Homosexualität und Integration: Flüchtlinge sollen "Respekt" vor Homo- und Transsexuellen lernen
Der LSVD fordert, "Vielfalt" verpflichtend in Integrationskursen für Flüchtlinge zu thematisieren. Ein Brief an Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) ist auf dem Weg.
Bei der Integration von Flüchtlingen sollen auch Homo- und Transthemen aufgegriffen werden. Das fordert der LSVD von der Bundesregierung. Nicht nur Arbeitsmarkt, Schulpolitik und Gesundheit seien für die Integration unabdingbar, sondern „auch das gesellschaftliche Miteinander“, heißt es in einem Brief, den Manfred Bruns und Henny Engels vom Bundesvorstand des LSVD an Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) geschrieben haben. Anlass ist die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema „Integration von Flüchtlingen“, die bis zum März ein Konzept vorlegen soll.
„Viele Flüchtlinge kommen aus Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Beziehungen strafrechtlich verboten sind, in denen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen staatlich und gesellschaftlich massiv verfolgt werden“, schreiben Bruns und Engels. „Auch wenn die Menschen vor Unterdrückung, vor undemokratischen Zuständen oder Krieg in ihrer Heimat flüchten, ist doch anzunehmen, dass viele gesellschaftliche Prägungen ihrer Herkunftsländer mit im kulturellen Gepäck haben, zum Beispiel hinsichtlich Geschlechterrollen oder Einstellungen zu unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten.“ Dies müsse bei den Integrationsangeboten berücksichtigt werden.
"Für Demokratie und Freiheitsrechte werben"
So sollten alle Programme zur Integration sowie alle Materialien zum Spracherwerb darauf ausgerichtet werden, „dass sie für Demokratie, Vielfalt und individuelle Freiheitsrechte werben“. Lebenswirklichkeiten von LSBTI müssten in Integrationskursen verpflichtend thematisiert, dabei „Respekt“ eingefordert werden. Bislang hätten die Verantwortlichen sich geweigert, das Thema LSBTI in den Curricula zu verankern. Die Kurse müssten von „interkulturell qualifiziertem und auch für LSBTI sensibilisiertem Personal durchgeführt werden“. Und anders als bislang müssten Flüchtlinge schon vor der Klärung ihres Status durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an Kursen teilnehmen dürfen.
Flüchtlinge müssten in menschenwürdigen Unterkünften untergebracht und vor Gewalt geschützt werden, schreiben Bruns und Engels. Die Träger der Einrichtungen müssten „verbindliche Mindeststandards einhalten, etwa verbindliche und kommunizierte Hausordnungen, die ein rücksichtsvolles und diskriminierungsfreies Zusammenleben einfordern“.
"Homophob sind offenbar immer die anderen"
Trotz solcher Hinweise sei anzumerken, „dass auch in Deutschland gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt weder verwirklicht noch gesichert sind“. Die gegenwärtige Debatte sei von „Doppelmoral und Scheinheiligkeit“ geprägt: „Homophob sind offenbar immer die anderen.“ Es sei unglaubwürdig, wenn lautstark vor der Homo- und Transphobie der Flüchtlinge gewarnt werde, aber gleichzeitig homo- und transphobe Diskriminierungen im deutschen Recht verteidigt werden: „Gegen diese Instrumentalisierung von Minderheiten erheben wir Einspruch.“ Bruns und Henny schließen mit dem Hinweis, „die erschreckenden polemischen und verleumderischen Widerstände sowohl auf politischer als auch gesellschaftlicher Ebene gegen eine Pädagogik der Vielfalt“ machten „allzu deutlich, dass so manche Kräfte in Deutschland in Sachen Respekt und Akzeptanz Nachholbedarf haben.“
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