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Autor und Hetzredner: Akif Pirincci.
© picture alliance / dpa

Homophobie im "Börsenblatt": Eine Akif Pirinçci-Werbung und ihre Folgen

Das "Börsenblatt" hatte eine Anzeige für Akif Pirinçcis neues, homosexuellenfeindliches Buch gedruckt. Das war ein Fehler, sagt jetzt der Chefredakteur des Magazins.

Die Anzeige enthält den Titel des Buchs gleich doppelt: „Homosexualität gibt es nicht“. Und zwar, heißt es da weiter, „weil es keine homosexuelle Fortpflanzung gibt“. Zwei aktuelle Bücher des Manuscriptum-Verlags wurden im „Börsenblatt“ vom 14. Oktober zur Buchmesse beworben: neben Andreas Lombards schon per Titel die Homosexuellen diskriminierenden Buch auch Akif Pirinçcis „Große Verschwulung“.

Der deutsch-türkische Krimi- und Sachbuchautor war letzte Woche wegen seiner Dresdner Pegida-Hetzrede in die Schlagzeilen geraten. Darin äußerte er sich zynisch darüber, dass die „KZ ja leider außer Betrieb“ seien - die Staatsanwaltschaft ermittelt, seine früheren Verlage nahmen seine Krimis aus dem Programm. Mit dem Ausspruch stilisierte er Pegida damit auf unerträgliche Art zu Opfern, zu den neuen Juden, für die nur heute "leider" keine KZs mehr gebaut werden könnten. In seinem neuen Buch, so der Werbetext des Manuscriptum-Verlags, kämpfe Pirincci gegen „Verweichlichung, Gleichmacherei und Gender-Propaganda“.

Das "Börsenblatt" erhielt Protestbriefe, etwa von der Magnus-Hirschfeld-Bundesstiftung

Hat das „Börsenblatt“ die Anzeige blindlings gedruckt? Wie kommen solche Cover samt homosexuellenfeindichen Erläuterungen in ein seriöses Branchen-Magazin? Oder schließt die Meinungsfreiheit das Recht auf solche Werbung mit ein? „Börsenblatt“-Chefredakteur Torsten Casimir stellt im Editorial der aktuellen Ausgabe unmissverständlich klar, dass es ein Fehler war, die Anzeige zu drucken. Auch legt er das Für und Wider sowie die eigene Verantwortung offen: „Juristen erklären, die Werbung sei im Sinne der Meinungsfreiheit hinzunehmen. Ein gewichtiges Argument! Wir hätten die Anzeige gleichwohl ablehnen dürfen, der Verlag hätte uns zur Annahme nicht zwingen können. Die Entscheidung war also zurechenbar. Sie war verkehrt“. Nach den jüngsten Ereignissen, fügt Casimir hinzu, wäre ihm wohler, das Blatt hätte „keine Verbreitungshilfe“ für Pirinçci geleistet. Auch distanziert er sich im Namen der Kollegen von „sexistischen, rassistischen, homophoben oder anderen idiotischen Weltbildern“.

Mit dem Editorial reagiert das Blatt nicht zuletzt auf ein Protestschreiben seitens der Bundesstiftung

Magnus Hirschfeld gegen die „skandalöse“ Anzeige. Deren Verbreitung stelle gerade angesichts der Ankunft vieler auch homosexueller und transsexueller Flüchtlinge einen Tabubruch dar, schreibt Stiftungsvorstand Jörg Litwinschuh. Auf diese Weise helfe man den Buchautoren dabei, „längst wiederlegte Lügen und Vorurteile“ zu verbreiten. Auch der Quer-Verlag hatte das „Börsenblatt“ aufgefordert, sich von den Buchveröffentlichungen zu distanzieren, und seine Mitgliedschaft im Börsenverein in Frage gestellt.

Ein interessantes Postskriptum zum Buchmessen-Schwerpunkt Meinungsfreiheit

Der Fall ist ein bedenkenswertes Postskriptum zur diesjährigen Buchmesse, die ja im Zeichen der Meinungsfreiheit gestanden hatte, mit prominenten Auftritten etwa von Salman Rushdie und Navid Kermani.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Integration von Akif Pirinçci voll in die Hose gegangen ist und möchte anregen, ihn an einem 600-stündigen Integrationskurs für Flüchtlinge teilnehmen zu lassen.

schreibt NutzerIn kraftsportler

In der Tat schützt das hohe Gut der Meinungsfreiheit auch Pegida-Demos und Diskriminierung, soweit sie keinen Straftatbestand erfüllt. Das ist oft schwer auszuhalten. Aber da ist auch die Wahlfreiheit des Marktes, Geschäfte nach eigenem Belieben zu betreiben und im Zweifel auf Profit zu verzichten. Bei Pirinçci und Co. können Buchhandel und Medien getrost von dieser Freiheit Gebrauch machen.

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Hinweis: In einer früheren Version dieses Beitrags wurde Akif Pirinccis "KZ-Spruch" falsch wiedergegeben. Es ging in der Rede nicht um ein Bedauern über inzwischen geschlossene KZs, sondern um eine Ironisierung, die allerdings nicht weniger widerwärtig ist. Mehr dazu lesen Sie hier.

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