Museumsrestaurants in Zeiten von Corona: Reine Leere
Kaum Ausstellungen, keine Großevents: Die Gastro- und Cateringbranche steckt knietief in der Krise. Ist die Insolvenz von Sarah Wiener nur der Anfang?
Die Nachricht der Woche goss noch Öl ins Existenzangst-Feuer der Gastroszene: Die prominente Fernsehköchin und Unternehmerin Sarah Wiener muss für ihre beiden Restaurants und einen Cateringbetrieb Konkurs anmelden. Beide Branchenzweige, die Museumsrestaurants im „Hamburger Bahnhof“ und im brandneuen „Futurium“, wie auch Wieners Cateringunternehmen sind Opfer der aktuellen Krise: Tod durch Corona. Ursache: Seit März geschlossene Museen, seit dem Shutdown keine Messen oder Großveranstaltungen, mit denen Caterer Umsatz machen könnten. Werden andere Berliner Unternehmen folgen? Ist Wieners Insolvenz nur der Anfang vom Ende einer erfolgreichen und vermeintlich krisensicheren (Tourismus-)Branche?
Symbolfigur dieser Krise ist jetzt Sarah Wiener. Die Insolvenz ihres Geschäfts mit Catering und Museumsrestaurants hat ein Schlaglicht geworfen: Wenn selbst eine so prominente Unternehmerin aufgeben muss. Sie selbst nennt die Situation vor allem im Catering katastrophal, „wir haben noch ein paar Ideen gehabt, aber die ganze Event-Branche ist tot, und das wird sich so schnell nicht ändern.“ Immerhin, sagt sie, sollte es gelingen, ihre 47 betroffenen Mitarbeiter anderswo unterzubringen. Für sich selbst schließt sie aus, in absehbarer Zeit ein neues Restaurant zu eröffnen. Andere Teile ihres kleinen Imperiums, wie die Bäckerei oder der Direktvermarkter Gut Kerkow, sind von der Insolvenz nicht betroffen. „Die laufen gut.“ Und Langeweile ist ohnehin nicht ihr Thema, denn sie konzentriert sich auf ihr Mandat im Europa-Parlament, wo sie in der Grünen-Fraktion für Lebensmittelqualität kämpft. „Ich mache Politik!“
Der Verdienst: Minus zwei Drittel
Dass das Unternehmen breit aufgestellt ist, nützt auch einem „hidden champion“ der Museumsgastronomie und Cateringszene in Berlin, der BMB-Gruppe. Sie betreibt unter anderem Restaurants und Cafés auf der Museumsinsel, darunter im Neuen, im Alten, im Pergamon- und im Bodemuseum, in der James-Simon-Galerie und in Mitte in der Topografie des Terrors. Insgesamt laufen unter ihrem Dach 27 gastronomische Betriebe, also auch Biergärten, Ausflugslokale, Rooftop-Bars. Mirko Alexander Nikolitsch, einer von drei Gründern und Geschäftsführer der Gruppe - sie betreibt insgesamt 18 Gesellschaften - sagt: „Nur so können wir die miserablen Umsätze von tourismusabhängigen Standorten vor allem in Mitte auffangen. Unsere Freizeit- und Ausflugsgaststätten wie auch die Gastronomie im Kiez laufen gut, die in Mitte sehr schlecht.“ Zwar stiegen zuletzt auch die Umsätze in den Restaurants moderat, im Vergleich zu früher von zehn Prozent im Juni auf mittlerweile 35 im Juli. „Aber das ist immer noch schwach. Und ohne eine Terrasse läuft sowieso nichts.“
Ein Problem sind die Cafés und Restaurants in Berlins zentralen Museen. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist zwar bei der Pacht entgegenkommend, solange ihre Häuser geschlossen sind. Aber selbst bei geöffneten Einrichtungen ist in den Cafés wegen der Einlassbeschränkungen kaum Umsatz zu machen. Ins Neue Museum dürfen maximal 600 Besucher am Tag, das Café mit 80 Plätzen ist laut Nikolitsch schlecht besucht. Das Café im bisherigen Besuchermagnet Pergamonmuseum bringe „miserable Umsätze“, das in der vor Corona von einer Million Menschen besuchten „Topografie des Terrors“ allenfalls fünf bis zehn Prozent.
[Trotz Corona: Lesen sie hier , wo die 13 spannendsten neuen Restaurants in Berlin eröffnet haben (Abo).]
Die Öffnung des Cafés im Bodemuseum? „Steht in den Sternen.“ Im Alten Museum bauen sie die Gastronomie gerade um, eröffnet wird „irgendwann im Laufe des August“. In der Cinemathek am Potsdamer Platz lohnt sich die Öffnung auch erst nach den Ferien. „Da sind wir auf die Angestellten in den Büros drumherum angewiesen, und die sind noch nicht wieder da.“ Das Restaurant mit großer Außenterrasse in der James-Simon-Galerie, das „CU29“, könne voraussichtlich Mitte September wieder öffnen. Der BMB-Chef seufzt, wenn er an den erfolgreichen Start zurückdenkt. Da lag der Umsatz in guten Sommermonaten im sechsstelligen Bereich. Einbußen seit Beginn des Shutdowns für die Gesamtgruppe: „im Millionenbereich“. Nikolitsch: „Wenn die Leute sich im Herbst nicht wieder in die Innenräume trauen, wird in der Gastroszene sicher die große Insolvenzflut kommen.“
Die Prognose: Miserable Umsätze
Vom Staat gewährte Soforthilfen und Schnellkredite seien zwar eine gute Idee, aber darauf müssten Unternehmen noch immer viel zu lange warten. „Die Hausbanken haben laut ihrer eigenen Aussage von der KfW die Auflage, Anfragen zu prüfen wie einen normalen Kredit. Das dauert.“ Im Falle BMB wurde erst nach monatelanger, intensiver Prüfung ein einzelner Schnellkredit zugesagt. Bei den derzeit in Mitte verlangten Mieten reichten die bisher angebotenen Soforthilfen für mittelständische Unternehmen in etwa die Kosten für einen Monat. „Da ist es manchmal besser, geschlossen zu lassen.“ Immerhin, sagt der Geschäftsführer, seien gute neue Hilfsprogramme für den Mittelstand mittlerweile auf dem Weg. Bei der BMB sieht die aktuelle Liquiditätsberechnung so aus: „Bis nächsten März miserable Umsätze.“ Man setze darauf, sagt Nikolitsch, mit Unterstützungsgeldern durchzukommen. „Ab da würde es auch für uns schwierig.“
Ein Glück: Treue Gäste
Birgitt Claus, Chefin des Gastro- und Cateringunternehmens „Eßkultur“, hat derzeit allenfalls Freude an ihrem Restaurant in Dahlem, das den dortigen Museen angegliedert ist, aber - mit Draußenbetrieb, Veranstaltungszelt und Raum im Souterrain - auch als Adresse für Externe funktioniert. Je 50 Sitzplätze drinnen und draußen kann sie bieten und 70 bei literarischen Veranstaltungen im Beduinenzelt. Und ihre Gäste sind treu. Die kleineren Locations, etwa das Café der Galerie am Körnerpark, machen da schon mehr Sorgen. Der Raum ist klein, die Terrasse nicht überdacht. Ihr Umsatz neulich bei einer verregneten Veranstaltung: 260 Euro. Wie es mit dem „Café Schmus“ im Jüdischen Museum nach dem Umbau weitergeht, kann sie noch nicht sagen. Man befinde sich derzeit in Verhandlungen. Das Cateringgeschäft gestaltet sich schwierig. Eßkultur ist zum Beispiel Haus-Caterer für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Energie. „Wir haben einen Rahmenvertrag für zwei Jahre – aber seit knapp einem halben Jahr kaum mehr ein Catering.“
Shani Leidermann, die mit Cythia Barcomi das Restaurant „Beba“ im Gropiusbau betreibt, konnte sich bisher bei der Pacht auf die Kulanz des Vermieters verlassen und auf ihre eigene Kreativität. Sie investierte in einen Foodtruck als Bar für die Terrasse, ihre levantinische Küche bereitet sie nach wie vor im Restaurant zu. „Wir machen jetzt etwa 50 Prozent weniger Umsatz als früher“, sagt sie, „kommen langsam raus aus der Kurzarbeit“. An eine baldige Tourismuswelle glaubt sie nicht. „Ich versuche einfach, Tag für Tag noch effizienter zu sein.“ Mit einer kleineren Karte, flexibler Mitarbeiterplanung. Ihr Küchenteam besteht aus fünf Leuten, davon zwei Köche, im Service arbeiten zwei bis vier Angestellte, je nach Andrang. 60 Plätze stehen innen zur Verfügung, 40 draußen. Ans Aufgeben denkt sie nicht. „Klar ist es finanziell schwierig. Aber es gibt mir Kraft, wenn ich die Gäste ihr Essen genießen sehe.“ Das und Cateringaufträge für kleinere Veranstaltungen halten sie über Wasser.
Große Caterings: Nichts geht mehr
Die Stimmung unter den Berliner Essenslieferanten ist rabenschwarz. Am Mittwoch hat ein Treffen der Event- und Catering-Branche stattgefunden, über das Mirko Mann, Geschäftsführer der Köpenicker Firma "Optimahl", nur sagt: „Da ist überall ganz offen von Insolvenz geredet worden, flächendeckend“. Der noch immer anhaltende Totalverlust großer Veranstaltungen hat den darauf spezialisierten Unternehmen die Geschäftsgrundlage genommen. Und das in beträchtlichen Größenordnungen: „Ich habe gerade sechs Millionen Euro aus den Büchern genommen, das Geld ist weg und kommt auch nicht zurück“, sagt Mann. Dabei scheint er noch einigermaßen glimpflich davonzukommen, denn seine Firma liefert auch Essen für Kitas und Schulhorte, und er hat auch für den August einen neuen Vertrag mit der Schulverwaltung abgeschlossen. Im privaten Bereich gibt es den einen oder anderen Hoffnungsschimmer, ein paar Hochzeiten oder Richtfeste für kleinere Gruppen. Und auch der Lieferservice für Büros bringt einen Deckungsbeitrag gegen die Panik.
„Unsere Firma ,Genusskombinat' ist praktisch auf Null“, sagt auch BMB-Group-Geschäftsführer Mirko Alexander Nikolitsch. Zur ITB hatte sein Unternehmen Caterings für 160.000 Euro sicher. Mit Absage der Messe: alles verloren. 160 fix geplante Veranstaltungen für die „rbb-Lounge“: alle abgesagt. Andere Aufträge litten unter den Corona-Beschränkungen: Die Rooftop-Bar im Rahmen der rbb-Lounge laufe zwar gut, sei aber nur bedingt zu füllen. „Wir hatten im normalen Tagesbetrieb zur Eröffnung 2000 Reservierungsanfragen, durften aber nach Corona-Regeln nur 50 Leute reinlassen.“
Von mehr als 1000 gebuchten Events in diesem Jahr sei am Ende kein einziges geblieben. „Die Leute sind jetzt vorsichtig mit dem Buchen, sie sind logischerweise verunsichert“, sagt Nikolitsch. „Wer will denn auch eine Feier machen, bei der 1,5 Meter Sicherheitsabstand eingehalten werden muss? Die Kontrolle ist schwierig, den Mitarbeitern immer neue Regeln beizubringen, ebenfalls, dafür zu haften, erst recht. Das ist alles nicht bis zu Ende durchdacht.“
Neustart: Vielleicht im nächsten Sommer
Kaum ein Silberstreif am Horizont? „Wir haben die vage Hoffnung, dass es im nächsten Jahr wieder losgeht“, sagt Nikolitsch. „Im zweiten, dritten oder vierten Quartal.“ Und das, obwohl ihm gerade zugetragen worden sei, dass Messen fürs neue Jahr erst einmal abgesagt seien. „Mit einem Corona-Impfstoff oder einem Kombipräparat kann sich das alles ganz schnell ändern.“
Der Städtetourismus aktuell: „Tot, eine absolute Katastrophe.“ Aber weil jede Krise auch ihr Gutes hat, hofft er: „Vielleicht kann Berlin jetzt auch mal ein bisschen dankbar sein für die tollen Zahlen der letzten Jahre.“ Bis dahin hält der Geschäftsführer sich an seiner positiven Bilanz fest. „Wir sind seit 18 Jahren auf dem Markt und haben noch keine einzige Pleite hingelegt.“
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