Denkmal für die homosexuelle Emanzipationsbewegung: Jury entscheidet sich für "Calla"-Entwurf
Magnus Hirschfeld setzte sich schon vor über 100 Jahren für die Rechte Homosexueller ein. 2016 soll gegenüber vom Kanzleramt ein neues Denkmal daran erinnern. Jetzt wurde der Sieger-Entwurf ausgewählt.
Sie sind schön bunt und vor allem ein Hingucker. Deshalb entschied sich die Jury für den Entwurf "Calla". Die Lilienart hat männliche und weibliche Blüten auf derselben Pflanze - auch das ein Grund für die Prämierung. Das geplante „Denkmal für die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung“ soll im Sommer 2016 am Magnus-Hirschfeld-Ufer gegenüber dem Kanzleramt an der Spree errichtet werden. Die neunköpfige Jury gab ihre Entscheidung am Freitagabend bekannt. Fünf Entwürfe standen zur Auswahl, sie sind noch bis Sonntag im Haus der Kulturen der Welt im Tiergarten ausgestellt.
Bei einer feierlichen Eröffnungsveranstaltung hatten der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Berlin-Brandenburg und die Universität der Künste (UdK) die Entwürfe am 5. November vorgestellt. Etwa 200 Gäste kamen ins Haus der Kulturen der Welt, darunter der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und die Vizepräsidentin des Bundestages, Petra Pau. Auch Jan Stöß, Daniel Wesener und Klaus Lederer, die Landesvorsitzenden von SPD, Grünen und Linken, sowie Piraten-Fraktionsvorsitzender Alexander Spies nahmen an der Veranstaltung teil.
Die Entwürfe entstanden als Gemeinschaftswerk
2013 begannen neun Studentinnen und Studenten der UdK unter der Leitung von Dozent Wolfgang Kapp mit der Arbeit an dem Projekt. Herausgekommen sind fünf sehr unterschiedliche Entwürfe, die alle in gemeinsamer Arbeit des internationalen Künstlerteams entstanden sind. „Wir wollen einen Wettbewerb der Eitelkeiten im Kunstbetrieb verhindern“, sagt Jörg Steinert, Geschäftsführer des LSVD Berlin-Brandenburg.
Die Entwürfe sind allesamt sehr bunt. Damit heben sie sich deutlich ab vom massiv-grauen Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Tiergarten. Dieser starke Kontrast ist durchaus gewollt, schließlich soll das neue Denkmal den Kampf um gleiche Rechte und nicht die Verfolgung Homosexueller in den Mittelpunkt rücken. Ein Entwurf hat die Form einer sich auftürmenden Welle und soll die Stärke der Bewegung symbolisieren. Ein weiterer animiert die Besucher zum Zerkratzen einer schwarzen Oberfläche, um die darunter liegenden Regenbogenfarben freizulegen. Der ungewöhnlichste Entwurf zeigt sechs große Calla-Lilien in verschiedenen Farben. Diese Blume zeichnet sich durch das Vorhandensein von weiblichen und männlichen Blüten auf ein und demselben Exemplar aus und soll somit die Vielfalt sexueller Identitäten veranschaulichen.
Mit der „ersten homosexuellen Emanzipationsbewegung“ will der LSVD an das 1897 in Berlin gegründete Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (WhK) gedenken. Diese Organisation um den Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld setzten sich unter anderem für die Abschaffung diskriminierender Gesetze ein. 1919 gründete Hirschfeld am Spreeufer zwischen dem heutigen Kanzleramt und dem Haus der Kulturen der Welt das einst weltberühmte Institut für Sexualwissenschaft. Dieses wurde 1933 vom NS-Regime jedoch zerstört und Bücher von Hirschfeld auf dem Bebelplatz verbrannt. Seit 2008 trägt das dem ehemaligen Institut für Sexualwissenschaft gegenüberliegende Ufer der Spree den Namen Hirschfelds, das „andere Ufer“, wie der LSVD sagt. Dort stehen seit 2011 auch zwei Infotafeln, die auf den geplanten Bau eines Denkmals hinweisen.
Mit dem ersten Spatenstich rechnet Jörg Steinert im Frühjahr. „Wir haben einen Teil des formalen Prozesses schon hinter uns und hoffen, dass das Denkmal dann im Spätsommer oder Frühherbst eingeweiht werden kann“, hofft Steinert. Die Gesamtkosten von etwa 200.000 Euro werden durch Spenden und Mittel aus der Lotto Stiftung Berlin getragen, der Bezirk stellt das Grundstück kostenfrei zur Verfügung. Die Entwürfe sind bei freiem Eintritt noch bis zum 15. November von 10 bis 19 Uhr im Haus der Kulturen der Welt zu sehen.
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