Coming out am Arbeitsplatz: „Offenheit macht stark“
Lesbisch und erfolgreich: Die Berliner Managerin Kornelia Wenz erklärt im Queerspiegel, wie man am besten mit Homosexualität am Arbeitsplatz umgeht - und wie Netzwerke wie die "Wirtschaftsweiber" helfen.
Coming out am Arbeitsplatz – wie macht man das am besten?
Na, ich würde nicht empfehlen, gleich als erstes auf die Kollegen zuzugehen und zu sagen: Hallo, ich bin Kornelia Wenz, und übrigens, ich bin lesbisch.
Sondern?
Man kann das in ein normales Gespräch oder eine Vorstellungsrunde einfließen lassen, indem man zum Beispiel sagt: ,Abends gucke ich gerne mit meiner Lebenspartnerin ,Tatort’“. Wenn man gerade keine Beziehung hat, kann man eine ehemalige Partnerin erwähnen oder das als Wunsch formulieren. Wichtig ist, Kollegen/innen und Vorgesetzten diese persönliche Information nicht als etwas Besonderes zu vermitteln sondern als etwas ganz Gewöhnliches, denn: Es ist normal verschieden zu sein. Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft.
Warum sollte sich ein Mensch am Arbeitsplatz überhaupt outen?
Nicht geoutet zu sein macht einen schwach. Das würde bedeuten, die eigene Persönlichkeit und Identität nach außen hin zu verstellen und verheimlichen, ja regelrecht zu verbiegen. Bekommt es dann doch der eine oder andere mit, glauben sie, etwas ganz Exklusives zu wissen, tuscheln darüber, und man kann das nicht steuern. Es kostet Energie, sich zu verstecken. Wer geoutet ist, kann sich hundertprozentig auf den Job konzentrieren. Wenn ich meine sexuelle Identität als Stärke begreife, ist es etwas, was ich sichtbar machen möchte. Offenheit macht stark, Heimlichkeiten erpressbar.
Gilt das für Führungskräfte besonders?
Unbedingt! Für mich hat das sehr viel mit Leadership zu tun. Führungskräfte sind ja auch Vorbilder und sollten authentisch sein. Wie kann ich authentisch sein, wenn ich einen wesentlichen Teil meiner Identität verstecken muss? Ich stehe dafür, lesbisch und erfolgreich zu sein. Gerade eine Führungskraft sollte beim ersten Kontakt mit ihrem Team einen Einblick in ihr Umfeld, ihre Werte geben, und genau da kann sie einen Hinweis auf ihre sexuelle Orientierung einfließen lassen.
Wie haben Sie selbst das gemacht?
In meinem unmittelbaren Arbeitsumfeld war ich immer geoutet, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wussten das, weil ich meine Lebenspartnerin erwähnt oder auch zu Betriebsfeiern mitgebracht habe. Dass ich auch in einer größeren Öffentlichkeit dazu stehe, hat mit meinem Engagement bei den „Wirtschaftsweibern“ zu tun.
Die Wirtschaftsweiber sind ein bundesweites Netzwerk von lesbischen Fach- und Führungskräften, Sie sind seit einigen Jahren im Vorstand tätig. Was sind Ihre Ziele?
Unter unseren 180 Mitgliedern sind selbständige und angestellte, unternehmerisch denkende Frauen, von der Steuerberaterin, die sich gerade selbstständig macht, bis zur Oberärztin, die schon am Ende ihrer Berufslaufbahn steht. Wir möchten nach außen sichtbar sein und die öffentliche Präsenz von Lesben erhöhen. Wir unterstützen uns untereinander und ermutigen lesbische Frauen, sich zu outen, ihre vermeintliche „Schwäche“ in eine Stärke umzuwandeln. Denn lesbische Frauen sind ja doppelt diskriminiert, wenn es um Führungspositionen geht: als Frauen und als Lesben.
Haben Sie selbst Nachteile dadurch erlebt, dass Sie offen mit ihrer sexuellen Orientierung umgehen?
Vereinzelt ja. Offene Diskriminierung nicht, aber ein Kollege hat mich, nachdem er davon erfahren hat, als „krankhaft ehrgeizig“ bezeichnet – das war sein Synonym für „lesbisch“. Da spürt man schon durch, dass er im Grunde ein Problem mit meiner Homosexualität hatte.
In welchen Branchen haben lesbische Frauen mit Diskriminierung zu kämpfen?
Offene Diskriminierungen sind in den letzten zehn Jahren seltener geworden, da greift ja auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Dass jemand unter Zeugen „du schwule Sau“ sagt, kommt im Arbeitsleben praktisch nicht mehr vor. Wir sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mit der Charta der Vielfalt und der Stiftung PrOUT@WORK haben wir zwei starke Verbände, die sich für die Akzeptanz homosexueller Lebensweisen einsetzen. Wenn Unternehmen die Charta der Vielfalt unterschreiben, hat das Wirkung auch nach innen. Dennoch kommt es immer noch zu unterschwelligen Diskriminierungen, sogar in den Branchen, die als sehr offen gelten, wie die Mode- oder überhaupt die kreativen Branchen. Auch darf versteckte Diskriminierung im Zusammenhang mit Beförderung und der Besetzung von Führungspositionen nicht unterschätzt werden. In diesem Punkt lassen sich heute Benachteiligungen wegen sexueller Orientierung am stärksten feststellen. Aber eben nicht offen, sondern sehr subtil und versteckt.
Empfehlen Sie lesbischen Frauen, sich innerhalb ihrer Unternehmen zu organisieren?
Eine gute Netzwerkkultur ist in jedem Unternehmen und für alle Mitarbeiter vorteilhaft, egal ob es sich um Väter, Mütter, Schwule oder Lesben handelt. Das ist ein wesentlicher Hebel, um eine Kultur der Vielfalt zu etablieren.
Haben lesbische Führungskräfte besondere Qualitäten, die für Unternehmen nützlich sein können?
So allgemein kann man das nicht sagen. Vielleicht haben wir besonders viel Erfahrung im Umgang mit Widerständen, da wir gewöhnt sind, anders zu sein als die Mehrheit. Aber abgesehen davon sind Lesben individuell genauso unterschiedlich wie andere Menschen auch. Früher konnte ein Arbeitgeber es noch als Vorteil sehen, dass eine junge Lesbe nicht schwanger wird (lacht). Aber das ist ja heute auch nicht mehr so!
- Das Gespräch führte Dorothee Nolte. Mehr Informationen über das Netzwerk lesbischer Fach- und Führungskräfte: www.wirtschaftsweiber.de
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