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Homophobie und Transfeindlichkeit sind weltweite Probleme.
© Sebastian Kahnert/dpa

Homophobie und Transfeindlichkeit: Bundesweiter Anstieg der Angriffe auf queere Menschen

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Straftaten gegen LGBTIQ* in Deutschland stark gestiegen. Die Grünen kritisieren, dass die Regierung zu wenig gegen Homo- und Transfeindlichkeit unternimmt.

Die Anzahl der Straf- und Gewalttaten gegen LGBTIQ* ist im vergangenen Jahr stark angestiegen. Das ergab jetzt die Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage von Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik und Queerpolitik der Grünen Bundestagsfraktion, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Der Bundesregierung zufolge gab es 2019 mindestens 564 politisch motivierte Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung, darunter 147 Gewalttaten. Unter dem Begriff „Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung“ erfasste die Bundesregierung „alle gegen Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuelle motivierten Straftaten“.

Drastischer Anstieg im Vergleich zum Vorjahr

Im Vergleich zu 2018 steigt die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen damit um über 60 Prozent und bei den Gewalttaten sogar um mehr als 70 Prozent. Die Zahlen könnten im Fall potentieller Nachtragsmeldungen noch weiter steigen und die Dunkelziffern dürften deutlich höher liegen. 

Damit zeigt sich auch auf Bundesebene ein Trend, der für Berlin bereits erfasst wurde: Von Januar bis Oktober 2019 wurden mindestens 261 Fälle von Hasskriminalität gegen LGBTIQ* Menschen gezählt. Im Vorjahr waren es im selben Zeitraum 184 Fälle.

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„Das ist nicht nur ein dramatischer Anstieg, sondern eine Bankrotterklärung der Bundesregierung, auf die mit kaum nennenswerten Maßnahmen zur Bekämpfung der Homo- und Transfeindlichkeit geantwortet wird“, meint Schauws.

Bildungspolitische Arbeit zur Gewaltprävention

Auf die Frage danach, was die Bundesregierung 2019 unternommen habe, um speziell homo- bzw. Transphobe Straftaten zu bekämpfen, betont die Regierung zwar, dass „dem Schutz vor Diskriminierung sowie präventiven Angeboten eine besondere Bedeutung“ zukomme. Sie nennt aber in ihrer Antwort nur wenige konkrete politische Maßnahmen, darunter vor allem Projekte und Angebote der Bundeszentrale für politische Bildung ( BpB), die zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit und zum Abbau von Vorurteilen beitragen sollen. Neben diesen bildungspolitischen Angeboten würde die Bundesregierung zivilgesellschaftliche Kräfte fördern, die sich sowohl auf kommunaler als auch auf regionaler Ebene gegen Homo- und Transfeindlichkeit einsetzen.  

Grüne fordern ein Bund-Länder-Programm

Sie schreibt, dass die Arbeit der bundeszentralen Träger, der Modellprojekte und der Einzelmaßnahmen zu mehr Akzeptanz beitragen und darüber hinaus Vorurteil abbauen würden. Wie diese „Förderung“ aussieht, wird nicht weiter ausgeführt oder konkretisiert. 

„Hetze und Gewalt gegen queere Menschen ist Alltag“, betont Schauws „deswegen braucht es eine Bundesregierung, die konsequent dagegen vorgeht.“ In Zusammenarbeit mit den Bundesländern sollte deshalb ein Bund-Länder-Programm auf den Weg gebracht werden, das Maßnahmen zur Prävention sowie Aus- bzw. Fortbildung von Polizei und Justiz fördert, meint Schauws.

Darüber hinaus sollten konkrete Ansprechpersonen für die Anliegen von LGBTIQ* Menschen in der Polizei eingerichtet werden, die über die nötigen Ausstattungen und Befugnisse verfügen. Denn Hassverbrechen und andere Straftaten gegen LGBTIQ* Menschen müssten besser erfasst werden. In Berlin gibt es bereits eine solche Ansprechperson.

Schutzkonzept für kranke und behinderte Queers fehlt

Dafür schlägt die Grünen-Politikerin einen Rat von unabhängigen Sachverständigen vor, der mindestens alle zwei Jahre einen Bericht vorlegt. Der Bericht sollte nach betroffenen Gruppen differenzieren und die objektive und subjektive kriminalitätsbezogene Sicherheit von LGBTIQ* Menschen erfassen. 

„Zudem müssen intersektionale Schutzkonzepte und Zufluchtsräume, insbesondere auch für trans- und intergeschlechtliche Menschen, entwickelt werden, die zudem auch den speziellen Bedürfnissen von erkrankten, behinderten und LSBTI of Color Rechnung tragen." Diese finden in der Antwort und den Maßnahmen der Bundesregierung nämlich keinerlei Berücksichtigung. 

Inga Hofmann

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