft wellenreicher zu.
MASSENVERANSTALTUNGEN
Auf den Schiffen sind einfach zu viele Menschen! Das lässt sich so sehen. Immerhin können auf der „Allure of the Seas“ 5400 Passagiere mitfahren. Und auch wenn in den meist geschickt angeordneten öffentlichen Bereichen im Prinzip ausreichend Platz für jeden ist, mancher wird einen Schreck bekommen, wenn er an Hafentagen über die Reling schaut und sich eine Armada von 50 und mehr Bussen aufgereiht hat. Doch Größe stört nicht jeden. Und wer es überschaubarer liebt: Es sind genügend Schiffe, die mit lediglich 400 Gästen oder weniger an Bord unterwegs sind. Mehr Platz gibt es dort zwar nicht, nur das Gefühl ist eben ein anderes.
Ahoi!
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