Kolumbien: Das Aroma der Hazienda
Training für die Nase: Kaffeetour im jüngsten Weltkulturerbe Kolumbiens.
Sanna aus Holland schnüffelt nochmal prüfend an dem kleinen Fläschchen Nr. 24 – „Lakritz?“, und reicht es weiter. Yumiko tippt richtiger auf Schokolade. „Igitt – die Nummer 32 ist ja eklig! Was ist das denn?“, ruft Pablo entsetzt vom anderen Ende des Tisches. Etwa 15 Gäste aus verschiedensten Ländern haben sich zur Kaffeetour auf der Hazienda Venezia zusammengefunden, und was wie ein braver Unterricht begonnen hatte, wirkt jetzt wie eine übermütige letzte Schulstunde vor den langen Sommerferien.
Seit die sogenannte Zona Cafetera, die Kaffeeanbauregion im Herzen Kolumbiens, 2011 zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt wurde, bieten immer mehr Kaffee-Fincas auch spezielle Touristenprogramme an. Die Hazienda Venezia ist schon lange im Geschäft und gilt als einer der professionellsten Anbieter. „An der Tour nehmen überwiegend Ausländer teil, denn die kolumbianischen Touristen finden Kaffee an sich nicht so aufregend“, gibt Ruben, unser Kursleiter, zu bedenken. Kolumbianer fahren zwar auch in die Zona Cafetera, aber eher wegen der schönen Landschaft und der traditionsreichen Atmosphäre in den Dörfern – und nicht zuletzt wegen des deftigen Essens.
In dem kleinen Seminarraum im Gästehaus der Hazienda hält Ruben Landkarten, Schautafeln und Statistiken in die Höhe, reicht Boxen mit unterschiedlichen Kaffeebohnen herum und lässt die Besucher schon mal Fruchtfleisch von der Kaffeebohne pulen oder Bohnen von schlechter Qualität aussortieren.
In Kolumbien, erklärt er, werden nur Arabicabohnen kultiviert, aus denen man den aromatischeren und teureren Hochlandkaffee gewinnt. Das hiesige Hochland um die Orte Manizales, Armenia und Salento mit Höhenlagen zwischen 1200 und 1800 Meter und vielen steilen, nebligen Tälern ist ideal für den Anbau: Breite Wolkenbänder in Äquatornähe produzieren zwei Regenzeiten im Jahr; reichlich Sonneneinstrahlung und konstante Temperaturen von 17 bis 23 Grad garantieren einen weichen aromatischen Kaffee.
Aus der ursprünglich äthiopischen Kaffeepflanze einen aufputschenden Sud zu brauen, war lange Zeit ein arabisches Geheimnis – nach der jemenitischen Stadt Mocha heißt eine der Zubereitungsarten noch heute. Doch im 17. Jahrhundert knackten die Holländer das Monopol und begannen, in ihren Kolonien Kaffee anzubauen, unter anderem ab 1714 in Surinam. Bald gelangte die Pflanze auch nach Kolumbien, und dort wurde Kaffee schnell zum Exportschlager. Bereits 1920 gründeten die Kaffeebarone die einflussreiche Nationale Vereinigung der Kaffeeproduzenten, der inzwischen mehr als 500 000 Kaffeebauernfamilien angehören. Heute ist Kolumbien einer der größten Kaffeeexporteure der Welt; von hier wird mehr nass aufbereiteter Arabica-Kaffee exportiert als irgendwo sonst.
Nach so viel Theorie holt Ruben das Trainingsset für angehende professionelle Kaffeeverkoster heraus. Die 36 Duftnoten in den kleinen Glasfläschchen sollen helfen, die Aromen des Kaffees genauer zu definieren. Und bei einer ersten frisch aufgebrühten Probe finden sich tatsächlich einige der Aromen wieder: Schokolade, Honig und Apfel. Die Nr. 32 – kalter Rauch – ist zum Glück nicht dabei, doch auch unerwünschte Aromen können bei den Proben auftauchen und müssen dann benannt werden, erklärt Ruben. Gute Kaffeeröster können solche negativen Aromen durch Mischungsverhältnis und Röstzeit zwar etwas überdecken – Spitzenkaffee wird jedoch daraus nicht mehr.
„Und das nennen die Kolumbianer Trockenzeit“
Zwischen zwei Sprühregenschauern starten wir zu einem Rundgang über die Plantage. „Und das nennen die Kolumbianer Trockenzeit.“ Pablo, der aus Argentinien kommt, schüttelt den Kopf. Gleich vor dem Haus zeigt Ruben die gut behüteten Setzlinge, danach gehen die Besucher durch Reihen mannshoher Arabica-Sträucher. Regelmäßig werden alle stramm gestutzt, damit sie nicht mehr Nährstoffe für Blätter als für rote Kaffeebohnen verbrauchen. Dann geht es weiter zu den technischen Anlagen. Ein Großteil der Kaffeeverarbeitung wird auf der Hazienda Venezia gleich an Ort und Stelle durchgeführt, denn die Nassaufbereitung des Kaffees, die in Kolumbien übliche Methode der Weiterverarbeitung, sollte idealerweise binnen zwölf Stunden nach der Ernte stattfinden.
Hierfür werden die frischen roten Beeren sofort nach der Ernte gewaschen und im Wasserstrom nach Gewicht und Größe vorsortiert. Anschließend wird das Fruchtfleisch maschinell abgeschnipselt – „entpulpen“ lautet der Fachbegriff. Der Kern sieht jetzt zwar schon aus wie eine kleine Kaffeebohne, ist jedoch noch von einem dünnen Pergamenthäutchen und einer Schleimschicht umgeben. Deshalb kommen die Bohnen nun in einen Fermentationsbehälter, in dem sich die Fruchtfleischreste verflüssigen und anschließend einfach abgewaschen werden können. So erhält man den sogenannten Rohkaffee, der nun in großen Trockentrommeln bis zu einem maximalen Wassergehalt von zwölf Prozent getrocknet wird. „Einfacher wäre es, die Kaffeekirschen direkt in der Sonne zu trocknen und später erst weiter zu bearbeiten. Aber darunter leidet zum einen das Aroma, zum anderen funktioniert das natürlich nur in Gegenden ohne Regen gut“, erklärt Ruben.
Diese Art der Aufbereitung ist eher bei den billigeren Robusta-Bohnen üblich, die unempfindlicher gegen Hitze und Schädlinge sind, aber Aroma Nr. 1 enthält: „Erde“. Die Arabica-Bohnen sind feiner; trotzdem ist nicht aller Arabica-Kaffee automatisch Qualitätskaffee. Schließlich gibt es auch unreife, deformierte oder anderweitig minderwertige Bohnen. Die werden auf der Hazienda Venecia aussortiert und zu Kaffee für den einheimischen Markt weiterverarbeitet. „Was man hier im Café bekommt, ist meistens übles braunes Zuckerwasser.“ Ruben rümpft die Nase. Nur mit viel Zucker lassen sich die schlechten Aromen wie Rauch, Stroh oder Leder überdecken.
Die gute Qualität geht in den Export und wird natürlich auch auf den Kaffee-Fincas getrunken. Ein Grund mehr, im Kolumbienurlaub auch Zeit auf einer Hacienda zu verbringen, denn neben schöner Landschaft und entspannter Atmosphäre gibt es da vor allem eins: Kaffee satt. Mit Aromen von Haselnuss (Nr. 29), Aprikose (Nr. 16) und Kaffeeblüten (Nr. 12).
Am nächsten Tag nehmen einige Finca-Besucher den öffentlichen Bus ins wesentlich tiefer gelegene Pereira. Rasant jagt der Fahrer zwei Mountainbikern über etliche Haarnadelkurven hinterher. Ein kleines Mädchen erbricht sich in den Gang. Der Busfahrer, solche Vorfälle offensichtlich gewöhnt, putzt am nächsten Halt den Boden und verstreut am Schluss den praktischen einheimischen Geruchskiller: frisch gemahlenen Kaffee.
Isa Ducke, Natascha Thoma
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