Bergbauern in Äthiopien bauen eine Lodge: Der Traum vom Tourismus
Am Mount Damota im Süden Äthiopiens ist der Wald zurückgekehrt. Jetzt haben Menschen genug zu essen und können Pläne für die Zukunft machen.
Ist das wirklich Afrika? Rotbunte Kühe grasen auf saftig grünen Almen, die kühle Luft riecht angenehm würzig, ein Bergbach sprudelt, und Schmetterlinge flattern umher. Die Bergregion, die an die Schweiz oder Österreich erinnert, befindet sich in Wirklichkeit im Hochland Äthiopiens. Das Städtchen Sodo am Fuße des Mount Damota liegt schon auf 1600 Metern. Von dort führt eine Serpentinenstraße, gebaut von den Bauern aus der Umgebung, hinauf zu den Bergwiesen.
Dort oben soll eine Lodge entstehen, in der Touristen wohnen können. Das große Projekt der kleinen Gemeinschaft von fünf landwirtschaftlichen Kooperativen soll den Menschen ein zusätzliches Einkommen bescheren. Immerhin: In der Scheune am Stützpunkt der Kooperative stapeln sich prall gefüllte Maissäcke, das Vieh ist gut genährt. Keine Selbstverständlichkeit im Äthiopien dieser Tage. Große Teile des Landes werden von einer Dürre heimgesucht, eine Folge des Wetterphänomens El Niño.
„Bei uns kommt die Regenzeit bisher immer pünktlich“, sagt Berata Bassa, Chef der Kooperative. Dürren wie im Tiefland kennt man in Sodo nicht. Doch weil viel zu viele Bäume gefällt worden waren, gab es früher oft Erdrutsche am Berg. Anderswo in der Region sieht man die Folgen der Entwaldung deutlich: Wenn nach der Trockenzeit wieder Regen fällt, reißt das Wasser die Erde fort und spült tiefe Rinnen aus.
Mit dem Wald kehrten wundersamerweise auch die Quellen zurück
Auch am Mount Damota waren die Bergrücken schon ganz kahl. Doch inzwischen ist wieder ein Wald gewachsen. Seit zehn Jahren arbeiten die Bauern hier nach einer Methode, die Farmer Managed Natural Reforestation heißt. Dabei werden die Schösslinge der im Boden gebliebenen Wurzeln eine Weile gehegt und gepflegt. So kann sich der Wald schnell wieder regenerieren.
Jetzt wächst wieder Gras für die Tiere, und es gibt genügend Brennholz, das die Frauen zum Kochen brauchen. Sie haben es jetzt auch nicht mehr weit, um Wasser für ihre Familien zu holen, denn mit dem Wald kehrten wundersamerweise auch die Quellen zurück. „Früher mussten wir immer nachts zum Fluss gehen, weil die Leute dort tagsüber Wäsche gewaschen haben und wir kein sauberes Wasser bekommen konnten“, erzählt die 28-jährige Legesech Debolah. Nun holt sie das Wasser an der Quelle. Ein Blatt steckt im Erdreich und leitet das erfrischend kühle Nass heraus.
Oberhalb der Quelle hat die Gemeinschaft schon zwei Rundhütten gebaut. Drinnen fühlt man sich wie in Abrahams Schoß. Das Flechtwerk an den Wänden und die dicken Mauern aus Lehm und Stroh schaffen eine kompakte Akustik, die sofort beruhigend wirkt. Die Häuschen der Einheimischen dagegen sind heute meist mit Wellblech gedeckt. Zum Bau wird Eucalyptus verwendet. Die einst aus Australien eingeführte Art gedeiht überall prächtig und die langen dünnen Stämme werden in der boomenden Hauptstadt Addis Abeba für den Gerüstbau eingesetzt.
Doch der Eucalyptus hilft nicht gegen die Erosion, denn er sondert ein natürliches Herbizid ab, das Bewuchs unter den Bäumen verhindert. In Sodo setzen die Bauern deshalb auf heimische Arten, die sie in einer Baumschule selbst gezogen haben.
"Wenn die Grundbedürfnisse gestillt sind, fangen die Menschen an zu träumen"
Was die Lodge angeht, arbeiten sie jetzt an Schritt eins ihres Plans, berichtet Berata Bassa. Bis zum Herbst soll eine der beiden Rundhütten zur Rezeption werden, die andere ein Café beherbergen. Draußen soll dann ein Campingplatz entstehen, der Naturtouristen oder Ornithologen Übernachtungsmöglichkeiten bietet. Die Region ist bekannt für ihre artenreiche Vogelwelt. Auch viele Säugetiere fühlen sich wohl im Wald: Warzenschweine und Dikdiks, eine Zwergantilopenart, Stachelschweine und sogar der Leopard. Keine Angst, die Raubkatze geht Menschen normalerweise aus dem Weg.
Im zweiten Schritt des Projektes sollen noch mehr traditionelle Hütten mit Übernachtungsmöglichkeiten entstehen, sagt Berata Bassa. Nicht nur von der Art, wie sie hier vom Volk der Wolayta gebaut werden, sondern auch typische Gebäude der Oromo, die rings um die Hauptstadt Addis Abeba siedeln oder der Amhara aus dem Norden des Landes. Über 100 Arbeitsplätze werden am Ende mit der Lodge geschaffen, hofft Berata Bassa.
„Wenn die Grundbedürfnisse gestillt sind, fangen die Menschen an zu träumen“, sagt Silvia Holten von der Kinderhilfsorganisation World Vision, die das Wiederaufforstungsprojekt finanzierte. Demnächst will sich World Vision aus dem Projekt zurückziehen. Am Mount Damota sorgen die Einheimischen jetzt für den Wald und der Wald sorgt für sie.
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