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Aus der Praxis. Kuratorin Rori Dior hat die „Objects of Desire“ zusammengestellt. Zuvor gab es die Ausstellung schon in London.
© Kitty Kleist-Heinrich

Ausstellung "Objects of Desire": Dinge aus dem Alltag von Sexarbeitern

Parfum, Pumps, Porträts – das Schwule Museum in Tiergarten stellt Arbeitsgegenstände und Kunst von Sexarbeitern aus.

In einer Vitrine steht ein Fläschchen Parfüm, Original 4711, darunter eine Packung Waschpulver. Schlammverkrustete Turnschuhe werden ausgestellt neben schwarzweißen Plateau-Pumps, mindestens 15 Zentimeter Absatz. Alles alltägliche Objekte, die Menschen mit ihrer Arbeit verbinden. Die Menschen, deren Alltag die Ausstellung „Objects of Desire“ porträtiert, kommen aus unterschiedlichen Ländern und leben unterschiedliche sexuelle Vorlieben aus. Sie alle eint, dass sie Sexarbeiter sind.

Die Ausstellung im Schwulen Museum in Tiergarten stellt Sexarbeit oder Prostitution als eine Form der Arbeit dar und möchte ihr das Stigma nehmen. Die „Objects of Desire“ sind Objekte der Lust, aber auch Objekte der Arbeit. Man nehme das Fläschchen 4711: Die Person, die es der Ausstellung gegeben hat, sprüht es üblicherweise auf ihre Bettwäsche, bevor sie Kunden empfängt. Der Zitrusgeruch erfrischt die Luft im Raum, und gleichzeitig würden es sich die Kunden weniger bequem machen an ihrem Arbeitsplatz.

Die Objekte erzählen von Gewalt und Langeweile

„Die Objekte erzählen glückliche und traurige Geschichten, sie erzählen von Gewalt und von Langeweile“, sagt die Kuratorin, die sich Rori Dior nennt. Die studierte Anthropologin arbeitet ebenfalls als Sexarbeiterin. Sie lebte in London, wo sie im Sommer 2016 mit zwei Ko-Kuratorinnen die erste „Objects of Desire“-Ausstellung zusammenstellte. „Wir haben uns über die Dinge unterhalten, die unseren Alltag in der Sexarbeit bestimmen“, zum Beispiel, welches Handtuch sie für Kunden bereithielten.

Dabei sei die Idee gekommen, ein Archiv mit diesen alltäglichen Objekten zusammenzustellen. „Wir wollen die Mythen über Sexarbeit überwinden. Wir sind mehr als nur traurige Opfer oder ermächtigte Sexarbeiterinnen“, sagt Dior. Die Kuratorinnen haben mit für die Ausstellung mit möglichst vielen verschiedene Sexarbeitern zusammengearbeitet, um diese Vielfalt zu zeigen. Das Straßenstrichprojekt „Olga“ in der benachbarten Kurfürstenstraße hat eine Fotoserie beigesteuert, die Sexarbeiterinnen im Kiez 2014 von ihrem Alltag gemacht haben.

Viele der Objekte sind Geschenke von Kunden. Sie erzählen von Macht in dieser geschäftlichen Beziehung. „Wenn ich ein Geschenk bekomme, erwartet der Kunde, dass ich mehr gebe“, steht unter einem Schmuckdöschen.

Ein Bereich ist dem neuen Prostituiertenschutzgesetz gewidmet

Der zweite Teil der Ausstellung entfernt sich vom Archiv und zeigt Kunstwerke von Sexarbeitern. Eine Sammlung von Origami-Tierchen beispielsweise, gefaltet von „Roderik“. Während eines Arbeitstages hat Roderik viel Leerlauf, das sei bei dem Beruf normal, steht in der Beschreibung zum Werk. Dann faltet er Origami. Wenn ein Kunde klingelt, räumt er alles schnell weg. Rori Dior nimmt Platz auf einem überdimensionierten eisernen Schaukelpferd mit exponierten Brüsten und einem Penis als Griff. „Schmerzmöbel“, die eine der ausgestellten Künstlerinnen herstellt, inspiriert von Sadomaso.

Ein Séparée ist dem neuen Prostituiertenschutzgesetz gewidmet, das Arbeit und Leben von Sexarbeitern in Deutschland im vergangenen Jahr stark beeinflusst hat. 2017 in Kraft getreten, hat es unter anderem eine Registrierpflicht für Sexarbeiter eingeführt. Sie müssen einen Ausweis bei sich tragen, der sie als Prostituierte identifiziert. In vielen Bundesländern, auch Berlin, war es erst Monate nach der eigentlichen Frist möglich, sich zu registrieren, weil nicht klar war, welche Behörde zuständig ist. Gerade wegen dieser Situation wollte das Kollektiv die Ausstellung nach Berlin bringen.

Viele ausländische Sexarbeiter fürchten, dass ihre Daten an ihre Heimat weitergegeben werden

An einer Wand hängen Aussagen von Sexarbeitern zur Registrierpflicht. Sie zeugen vom unsensiblen Umgang der Behörden mit dem stigmatisierten Beruf. Zu Registrierende werden nicht ernst genommen oder ihre Motivation, diesen Beruf auszuüben wird von behördlicher Stelle angezweifelt. Eine Person schreibt, sie verweigere die Registrierung aus Gründen der mangelnden Privatsphäre. „Die Sachbearbeiterin konnte mir nicht sagen, was mit meinen Daten passiert“, steht in einem anderen Protokoll, registriert hat sich die Betroffene trotzdem.

Besonders für ausländische Sexarbeiter, die sowieso stärker von Ausbeutung betroffen sind, ist es wichtig zu wissen, was mit Namens- und Adressangaben passiert. Viele fürchten, dass deutsche Behörden ihre Daten an die Behörden in ihrer Heimat weitergeben, wo Prostitution und Sexarbeit womöglich illegal sind. Eine andere Person vergleicht das Gesetz mit dem „Hurenpass“, der zuletzt während des Nationalsozialismus verpflichtend war.

Die Kuratorinnen geben ihrem Behördenfrust ein Gesicht: In einer Videoinstallation sitzt eine Hexe in Korsett, Nylonstrümpfen und blauen Highheels hinter ihrem Schreibtisch. Sie arbeitet im „Hurenamt“, welches fiktional im Keller des Schwulen Museums angesiedelt ist. Von hier trägt sie den Zuschauern die gesetzlichen Pflichten vor, Registrierung, Gesundheitsberatung, Kondompflicht, leckt sich dabei die Lippen und stößt rhythmisch übergroße Stempel auf Papier. Eine Parodie auf das Gesetz, das zwar im Namen Prostituierte schützen soll, aber schon vor der Verabschiedung von Branchenverbänden scharf kritisiert wurde.

Im Schwulen Museum liegt die größte Sammlung zur LGBTQ-Geschichte in Deutschland

Dass die Ausstellung im Schwulen Museum stattfinden kann, ist den Kuratorinnen besonders wichtig. Das Archiv der Objekte soll wachsen, hoffentlich bald auch außerhalb Europas. Im Schwulen Museum sieht sie ihr Vorbild: Hier liegt mit geschätzt 1,5 Millionen Archivalien die größte Sammlung zur LGBTQ-Geschichte in Deutschland. 1985, als man zu sammeln begann, damals noch hauptsächlich zu männlicher Homosexualität, war diese stärker stigmatisiert als heute.

Ein Archiv zeigt nicht allein Objekte, sondern Geschichten. Ob es nun ein Sommerkleid ist, der Geschenkkorb eines Kunden aus Danzig oder ein schlichtes schwarzes Tagebuch, in dem ein Sexarbeiter Termine notierte, an denen er Sex hatte, beruflich oder privat, – die Objekte repräsentieren soziale Beziehungen, zu Kunden, Liebhabern, Familien. Sie zeigen ihren Arbeitsalltag und ihr Privatleben als ganz normale Menschen.

Objects of Desire, bis 1. Juni. So, Mo, Mi, Fr 14-18 Uhr, Do 14-20 Uhr, Sa 14-19 Uhr, Di Ruhetag. Eintritt 7,50 Euro, ermäßigt 4 Euro. Schwules Museum, Lützowstr. 73, www.schwulesmuseum.de

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