Trier: Der Kaiser im Portemonnaie
Die Konstantin-Ausstellung in Trier bietet Wissenswertes – und erstaunliche Souvenirs. Liebhaber kaufen römische Scherben und antike Münzen.
Bernd Haubrich steht vor einem Scherbenhaufen. Mit verschränkten Armen denkt der Trierer über eine passende Antwort nach. Haben sich seine Erwartungen an die große Konstantin-Ausstellung erfüllt, haben ihm Kunden die römischen Münzen mit dem Konstantin-Konterfei aus den Händen gerissen? „Ach was“, grummelt der Antiquitätenhändler, „so wild ist es nicht.“ Enthusiasmus ist nicht Haubrichs Sache, womit er sich im Einklang mit den meisten Trierern befindet. Wer hier geboren wurde, neigt nicht zu Begeisterungsstürmen.
Dabei hätte der Mann allen Grund zu Optimismus gehabt, bietet er doch in seinem kleinen Laden in der Palaststraße römische Scherben und original antike Münzen feil. Weil die römischen Geldstücke obendrein Konstantins Konterfei zeigen, sprach einiges dafür, dass Haubrich zu den Gewinnern der bis November gezeigten Ausstellung zählen würde. Im vergangenen Herbst habe er mehr „Konstantine“ verkauft als seit Beginn der Ausstellung. „Damals hatte ich diese Münzen als einziger. Jetzt gibt’s sogar welche bei C & A. Da weiß ich aber nicht, wo die herkommen“, sagt der Antiquitätenhändler und wiegt bedenklich den Kopf.
Garantiert original sind die rund 1400 Exponate, die in der Ausstellung gezeigt werden. Aus mehr als 160 Museen, darunter den Vatikanischen in Rom, dem Pariser Louvre sowie dem British Museum in London, fanden sie den Weg in Deutschlands älteste Stadt. Auch werden neuere Funde aus dem antiken Trier ausgestellt, die nie zuvor zu sehen waren.
Seit Anfang Juni dreht sich in Trier alles um jenen römischen Imperator, der die Moselstadt Anfang des 4. Jahrhunderts zu seiner Residenz erkor und so zu neuer Blüte verhalf. Wer sich einen Eindruck von der Bedeutung der alten Augusta Treverorum, die vermutlich um 17 vor Christi Geburt gegründet wurde, verschaffen will, sollte nur einmal die evangelische „Kirche zum Erlöser“ betreten, besser bekannt als „Konstantin-Basilika“. Mehr als 33 Meter Höhe und 67 Meter Länge misst dieser größte Einzelraum der Antike nördlich der Alpen, der in seinen Dimensionen vergleichbar ist mit dem Pantheon in Rom. Konstantin diente sie als Thronsaal, und wer ihn betritt, wird schier erschlagen von der Wucht des säulenlosen Raumes.
Dennoch fällt es schwer sich vorzustellen, dass ein weiteres, nicht minder imposantes Gebäude in der Basilika Platz finden würde: Die zehn Fußminuten entfernte Porta Nigra, das besterhaltene Stadttor aus römischer Zeit, ließe sich in dem Saal mühelos unterbringen.
Kaum hatten die Truppen nach dem Tod Constantius‘ im Jahr 306 dessen Sohn Konstantin zum neuen Kaiser ausgerufen, machte sich der neue Herrscher auch schon von York nach Trier auf. Knapp ein Jahrzehnt regierte er von der Mosel aus das weströmische Reich, und noch heute zehren Stadt und Menschen von jenen ruhmreichen Jahren. Wahrscheinlich liegt in jener Blütezeit auch ein Teil des für viele Trierer so typischen Großstadtkomplexes begründet.
Viele Bewohner von Deutschlands aktuell kleinster Großstadt wähnen sich noch immer in einer anderen Liga wohnend, als es die tatsächlichen Einwohnerzahlen hergeben. Nichts scheint der Trierer auch mehr zu fürchten als die oft oberflächliche Wahrnehmung, Provinz zu sein. Dabei macht gerade die Mischung aus vergangener Größe und gegenwärtiger Beschaulichkeit, ja Provinzialität Triers besonderen Charme aus. Wer das selbst ernannte „Rom des Nordens“ per pedes erkunden will, riskiert weder Blasen noch Erschöpfungszustände.
Von der Basilika sind es nur fünf Minuten bis zu den Kaiserthermen, einem weiteren Relikt aus den Jahren von Konstantins Regentschaft. Wer die Überreste der Anlage erblickt, wird kaum erahnen, dass es gerade solche Ruinen sind, die von der einstigen Bedeutung der Stadt zeugen. Dass die Kaiserthermen nie als solche genutzt wurden, interessiert da wenig, zumal sich die Stadt insgesamt drei derartige Anlagen leistete.
An den Kaiserthermen zeigt sich jedoch auch das offenkundige Unvermögen von Stadtplanern, die historische Substanz angemessen in Szene zu setzen. So ließen die Trierer es Anfang der 1970er Jahre zu, dass gleich neben den Ruinen ein neunstöckiger Waschbetonbau entstand, der bis vor kurzem die Polizei beherbergte. Der schmucklose Zweckbau zieht die Thermen optisch in Mitleidenschaft, weshalb nicht wenige nun hoffen, dass er recht bald dem Erdboden gleichgemacht wird.
Zu Zeiten von Konstantins Herrschaft galt Trier auch als Inbegriff martialischen Frohsinns. Im Amphitheater begeisterten sich schätzungsweise 25 000 Menschen an den regelmäßigen Gladiatorenkämpfen und Tierhatzen. Heute dient die Arena als Kulisse für die alljährlich stattfindenden Antikenfestspiele, und auch Rockkonzerte finden hier statt. Ähnlich wie die Kaiserthermen hat sich das Amphitheater längst zu einem der Top-Veranstaltungsorte etabliert, allerdings hinkt der oft bemühte Vergleich mit Verona doch gewaltig. Denn auch wenn die noch immer gebrauchte Phrase vom „entweder es läuten die Glocken oder es regnet“ auf Trier gemünzt wenig mehr als ein nicht tot zu kriegendes Klischee ist, so haben die Veranstalter doch oft mit den Tücken des Wetters zu kämpfen.
Triers Doppelkirchenanlage sucht hierzulande ihresgleichen. Der Dom, die älteste Kathedrale Deutschlands, und die benachbarte gotische Liebfrauenkirche bilden einen reizvollen Kontrast, der den Betrachter regelmäßig staunen lässt. Überhaupt: Der Dom ist nicht vorstellbar ohne Konstantin. Nicht nur, weil der Imperator als erster christlicher Kaiser gilt. Vielmehr steht die heutige Bischofskirche über den Resten einer von Konstantin dem Großen in Auftrag gegebenen Basilika. Der Überlieferung nach wird in der Kathedrale auch eine der wertvollsten Reliquien überhaupt aufbewahrt: der „Heilige Rock“, das angeblich letzte Gewand Jesu, das zuletzt 1996 gezeigt wurde und mehr als 750 000 Pilger nach Trier lockte.
Gleich neben dem Dom liegt das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum, das eines der drei Museen ist, in denen die Konstantin-Ausstellung gezeigt wird. Noch vor wenigen Jahren diente das Gebäude als Gefängnis. Dass hier nun an das Wirken des Kaisers erinnert wird, ist keinesfalls als versteckte Kritik an Konstantin zu verstehen. Die wenigsten Trierer interessiert, dass Konstantin der Große auch ein großer Verbrecher war, der nicht nur Sohn und Frau umbringen ließ.
Deutliche größere Abneigung zeigt man da schon gegenüber einer anderer Berühmtheit, die noch dazu in Trier geboren wurde: Karl Marx, der nach wie vor berühmteste Sohn der Stadt. Gemessen an Konstantin gilt Marx hier als Schmuddelkind. Sein Geburtshaus und die dort gezeigte kritische Ausstellung lohnen jedoch allemal einen Besuch.
Bernd Haubrich hat mit Marx eher wenig am Hut. Dessen Ideen hinterließen zwar auch einen Scherbenhaufen, doch ist damit kein Geld mehr zu machen.
Marcus Stölb
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