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Öffnet Türen. Bruder Franziskus mit Bildern der Ausstellung "Max ist Marie", in der es um Menschen geht, die ihr Geschlecht gewechselt haben.
© Kitty Kleist-Heinrich

Ausstellung in Berliner Kirche: Bruder Franziskus zeigt Fotos über sexuelle Vielfalt

Homo-, Trans- und Intersexualität in der Kirche? Für viele Christen ist das immer noch ein Tabu. Eine Kirchengemeinde in Schöneberg würdigt Menschen, die ihr Geschlecht gewechselt haben. Das hat Bruder Franziskus ermöglicht.

Marie war Max, und auch Aleks ist heute ein anderer als vor 20 Jahren. Die Hamburger Fotografin Kathrin Stahl hat Menschen wie Marie und Aleks porträtiert, die als Mädchen und Jungen auf die Welt gekommen sind und sich in ihrem angeborenen Geschlecht nie wohl fühlten. „Ich war immer auf der Suche nach einem Schlüssel, um mein eigenes inneres Ich zu verstehen“, schreibt zum Beispiel Xenia.

In der Pubertät merkte Xenia, dass sie gerne Frau wäre. Später wagte sie den Schritt und ließ ihr Geschlecht angleichen. Aus den Porträts machte Kathrin Stahl eine faszinierende Ausstellung, die in der Zwölf-Apostel-Kirche in Schöneberg zu sehen ist.

Auch ihr eigener Sohn machte sich auf den Weg und wurde zur Tochter. Ihn dabei zu begleiten, sei ihr am Anfang schwer gefallen, gesteht die Fotografin. Sie litt mit ihrer Tochter, wenn sie bei Behörden auf Unverständnis stieß und war schockiert, wie viel Ablehnung ihr begegnete.

Mit der Ausstellung will Kathrin Stahl „die Welt ein bisschen toleranter machen“. Neben den Fotos hängen Texttafeln, auf denen die Porträtierten über ihre Suche nach der Identität und ihr heutiges Leben berichten. Sie lesen sich wie Krimis – zum Glück mit Happy End.

Die evangelische Landeskirche öffnet sich

Die evangelische Landeskirche öffnet sich dem Thema sexuelle Vielfalt seit einiger Zeit mit großen Sprüngen, im Frühjahr hat die Landessynode beschlossen, die Segnung homosexueller Paare mit der Trauung von Hetero-Paaren gleichzustellen. Dass Kathrin Stahls Ausstellung in einer Kirche gezeigt werden kann, ist trotzdem etwas Besonderes. Und das liegt sehr an Bruder Franziskus.

Er ist 47, sitzt an diesem Sommertag in kurzer Hose, weißem Hemd und orangen Turnschuhen im Garten der Zwölf-Apostel-Gemeinde und erzählt von den Schlüsselerlebnissen in seiner eigenen Biografie: Als er elf war, wollte er nicht Feuerwehrmann werden, sondern Mönch. Der katholische Gemeindepfarrer in Bremerhaven erklärte dem Jungen, dass es wohl schwer werde, für ein uneheliches Kind wie ihn ein Kloster zu finden. Da bekam der Glaube des Jungen an die katholische Kirche einen tiefen Riss. Mit 14 wurde er evangelisch.

In St. Pauli begleitete Bruder Franziskus Aidskranke

Noch so ein Erlebnis 20 Jahre später: Nach dem Theologiestudium arbeitete er als Seelsorger in St. Pauli. Ein schwules Paar wünschte sich von ihm den Segen. Er hätte ihn gerne gespendet, doch in der Kirche wurde erst mal diskutiert und debattiert und lange hin- und her überlegt. Dann war einer der beiden Partner tot. „In der Seelsorge kann man nicht sagen: Jetzt diskutieren wir nochmal zehn Jahre“, sagt Bruder Franziskus und schüttelt energisch den Kopf. Er baute in Hamburg die Aidsseelsorge auf und setzte sich über viele „Ähs“ und „Hms“ und „geht nicht“ hinweg.

Doch irgendwann war das Leid der vielen Aidskranken – „ständig musste ich 18-Jährige beerdigen“ – auch für ihn zu viel. Er suchte etwas Neues, arbeitete als Journalist und verwirklichte schließlich seinen Traum vom Klosterleben in der Nähe von Erfurt. Dort entdeckte er ein Benediktiner-Kloster, das auch Evangelischen offen steht. Dort fühlte er sich eine zeitlang sehr wohl. Doch dann zog es ihn wieder in die Welt hinaus, diesmal nach Berlin.

Warum nicht ein eigenes Kloster gründen?, fragte er sich und legte mit einem guten Dutzend Sympathisanten los. Engagement traf auf Kirchenbehörde, doch nach zwei harten Jahren gab die evangelische Landeskirche ihre Zustimmung zum ökumenischen „Rogate-Kloster St. Michael“. Bis eigene Räume gefunden sind, ist der Klosterverein zu Gast in Zwölf-Aposteln, die sich in den vergangenen 15 Jahren zu einer Gemeinde „mit großem Freiraum“ entwickelt hat, wie Franziskus sagt.

Der Buchstabe tötet, es kommt auf den Geist der Bibel an

Mit der Gemeinde zog der Klosterverein von Anfang an an einem Strang, wenn es darum geht, sich für ausgegrenzte Minderheiten einzusetzen. Die Gemeinde kümmert sich seit Jahren um Prostituierte, Obdachlose und andere Gestrandete. Und auch wenn sich beim Schöneberger Regenbogen-Stadtfest im Juni 250.000 Leute im Kiez tummeln, sperrt die Gemeinde mittlerweile die Kirchentüren auf und lädt zum Gottesdienst. „Berlin braucht Vielfalt, auch christliche Vielfalt“, sagt Bruder Franziskus. „Es ist gut zu beten, aber es ist auch gut, für die Suppenküche Karotten zu schnippeln und sich für die Rechte anderer einzusetzen.“

Was die sexuelle Vielfalt angeht, ist er überzeugt, „dass sich Gott was dabei gedacht hat, dass er uns so unterschiedlich gemacht hat“. Denen, die mit Bibelzitaten gegen die Homo-Ehe ins Feld ziehen, hält er entgegen, dass es nicht um die Buchstaben gehe, sondern um den „Geist“ der Bibel. Wenn er an den Geist von Jesus Christus denke, falle ihm Liebe und Respekt für den nächsten ein – egal, ob der Max oder Marie heißt oder früher anders hieß. „Wir hier in Zwölf-Aposteln und im Rogate-Kloster nehmen die Wirklichkeit, wie sie ist“, sagt Bruder Franziskus. Was braucht’s da noch Label?

Die Ausstellung „Max ist Marie – mein Sohn ist meine Tochter ist mein Kind“ wird am 4. August, 19 Uhr, mit einem Gottesdienst eröffnet und ist zu sehen bis 13. September, immer sonnabends von 11 bis 15 Uhr und vor und nach den Gottesdiensten, An der Apostelkirche 1, Schöneberg.

Infos unter www.rogatekloster.de

Claudia Keller

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