Münster: Deutsche Bahn zeigt "Homosexualität_en"-Plakat nun doch
In Berlin wurde das Poster zur Ausstellung des Schwulen Museums 2015 noch in allen S-Bahnen gezeigt. 2016 war es der Deutschen Bahn in Münster zu sexistisch. Dann einigte man sich doch noch.
2015 hing das Plakat schon einmal in allen Bezirken und Straßen von Berlin. Auch in der S-Bahn, die zur Deutschen Bahn gehört. 2016 war ein identisches Plakat der Deutschen Bahn zunächst zu "sexistisch". Es geht um ein Poster anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Homosexualität_en“ im LWL - Museum für Kunst und Kultur in Münster am 12. Mai 2016. Auf dem Plakat ist das "Körpermodifikationsprojekt 'Advertisment: Hommage to Benglis'" des_der kanadischen Künstler_in Heather Cassils zu sehen, auf dem er_sie mit nacktem Oberkörper, Jockstrap, Brustwarzen-Piercing und rot bemalten Lippen abgebildet ist. Das Bild soll Geschlechternormen infrage stellen. Die Ausstellung wird von der Kulturstiftung des Bundes sowie der Kulturstiftung der Länder gefördert.
2015 hatte die Bahn kein Problem damit, das gleiche Plakat in der S-Bahn in Berlin zu zeigen - zu dieser Zeit anlässlich der Eröffnung der Doppelausstellung im Schwulen Museum* und dem Deutschen Historischen Museum. Im Vorfeld der Ausstellungseröffnung in Münster hat das Fachreferat Media & Buch, zuständig für die Motivgenehmigung bei der Deutschen Bahn AG nun allerdings veranlasst, das identische Plakatmotiv nicht in den regionalen Bahnhöfen aufzuhängen, da es als „sexualisiertes“ und „sexistisches“ Bild den Richtlinien des Deutschen Werberates widersprechen würde.
Die Bahn wies an, die Plakate nicht in ihren Bahnhöfen aufzuhängen
Die Bahn hat daraufhin die Firma Ströer angewiesen, die entsprechenden Plakate nicht in ihren Bahnhöfen aufzuhängen. Ströer ist dieser Anordnung gefolgt und hat dem LWL-Museum Ersatzflächen in der Stadt angeboten. Das LWL-Museum hat dieses Angebot angenommen. In Frankfurt, Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Hamburg wurden die Plakate in der Nähe von anderen Museen aufgehängt.
Die Deutsche Bahn erklärte dem LWL-Museum gegenüber, 2015 sei ihnen das Plakat "durchgerutsch" - eine Genehmigung sei ein Versehen gewesen. Das Schwule Museum schreibt in einer Mitteilung, die Deutsche Bahn habe generell kein Problem, körperbetonte Werbung zu zeigen - wenn es sich um "heteronormative" Menschen handele. Ein Bild, das offensichtlich heterosexuelle Normen in Frage stellt, wird dagegen „zensiert“. Die Entscheidung der Deutschen Bahn sei ein fatales Signal - besonders hinsichtlich eines Erstarkens rechtskonservativer Kräfte. Auf eine Medienfrage der Zeitschrift "Männer" habe ein DB-Sprecher gesagt, dass Plakat könne als "sexistisch" interpretiert werden. Er verwies auf eine höhere Sensibilität der Bahn-Kunden seit der Silvesternacht in Köln.
Das Schwule Museum protestiert
"Bei sexistischer o. freizügiger Werbung wird um Alternative gebeten. Gab es hier nicht. Freigabe erfolgt nach Einzelprüfung", schrieb die Deutsche Bahn über Twitter. "Da das Kunstwerk von Heather Cassils weder "freizügig" noch "sexistisch" ist, braucht es auch kein Alternativmotiv", entgegnete das Schwule Museum. Jan Schnorrenberg vom Schwulen Museum sagte, man habe der Deutsche Bahn eine Einladung zur Diskussion geschickt.
Das ist das Hauptproblem der Sexismusdebatte: Die meisten wissen nicht mal was Sexismus ist. [...] Wenn dieses Plakat von der Bahn abgelehnt wird, dann verstehe ich ehrlich gesagt nicht, warum sie aber Plakate für die Pornomesse Venus aufhängen. Das ist zwar weniger freizügig, allerdings ist die drapierte Dame auf diesem Bild der Inbegriff für die Darstellung der sexistischen Sicht auf die allzeit frei verfügbaren Geschlechtsteile der Frau.
schreibt NutzerIn senfkoeter
Auch richtete man einen Offenen Brief an die Deutsche Bahn. "Wir finden es diskussionswürdig, dass ein offensichtlich künstlerisches Werk diese Bewertung auslöst, während allerorten Werbung zu sehen ist, die durchaus den Tatbestand der Herabwürdigung erfüllt und das ohne mit expliziten Sexualisierungen zu arbeiten", heißt es in dem Schreiben. "Wir laden Sie hiermit ein, diese Diskussion mit uns zu führen, uns lhre Entscheidung zu diesem künstlerischen Werk zu erläutern und mit uns über unsere Sicht zu sprechen."
Auf eine Anfrage des Tagesspiegels reagierte die Deutsche Bahn am Dienstag: "Nach Gesprächen mit dem Landesmuseum in Münster hat die Deutsche Bahn ihre Bedenken gegenüber dem Werbemotiv zur Ausstellung Homo-Sexualitäten zurück gestellt und ihren Werbepartner entsprechend informiert."
Schnorrenberg vom Schwulen Museum Berlin dazu überrascht: "Das freut uns sehr. So schlimm kann das Plakat ja nicht gewesen sein." Auch beim LWL-Museum freute man sich sehr. Es gehe um das Signal. Welche Flächen man letzten Endes bekomme, stehe noch aus.
Ende gut, alles gut?
Die Ausstellung „Homosexualität_en“ läuft vom 13. Mai bis zum 04. September 2016 im LWL – Museum für Kunst und Kultur in Münster, Domplatz 10, 48143 Münster.