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Passanten legen vor der Botschaft der USA am Brandenburger Tor im Gedenken der Opfer des Attentats in Orlando Blumen nieder. Das Land Berlin verzichtet aber auf eine eigene Geste des Gedenkens.
© Kay Nietfeld/dpaDas Das Land berlin ve
Update

Gedenken an die Opfer von Orlando: "Die Welt in Regenbogenfarben - nur Berlin bleibt grau"

Am Samstag wird es eine weitere Mahnwache am Brandenburger Tor zum Gedenken an die Opfer von Orlando geben. Noch ist unklar, ob das Tor in Regenbogenfarben angeleuchtet wird - die Kritik am Land Berlin wächst deswegen.

Am Samstagabend soll es eine weitere Mahnwache am Brandenburger Tor für die Opfer des Anschlags von Orlando geben. „Wir hatten das Gefühl, dass die Berliner LGBTQ-Community noch nicht wirklich dazu gekommen ist zusammen zu kommen, um der Opfer des Angriffs zu gedenken und um sie zu trauern“, heißt es in einem Aufruf auf Facebook, der von den bekannten Drag Queens Margot Schlönzke und Ryan Stecken ausgeht. Ob das Land Berlin dann auch das Brandenburger Tor in Regenbogenfarben anstrahlen lässt, um ein Zeichen der Solidarität mit Lesben, Schwulen und Transgender zu setzen, ist noch nicht geklärt. Die Organisatoren der Mahnwache wünschen sich das, „wir haben bereits einen Antrag beim Regierenden Bürgermeister gestellt“, sagt Margot Schlönzke. Noch habe man aber keine Rückmeldung. Die Senatskanzlei, die darüber zu entscheiden hat, hat bisher auch Anfragen des Tagesspiegels zu dem Thema unbeantwortet gelassen.

Anders als Berlin haben viele Metropolen weltweit bereits mit großen Gesten ihre Solidarität mit Schwulen, Lesben und Transgender ausgedrückt, denen die Tat in dem queeren Nachtclub "Pulse" galt: Paris ließ am Montagabend den Eiffelturm in Regenbogenfarben anleuchten, Sydney seine Harbour Bridge, New York das One World Trade Centre. Das Brandenburger Tor wurde bisher nicht als Zeichen der Solidarität angeleuchtet - anders als nach den Anschlägen von Paris und Brüssel, als auf das Tor die französischen beziehungsweise belgischen Landesfarben projiziert wurden.

Kritik an der Bundesregierung und am Senat

Warum Berlin - weltweit eine der beliebtesten Städte der LGBTI-Community - jetzt darauf verzichtete, ist bisher unklar. Eine entsprechende Anfrage des Tagesspiegels beantwortete die Senatskanzlei bislang nicht. Ebenso ist daher ungeklärt, ob vom Senat andere Formen des Gedenkens an Orlando erwogen worden sind - zum Beispiel, am Roten Rathaus oder am Abgeordnetenhaus die Regenbogenfahne auf Halbmast zu hissen.

Für Margot Schlönzke ist die Regenbogenbeleuchtung ein "wichtiges Signal der Solidarität": "Dass ausgerechnet Berlin da nichts gemacht hat, fällt negativ auf." An der Technik könne es nicht liegen, schließlich sei das Brandenburger Tor schon einmal zum Festival of Lights in Regenbogenfarben angeleuchtet worden: "Und sollte doch eine Folie für die Scheinwerfer fehlen, bringen wir sie zur Not selber mit." Schlönzke hofft, dass auch viele heterosexuelle Menschen zu der Mahnwache kommen: "Es wäre ein schönes Signal, gemeinsam ein Zeichen zu setzen - so wie wir auch nach Paris und anderen schrecklichen Ereignissen gemeinsam ein Zeichen gesetzt haben."

Zwar hatte es auch in Berlin am Montagmittag eine Gedenkveranstaltung vor dem Brandenburger Tor gegeben, zu der hunderte Menschen kamen, Blumen und Kränze niederlegten. Zu der aber hatte der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) in Berlin aufgerufen und Abgeordnete aus allen Parteien eingeladen. Nach Angaben von LSVD-Geschäftsführer Jörg Steinert folgten Abgeordnete von Grünen, Linken und der CDU der Einladung, ebenso kam Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD).

Merkel erwähnt Lesben und Schwule in ihrer Erklärung nicht

Innensenator Frank Henkel sprach am Montag in einer Pressemitteilung von einem "unfassbaren Verbrechen". Wieder einmal werde deutlich, "wie verletzbar unsere offenen Gesellschaften sind und wie sehr einige unser freiheitliches Lebensgefühl verabscheuen", erklärte Henkel.

Allerdings verzichtete Henkel darauf, die Worte "homosexuell", "schwul", "lesbisch" und "Transgender" zu verwenden - was beim LSVD auf Verwunderung stößt: "Das ist schon traurig. Da geht es nicht mal um große Aktionen, aber wenigstens um klare Worte", sagt Steinert. Es müsse öffentlich benannt werden, dass der Anschlag Schwulen, Lesben und Transgender galt.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in ihrer kurzen Erklärung nach dem Attentat nicht erwähnt, dass es sich um ein Hassverbrechen gegen Schwule und Lesben handelte - anders als zum Beispiel US-Präsident Barack Obama oder Kanadas Premierminister Justin Trudeau, die explizit ihre Solidarität mit LGBTs ausdrückten. Frankreichs Präsident Francois Hollande sprach von einem "schauerlichen homophoben Blutbad".

Britta Haßelmann, die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, kritisiert Merkel: Es sei "völlig unverständlich, warum Teile der Bundesregierung und insbesondere die Bundeskanzlerin bis heute nicht in der Lage zu sein scheinen, öffentlich zu benennen, gegen welche Menschen sich dieses furchtbare Massaker richtete: Gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender und ihre Freundinnen und Freunde." Wenn man aber Attentate wie dieses verhindern wolle, müsse jegliche Form von Hass und Menschenfeindlichkeit gemeinsam entschlossen bekämpft werden: "Dazu gehört es, diesen Hass klar und eindeutig zu identifizieren und zu benennen."

Der LSVD schreibt an Merkel und Müller

Die Grünen-Politiker Volker Beck und Daniel Wesener haben in einem Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller jetzt nachgefragt, warum Berlin kein Zeichen der Solidarität und der Trauer setzt. "Die Welt erstrahlt in Regenbogenfarben - nur Berlin bleibt grau", kritisieren sie in dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt. Gerade von so einer vielfältigen, bunten, queeren Stadt wie Berlin, deren ehemaliger Bürgermeister mit den Worten „Ich bin schwul – und das ist auch gut so“ Geschichte geschrieben habe, würden sie ein "deutliches Zeichen der Solidarität und Anteilnahme" erwarten: "Es ist schade, dass die Stadt Berlin nicht reagiert hat und jetzt Aktivist*innen die Beleuchtung des Brandenburger Tors selbst auf die Beine stellen wollen beziehungsweise müssen."

Auch der LSVD Berlin hat in der Sache inzwischen Briefe an Merkel und an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller geschrieben, die dem Tagesspiegel ebenfalls vorliegen. So werden beide gebeten, ein "deutliches Zeichen zu setzen, das der großen Trauer mit den Opfern und ihren Angehörigen und der Solidarität mit der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgender-Community gerecht wird." An Merkel formuliert der LSVD die zusätzliche Bitte, "sich bei einer der zahlreichen Aktivitäten um den Christopher Street Day erstmals einzubringen": "Bitte machen Sie deutlich, dass Sie die Bundeskanzlerin aller Menschen im Lande sind und der Kampf gegen Homophobie und Transphobie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist."

- Die Mahnwache "Berlin for Orlando" findet am Samstag ab 21 Uhr auf dem Pariser Platz statt.

Dieser Text erscheint auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an:queer@tagesspiegel.de.

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Tilmann Warnecke

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