Bundesbildungsministerin: Kritik an Karliczek wegen Äußerungen zur Ehe für alle
Die Bildungsministerin fordert Studien zum Kindeswohl in Regenbogenfamilien. Für die Opposition ist das "Realitätsverweigerung" - die Studien gibt es längst.
SPD, Grüne und Linke haben Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) für Äußerungen zur Ehe für alle und zu Kindern mit homosexuellen Eltern scharf kritisiert. Die Linken-Abgeordnete Doris Achelwilm sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass Karliczek die Lebensbedingungen von Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern für nicht ausreichend erforscht halte, sei "ärgerliche Realitätsverweigerung".
Karliczek kleide "Vorurteile in unsachgemäße Scheinargumente". Gesellschaft und Wissenschaft würden ausreichend Belege liefern, dass es Kindern aus Regenbogenfamilien nicht schlechter gehe als anderen.
Es gibt bereits viele Studien zu Regenbogenfamilien
Tatsächlich gibt es bereits zahlreiche Studien aus dem In- und Ausland, die Situation von Kindern in Regenbogenfamilien beleuchten. Die vermutlich umfangreichste dazu stammt aus den USA: Es ist eine Langzeitstudie, die lesbische Paare und deren Kinder zum Teil seit den 1980er Jahren begleitet (eine Übersicht findet sich hier). Erst in vergangenem Jahr war ein Update der Studie herausgekommen. Tenor damals: Die Kinder dieser Familien wachsen wie in anderen Familien auch auf - und haben auch in späteren Jahren keine Nachteile gegenüber in anderen Familienformen aufgewachsenen Personen.
Die Bundesregierung selber hatte das Kindeswohl in Regenbogenfamilien sogar schon 2009 untersuchen lassen, im Auftrag der damaligen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Auch bei dieser Studie kam heraus, dass diese Kinder sich genauso gut entwickeln wie Kinder in traditionellen Familienformen (diese Studie findet sich hier, und unter diesem Link sind 34 weitere wissenschaftliche Artikel zu dem Thema aufgeführt).
Karliczek verbreite "diskriminierenden Unsinn", heißt es von den Linken
Karliczek hatte zudem gesagt, dass die Einführung der Ehe für alle nicht ausreichend gesellschaftlich debattiert worden sei. Auch das sei "diskriminierender Unsinn", sagte Achelwilm. "Die 'Ehe für alle' konnte 2017 im Bundestag deswegen beschlossen werden, weil die Mehrheit der Bevölkerung längst dafür war." Umfragen hatten damals tatsächlich eine breite Zustimmung zur Ehe für alle gezeigt - selbst unter Unionsanhängern.
Der Grünen-Abgeordnete Sven Lehmann warf der Ministerin eine "hinterwäldlerische Haltung" vor. Karliczek habe "offenbar die letzten Jahrzehnte geschlafen", sagte Lehmann den Funke-Zeitungen. Auch Lehmann bezog sich auf die zahlreichen vorliegenden Studien über Kinder gleichgeschlechtlicher Elternpaare.
Auch Familienministerin Giffey kritisiert ihre Kabinettskollegin
Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) wies Karliczeks Äußerungen zurück. "Schon heute belegen Studien, dass sich Kinder in homosexuellen Partnerschaften genauso gut entwickeln wie in Familien mit Mutter und Vater", sagte Giffey den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Was zählt, ist, dass sich Menschen liebevoll um ihre Kinder kümmern. Kinder brauchen ein gutes Familienklima und gute Beziehungen zu denen, die für sie sorgen."
Karliczek hatte sich in einem Interview mit dem Nachrichtensender n-tv für eine Langzeitstudie zur Frage ausgesprochen, welche Auswirkungen gleichgeschlechtliche Elternschaft auf Kinder hat. Es gehe um die Frage "ändert es grundsätzlich etwas". Zugleich kritisierte sie, die Ehe für alle sei überstürzt eingeführt worden. Bei der Abstimmung im Bundestag 2017 hatte sie gegen die Einführung der Ehe für alle gestimmt.
Zur Kritik an ihren Äußerungen wollte sich Karliczek am Donnerstag auf Anfrage nicht äußern. (Qsp/AFP)
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