Mark Brandenburg: Aufplustern fürs Weibchen
110 Großtrappen gibt es noch in der Mark. Jetzt balzen sie. Beobachter mit Fernglas sind zugelassen.
Der kleine Bus schaukelt über den Schotterweg, mitten hinein in die Kernzone des Havelländischen Luchs. Die Gäste, ausgerüstet mit Ferngläsern und Teleobjektiven, können es kaum erwarten: „Werden wir Großtrappen sehen?“, lautet die erwartungsvolle Frage. Hat überhaupt schon mal jemand diesen größten flugfähigen Vogel der Welt gesehen?
„Früher, als Kind in Mecklenburg oder in Sachsen“, sagen manche. „Leider ist das lange vorbei“, erklärt Thorsten Langgemach vom Förderverein Großtrappenschutz und Leiter der Vogelschutzwarte in Buckow. „Schon seit den 70er Jahren gibt es dort keine Trappen mehr.“ Umso größer die Freude, als endlich die Nachricht kommt: „Ja, sie sind da! Am Beobachtungsturm Nummer 1 ist sogar eine ganze Gruppe.“
Die Großtrappe (Otis tarda) wanderte als Steppenbewohner im Mittelalter bei uns ein. Zur Zeit Friedrich II. waren die riesigen Vögel eine Plage. Es gab sogar einen Erlass, die Tiere zu jagen und zu bekämpfen. Noch im 20. Jahrhundert wurden Schulkinder aufs Feld geschickt, um die großen Trappenscharen zu vertreiben. Die Mark Brandenburg galt dabei als die Hochburg der Großtrappe in Deutschland und so nannte man den Vogel auch den „Märkischen Strauß“. 1940 lebten in Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen etwa 4000 Großtrappen, 1990 waren es nur noch 57 Tiere. Tierschützer schlugen Alarm.
Die Vögel drohten auszusterben. Grund: Die Vegetationsstruktur hatte sich verschlechtert. Durch das Düngen in der Landwirtschaft starben viele Pflanzen und damit Insektenarten aus. Die Jungtiere, die etwa ein bis anderthalb Kilo Insekten täglich brauchen, konnten sich nicht mehr durch die Monokultur der hoch wachsenden Pflanzen kämpfen und verhungerten regelrecht.
Nicht zuletzt dem Förderverein Großtrappenschutz ist es zu danken, dass sich in Zusammenarbeit mit dem Kreisbauernverband und der Handaufzucht von Trappen deren Zahl auf heute 110 nahezu verdoppelt hat. Nur mit massiver Hilfe von Naturschützern konnten die Großtrappen wieder „aufgepäppelt“ werden, vor allem den Jungen galt lange Zeit die größte Sorge. Denn ihre größten Feinde – vor allem die Füchse, neuerdings auch die Seeadler – räuberten immer wieder die Gelege und griffen die Jungtiere an. „Inzwischen haben wir an fünf Orten insgesamt 75 Hektar fuchssichere Schutzzäune errichtet“, sagt der Präsident des Brandenburger Landesumweltamtes Matthias Freude. Dort können sich die Trappenweibchen zum Brüten und zur Aufzucht zurückziehen. „In diesen Schutzzäunen überlebten im vergangenen Jahr elf Junge, zudem haben wir 19 Junge von Hand aufgezogen – außerhalb der Schutzzäune kam kein Nachwuchs durch.“ Bei der Geburt wiegen die Kleinen nur 80 bis 100 Gramm. Kaum vorstellbar, dass ausgewachsene Hähne mehr als 18 Kilogramm auf die Waage bringen, die Hennen wiegen rund fünf Kilo.
Um sich ein Weibchen zu suchen, müssen die Männchen ganz auf ihr imposantes Federkleid vertrauen. „Wenn man schon keinen schönen Gesang hat, muss man auf optische Signale setzen“, sagt Freude. Bei der Balz drehen die Männchen daher ihre braunen Vorderflügel und den Schwanz nach außen, sodass das weiße Untergefieder sichtbar wird.
Was das Überleben der Großtrappen betrifft, ist es für eine Entwarnung noch zu früh. „Es wird noch Jahre dauern, bis sich ihr Bestand unabhängig vom Menschen halten kann“, sagt Matthias Freude. Auch der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Tom Kirschey, warnt vor zu großer Euphorie. „Die Lebensbedingungen für die Trappen werden insgesamt immer schlechter.“ So fehle es ihnen auf den wieder vermehrt gedüngten und deshalb artenarmen Wiesen an den nötigen Insekten. Auch das Verbauen von Landschaften mit Windkraftanlagen und das Verkabeln mache es für die Tiere immer schwieriger. Deswegen befürchtet der Nabu-Landeschef: „Wenn das Land in seinen Anstrengungen nachlässt, werden die Trappen in Deutschland aussterben.“ Und die spektakuläre Balz sei nicht mehr zu erleben.
Am Beobachtungsturm Nummer 1 herrscht inzwischen heitere Aufregung hinter den Ferngläsern. Da sind sie: 15 wunderschöne Großtrappenmännchen, die sich zu einem weißen Federball von nahezu einem Meter Durchmesser aufplustern. „Ja, ja, die Männchen müssen einiges leisten, um gesehen zu werden“, sagt Langgemach. „Die Trappenweibchen entscheiden sich nur für die Ältesten und Erfahrenen und das auch erst nach vielen Tagen, manchmal nach Wochen.“ Als dann tatsächlich zwei Weibchen auf sichere Entfernung heranfliegen, legen sich die Männchen erst recht ins Zeug.
Dolores Kummer
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