Nach Mieterhöhung: Sonntags-Club in Prenzlauer Berg bangt um Existenz
Der Sonntags-Club in Prenzlauer Berg ist eine queere Institution. Nach einer Mieterhöhung versucht er sein drohendes Aus durch eine Spendenaktion abzuwenden.
7.854 Euro – soviel fehlt dem Sonntags-Club, um seinen regulären Betrieb im laufenden und kommenden Jahr fortsetzen zu können. Und um die Mieterhöhung von rund 1.000 Euro Miete im Monat auszugleichen. „Wir wollen 50 werden!“ erklärt der Verein im Crowdfunding-Video.
Der Sonntags-Club ist eine der ältesten LSBTI- (das steht für lesbisch, schwul, bisexuell, trans und inter) Institutionen im Land. Lange Zeit war er die einzige Anlaufstelle für Schwule, Lesben und trans Personen in der DDR. In den 1980er organisierten Mitglieder der 1973 in Ost-Berlin gegründeten Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin (HIB) um Uschi Sillge immer wieder Veranstaltungen und Treffen in verschiedenen Klubräumen.
Der Sonntagsclub ist eine der ältesten LSBTI-Einrichtungen im Land
Auch weil Homosexualität zwar auf dem Papier legal war, in der Praxis – besonders, wenn sie allzu sehr nach politischer Organisation aussah – aber kritisch beäugt wurde, fanden die Veranstaltungen dort immer am nur am Sonntag statt. Ganz nebenher war so der neutrale Deckname „Sonntags-Club“ geboren.
Eine feste Bleibe fand der Club erstmals 1988 im Kreiskulturhaus in Mitte. Seit 1999 hat er seine Räumlichkeiten in der Greifenhagener Straße im Prenzlauer Berg. Dort bietet der Verein bis heute ein umfassendes Beratungsangebot und Gruppentreffen, dazu einen täglichen Cafébetrieb und über 80 Veranstaltungen im Jahr.
„Der Sonntags-Club ist ein einzigartiger queerer Ort mit unterschiedlichsten niedrigschwelligen Angeboten, der alle Menschen ansprechen will und daher auch von den unterschiedlichsten Menschen besucht wird”, erklärt Geschäftsführer Stefan Mehnert. Das vielfältige Programm, das durch viel ehrenamtliches Engagement ermöglicht wird, erfreue sich daher großer Beliebtheit. „Die kostenfreie psychosoziale Beratung zu queeren Themen ist oft auf Wochen ausgebucht“, berichtet Mehnert. Und auch Gruppentreffen – von der Selbsthilfegruppe über Orgateams bis zum Stammtisch – würden auf große Resonanz stoßen.
Einen Teil der Erhöhung fängt das Land auf
Nun stieg die Miete von 7,25 Euro auf 12,00 Euro den Quadratmeter. „Das war auch deswegen krass, weil wir bisher einen sehr moderaten Quadratmeterpreis gezahlt haben”, sagt Mehnert. Selbst die neue Miete liege noch deutlich unter den heute auf dem freien Markt verlangten Mietpreisen im Prenzlauer Berg. Einen Teil davon fängt die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auf. Diese fördert im Rahmen des Projekts „Beratungs-, Bildungs- und Gruppenarbeit für LSBT” 60 Prozent der Vereinsarbeit. „Der Sonntags-Clubs ist unheimlich wichtig“, betont Sprecher Sebastian Brux. Die restlichen Ausgaben will der Verein nun durch eine Crowdfunding-Kampagne decken.
Der Sonntags-Club ist nicht der einzige schwul-lesbische Traditionsort in der Stadt, der von Verdrängung bedroht ist. Im Prenzlauer Berg, der noch kurz nach der Wende einer der beliebtesten schwulen Bezirke war, machten die meisten Szeneorte in den 90er Jahren dicht.
Erst im Herbst stand mit dem Hafen eine Schöneberger Traditionskneipe kurz vor dem Aus. Auch andere schwule Orte kämpfen um ihre Existenz und eine Lesbenbar gibt es in Berlin schon seit Jahren nicht mehr. Gründe sind in der Gentrifizierung in Folge von Zuzug und steigenden Mieten sowie verschärfte kommunale Auflagen im Hinblick auf Brandschutz und Barrierfreiheit zu suchen.
Kaum queere Angebote mehr in Prenzlauer Berg
Doch es etablieren sich auch nach und nach neue queere Orte, die besonders in Kreuzberg und Neukölln einen großen Zulauf erfahren, wie etwa die von einem Frauenkollektiv geführte OYA Café-Kneipe in der Mariannenstraße. „Queere Orte sind in der Stadt weiterhin sehr wichtig und erfreuen sich großer Beliebtheit”, sagt Mehnert.
Allerdings befänden sich die meisten in den Bezirken Neukölln, Kreuzberg, Schöneberg und Charlottenburg. „Wir halten es daher für sehr wichtig, dass es auch im bevölkerungsreichsten Berliner Bezirk Pankow weiterhin eine queere Subkultur und einen Ort wie den Sonntags-Club gibt, in dem niedrigschwellige Angebote für queere Menschen gemacht werden”, fügt er hinzu.
Die Startnext-Kampagne "Der SC will 50 werden!" äuft noch bis zum 31. Mai. Wer den Sonntags-Club besuchen möchte, kann täglich ab 18 Uhr das Café besuchen oder einen Blick ins Veranstaltungsprogramm werfen.
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