Schmutzige Schifffahrt: Die Zukunft schwimmt sauber
Das Thema Klimawandel beschäftigt längst auch Reedereien. Was ihre Pläne bringen, ist umstritten.
So ein Kreuzfahrtschiff ist eine schwimmende Stadt: Auf der „Aida Sol“ zum Beispiel können gleichzeitig mehr als 2500 Gäste wohnen, rund 600 Besatzungsmitglieder kümmern sich Tag und Nacht um sie. Der Antrieb der Schiffe verschlingt genauso viel Energie wie der Betrieb auf dem Schiff: Klimaanlagen, Fahrstühle, Beleuchtung, aber auch die Wellness-, Sport- und Restaurantbereiche: All das ist sehr energieintensiv. Und enorm klimaschädlich, wie der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) kritisiert. Er hat die Kreuzfahrtschiffe mit seiner Kampagne „Mir stinkt’s!“ ins Visier genommen. Der Umweltverband fordert, endlich die Verbrennung von Schweröl zu beenden. Denn Schweröl sei ein giftiger Abfallstoff, den die Schiffe auf See kostengünstig entsorgten. „Das sind schwimmende Müllverbrennungsanlagen“, kritisiert Dietmar Oeliger, Referent beim Nabu.
Wer Schweröl verbrennt, stößt Schwefel, Stickoxide und Rußpartikel aus; im Jahr 2000 waren das nach Angaben der Umweltschutzorganisation allein in Europa etwa 2,3 Millionen Tonnen Schwefeloxid und 3,3 Millionen Stickstoffoxid. Sie schaden der Gesundheit und dem Klima gleichermaßen. Wenn sich Rußpartikel an Nord- und Südpol auf dem Eis ablagern, beschleunigen sie die Erwärmung. Das Eis taut. Einer Untersuchung des amerikanischen Nasa Goddard Institute for Space Studies zufolge sollen Rußpartikel, die in Antarktis und Arktis geweht werden, die Ursache für bis zu fünfzig Prozent der klimatischen Veränderungen in diesen Regionen sein.
Die Kampagne rückt das Problem der schmutzigen Schifffahrt in die öffentliche Wahrnehmung. Reedereien werben schließlich mit unberührten Landschaften für ihre Zielgebiete und kristallklarem Wasser, auf dem ihre Schiffe fahren – sie können es sich nicht erlauben, als Dreckschleudern wahrgenommen zu werden.
Den Verantwortlichen ist die Problematik offenbar bewusst. Tui Cruises heuerte mit Lucienne Damm eine „Environmental Managerin“ an. Sie war zuvor Referentin für Nachhaltigkeit beim Nabu, ihr Wechsel ein Coup der Reederei. Einige Monate später schuf Aida Cruises einen ähnlichen Posten: Monika Griefahn, ehemalige Greenpeace-Aktivistin und in den 90er Jahren Umweltministerin in Niedersachsen, ist seit dem vergangenen Mai als „Chief Sustainability Officer“ bei der Reederei zuständig für den Umweltschutz.
Was hat sie seitdem konkret bewirken können? Sie sei aktuell mit der „Bestandsaufnahme“ beschäftigt, sagt sie. Ihre Kollegin Damm wird kaum konkreter, auch bei ihr fällt das Wort „Bestandsaufnahme“. Tui Cruises will erst im kommenden Jahr einen Umweltbericht veröffentlichen, in dem das Unternehmen darlegt, wo es steht und wo es hin will.
Reedereien werfen sich grüne Mäntelchen über
Immerhin sind die Antriebssysteme und der Treibstoff nicht die einzige Baustelle der Reedereien weltweit. Zur Nachhaltigkeit gehört auch alles, was auf dem Schiff passiert, vom Wasserverbrauch über die Müllaufbereitung bis hin zu den Leuchtmitteln. Die Ausbildung der Mitarbeiter steht zumindest bei den deutschen Reedereien auf der Agenda: Bei Aida absolviert jedes neue Crewmitglied ein spezielles Umwelttraining zum richtigen Umgang mit Ressourcen, Abwasser und Müll.
Es sei ja löblich, dass heutzutage der Müll nicht mehr in der Dämmerung über Bord gekippt werde, meint Axel Friedrich dazu, Verkehrsberater und ehemaliger Abteilungsleiter im Umweltbundesamt für Verkehr und Lärm. Aber das seien doch bloß hilflose Reaktionen auf die Forderungen, „Placebos“ eben. Das Einzige, was tatsächlich helfe: „Den Antrieb der Schiffe sauberer machen.“
Grüne Mäntelchen werfen sich Reedereien bereits heute über. So wirbt Tui Cruises etwa auf seiner Homepage unter dem Punkt „Klimaschutz und Emissionsminderung“ damit, auf den Routen der Ostsee Treibstoff mit maximal einem Prozent Schwefelanteil einzusetzen. Das aber ist längst geltendes Gesetz – denn Nord- und Ostsee sind seit 2010 „Emission Control Areas“, Umweltzonen sozusagen. Der zulässige Höchstwert für den Schwefelanteil seitdem: ein Prozent.
Derzeit versuchen Reedereien vornehmlich, die Emissionen durch die Reduktion des Treibstoffverbrauchs zu mindern. So trägt bei Aida beispielsweise ein spezieller Silikonanstrich der Schiffe dazu bei, den Treibstoffverbrauch auf drei Liter pro Passagier zu reduzieren. Ein Teil dieser Ersparnis erklärt sich allerdings durch die erhöhte Kapazität der Schiffe: Die „Aida Cara“, 1996 in Dienst gestellt, bietet knapp 600 Kabinen, alle Schiffe ab 2007 haben aber mehr als 1000 Kabinen. Von 2015 an soll auch eine neue Technik zur Anwendung kommen, bei dem das Schiff auf einer Art Blasenteppich – winzige Luftbläschen am Rumpf – gleitet, um so die Reibung und folglich den Treibstoffverbrauch zu reduzieren.
Auch Tui Cruises verwendet die speziellen Anstriche. Zusätzlich haben die beiden Schiffe des Unternehmens einen „Entenschwanz“ am Heck, der zwar viele Tonnen wiegt, jedoch hohl ist und so für mehr Auftrieb sorgt und den Strömungswiderstand verringert. Es wird zudem – wie die Schiffe aller Kreuzfahrtreedereien – so treibstoffsparend wie möglich gefahren, Routen werden so geplant, dass unnötige Umwege vermieden werden. Diese Anweisungen nützen zwar der Umwelt, schlagen sich allerdings auch nicht zuletzt positiv auf der Kostenseite nieder.
Der Markt ist noch nicht auf Nachhaltigkeit eingestellt
Was die Reedereien in Sachen alternativer Antriebe unternehmen, wirkt hingegen eher unkoordiniert. Es wird viel mit verschiedenen Techniken experimentiert, doch nichts ist bisher alltagstauglich zu nennen. So erprobt Aida derzeit den Prototypen eines schwimmenden Gaskraftwerks, das das Schiff zumindest im Hafen mit Energie versorgt. Der von den im Hafen laufenden Hilfsmaschinen verbrannte Treibstoff stößt bisher Stickoxide und Kohlendioxid in die Luft, Rußpartikel beeinträchtigen Anwohner. „Wir wollen unsere Schiffe vom Sommer oder Herbst 2013 an im Hafen umweltfreundlich mit Strom versorgen“, heißt es bei Aida. Eine Lösung für das Problem auf See ist das allerdings nicht.
Am Problem Landstrom wird seit einiger Zeit gearbeitet. Um allerdings ein großes Kreuzfahrtschiff im Hafen mit Strom aus einem regulären Kraftwerk zu versorgen, fehlt bisher nicht nur die notwendige Infrastruktur, sprich Zuleitung. Oft reichen auch die Kapazitäten nicht aus, wenn eine oder gar mehrere „schwimmende Kleinstädte“ anlegen und mit Energie versorgt werden wollen.
Etwas handfester wird es dann aber doch noch bei Aida – zumindest für die Zukunft. Bisher umfasst deren Flotte neun Schiffe, im Frühjahr 2013 wird ein weiteres Schiff in den Dienst gestellt. Sie alle laufen noch mit herkömmlichen Antriebsmaschinen und werden dort, wo es nach wie vor erlaubt ist, das Abfallprodukt Schweröl verbrennen. Erst 2015 und 2016 werden zwei weitere Schiffe der Aida-Flotte hinzugefügt, die über einen sogenannten Dual-Fuel-Antrieb verfügen. Diese Maschinen können sowohl Schiffsdiesel und auch das etwas emissionsärmere Flüssiggas als Treibstoff nutzen. „Ich kann mir vorstellen, dass wir in zehn bis fünfzehn Jahren vollständig nachhaltige Antriebstechniken haben werden“, sagt Griefahn.
Dabei ist der Markt aber noch gar nicht auf solche Nachhaltigkeit eingestellt. Würden die Reedereien nur allein für ihre Kreuzfahrtschiffe – die weltweit etwa fünf Prozent aller kommerziell genutzten Schiffe ausmachen – ab sofort ausschließlich Schiffsdiesel statt Schweröl verfeuern, gäbe es massive Engpässe. Dabei wäre die Umstellung insbesondere für Kreuzfahrtschiffe sinnvoll. Sie sind zwar nur ein kleiner Teil der Schiffe, die auf den Weltmeeren unterwegs sind, sagt Verkehrsberater Friedrich. „Doch Kreuzfahrtschiffe bleiben, anders als Handelsschiffe, in Küstennähe und liegen in den Häfen oft mitten in der Stadt.“
Monika Griefahn erwartet, dass künftig Flüssiggas das Schweröl und auch den Schiffsdiesel verdrängen wird. „In Abhängigkeit von der jeweiligen lokalen Verfügbarkeit“, wie sie einschränkt. Das Gas sei zwar verträglicher als Schweröl, erwidert Nabu-Experte Oeliger. „Aber richtig nachhaltig ist das nicht.“ Er teilt Griefahns Optimismus nicht: „Da ist noch nichts in Sicht“, meint er.