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Die DDR ersetzte den Paragrafen 175 durch den Paragrafen 151.
© imago/Frank Sorge

Wegen Verfolgung in der DDR: Noch keine lesbische Frau entschädigt

In der DDR wurden auch Frauen wegen gleichgeschlechtlichem Sex verurteilt. Entschädigt wurde noch keine - obwohl das seit zwei Jahren möglich ist.

Wenn es um die frühere Verfolgung Homosexueller in Deutschland geht, sind damit meistens Männer gemeint. Schließlich stellte der berüchtigte Paragraf 175 erst im Kaiserreich, dann unter den Nazis und später in der Bundesrepublik und in der DDR sexuellen Handlungen unter Männern unter Strafe. Während in der Bundesrepublik noch lange die unter den Nazis verschärfte Version galt, schwächte die DDR ihn indes bald ab - und schaffte ihn schon 1968 ganz ab.

Was wenige wissen: Die DDR ersetzte den Paragrafen 175 durch einen neuen Paragrafen 151. Dieser stellte gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen mit Jugendlichen unter Strafe - und zwar sowohl für Männer als auch für Frauen. Für homosexuelle Handlungen sah er ein höheres Schutzalter als für heterosexuelle vor. Nach Schätzungen der Magnus-Hirschfeld-Stiftung wurden bis zur Abschaffung des Paragrafen 151 im Jahr 1988 rund 4.300 Personen verurteilt und mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft - wie viele Frauen darunter genau waren, ist unbekannt.

Lange blieb ihr Schicksal unbeachtet. Erst 2017 wurden auch diese Verurteilten rehabilitiert, zeitgleich mit den Opfern des Paragrafen 175 in der Bundesrepublik. Sie können seitdem beim Bundesamt für Justiz einen Antrag auf Entschädigung auf bis zu 3.000 Euro pro Urteil stellen. Doch obwohl die rechtlichen Grundlagen für Entschädigungen geschaffen wurden, hat bisher keine einzige lesbische Frau einen solchen Antrag gestellt.

Das ergibt jetzt eine Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage von Ulle Schauws, der Sprecherin für Frauenpolitik und Queerpolitik der grünen Bundestagsfraktion.

In der Antwort, die dem Tagesspiegel vorliegt, schreibt das Justizministerium, dass „bis zum heutigen Tag  […] noch keine Frau bei dem Bundesamt für Justiz (BfJ) einen Antrag auf Entschädigung“ gestellt habe.  Aus diesem Grund konnte „auch noch keine Entschädigung ausgezahlt werden“. Wie die "taz" berichtet, hat die erste Frau in diesem Monat einen Antrag auf Entschädigung gestellt.

Kritik: Das Entschädigungsgesetz wurde viel zu spät erlassen

Woran liegt es, dass sonst niemand einen Antrag auf Entschädigung gestellt hat? Ulle Schauws führt das darauf zurück, dass das Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetz viel zu spät erlassen worden sei. Nur wenige der in der BRD und in der DDR verfolgten Homosexuellen hätten das Inkrafttreten des Gesetzes zur strafrechtlichen Rehabilitierung noch erlebt. „Viel zu lange wurde die Rehabilitierung und Entschädigung im Parlament blockiert und mehrere grüne Gesetzesinitiativen abgelehnt“, sagt Schauws. Tatsächlich gibt es bisher auch wenig Entschädigungsanträge von Männern.

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Darüber hinaus hätten die „Diskriminierungserfahrungen starke Einschnitte in die Biographien der Betroffenen“ bedeutet und oftmals deren Existenz bedroht: „Viele wollten dieses Kapitel in ihrem Leben nicht noch einmal öffnen.“

Lesbische und bisexuelle Frauen werden unzureichend informiert

Darüber hinaus seien die Maßnahmen der Bundesregierung unzureichend: Diese ist in der Verantwortung, Betroffenen aktiv über Entschädigungsmöglichkeiten zu informieren. Doch bisher geschieht dies nicht mit Blick auf lesbische und bisexuelle Frauen. In dem Schreiben an Ulle Schauws verweist das Bundesministerium für Justiz stattdessen auf seine Homepage, wo es seit Inkrafttreten des Gesetzes über dessen Inhalt und die Entschädigungsmöglichkeiten informiert. 

Lesbische Liebe: Heute erlaubt - doch in Ostdeutschland konnten Frauen noch bis 1988 für gleichgeschlechtlichen Sex verurteilt werden.
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© dpa/Aidan Crawley

Konkret schreibt die Regierung, dass „das strafrechtliche Verbot einvernehmlicher homosexueller Handlungen und die daraus resultierende Strafverfolgung […] grundrechts- und menschenrechtswidrig“ sei. Aus diesem Grund sollten ergangene Urteile aufgehoben und die Betroffen entschädigt werden. Die „Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) e.V.“ habe dafür eine Hotline eingerichtet, die über Beratungsmöglichkeiten informiere und die Betroffenen unterstütze.

Für das Ministerium steht die Entschädigung von Männern im Vordergrund

Für lesbische Frauen gibt es dagegen kein eigenes Unterstützungsangebot. „Auch, wenn es sich bei BISS e.v. um eine Interessenvereinigung schwuler Senioren- und nicht lesbischer Seniorinnen“ handle, so das Ministerium, werde stattdessen auf die Gesamtheit der Entschädigungsmöglichkeiten hingewiesen. Grundsätzlich stehe die Entschädigung von Männern, die verurteilt worden seien, im Vordergrund. Diese würden zahlenmäßig überwiegen, aus diesem Grund gäbe es bisher keine Informationskampagne für Frauen, erklärt das Ministerium. Und auch in den Infoflyern, die das BfJ an verschiedene LGBT-Organisationen, Volkshochschulen, Theater und Sozialverbände verschickt, würden Frauen „weniger deutlich herausgestellt“.

Dabei wäre eine Informationskampagne für Frauen wichtig, um nicht nur Männer, sondern auch Frauen zu erreichen. Anstatt nur mit der „BISS“ zusammenzuarbeiten, sollte auch der Dachverband „Lesben und Alter“ einbezogen werden, fordert Schauws: „Dieser ist als Anlaufstelle bei der Thematik ganz wichtig. Und selbstverständlich muss klar sein, dass es für jeden Menschen, der allein aufgrund seines Seins an den Pranger gestellt und dem viel Leid angetan wurde, eine sensibler Beratung und spezifische Ansprache braucht. Das muss für Lesben auch gelten.“

Deshalb fordert sie die Bundesregierung dazu auf, lesbische Frauen gezielt zu informieren und mehr gruppenspezifische und Beratungsangebote bereitzustellen. Anderenfalls würden die Schicksale der Frauen auch 30 Jahre nach dem Mauerfall unsichtbar bleiben.

Inga Hofmann

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