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Die Regenbogenfahne weht am 22.06.2013 während des Umzugs zum Christopher Street Day (CSD) vor der Siegessäule in Berlin.
© Wolfgang Kumm/dpa
Update

Homophobie in Berlin: Angriffe gegen Homo- und Transsexuelle nehmen zu

Zwischen Januar und Oktober dieses Jahres wurden in Berlin mehr als 100 Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung attackiert. Weniger als die Hälfte der Taten wird aufgeklärt.

Mitte Juni in Mitte, Berlin. Steinstraße, also irgendwo zwischen Rosa-Luxemburg-Platz und Rosenthaler Straße. Dort aus der Bar Saint Jean stolpert ein junger Mann. Über den Laden schreibt jemand auf TripAdvisor, "nette kleine Gay Bar". 2.15 Uhr. Fünf Typen stehen vor dem Mann. Sie fragen, "bist du schwul?" Er sagt, ja, dreht sich um. Er macht ein, zwei Schritte, dann spürt er, wie eine Faust sein Gesicht trifft.

Vier Monate später steht der Leiter der Präventionsstelle der Berliner Polizei, Wolfram Pemp, auf dem Podium eines Berliner Hotels. Netzwerktreffen des Bündnisses gegen Homophobie. Er erzählt, wie in Berlin wieder und wieder Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung attackiert werden.

In den ersten drei Quartalen des Jahres, in 174 Tagen, wurden 113 "Straftaten gegen die sexuelle Orientierung" angezeigt. Das sind kaum mehr als im vergangenen Jahr (107). Darunter seien Beleidigungen, Sachbeschädigungen, versuchte und vollendete Tötungsdelikte.

113 Straftaten, 40 Prozent aufgeklärt

Darunter auch drei Männer, die erst an einer Bar vorbeiliefen, in der Lesben feierten, dann zurückgingen, sich vor das Fenster stellten und Grimassen schnitten. Als jemand versucht, sie fortzuschicken, schlagen sie die Scheibe ein.

Darunter auch ein Unbekannter, der am Alexanderplatz eine Transsexuelle angreift, tritt und gegen die Brust schlägt. Er ruft: "Du Hure, du Hurensohn! Du bist doch keine Frau!"

Darunter auch ein Unbekannter, der in Mitte sieht, wie zwei Männer auf die Tram warten, sich küssen. Er holt aus, versucht, einen von ihnen ins Gesicht zu schlagen, verfehlt.

Von den 113 Straftaten, die angezeigt, wurden, klärte die Berliner Polizei etwa 40 Prozent auf. Das sei "relativ gut", sagt Pemp. Es sei wichtig, dass Betroffene Strafanzeigen erstatten. Angriffe auf Menschen wegen derer sexueller Orientierung seien "Angriffe auf uns alle".

Ein Preis gegen die Übergriffe

Auch damit es künftig weniger Angriffe auf Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle gibt, wurde das Bündnis gegen Homophobie gegründet. Jahr für Jahr verleiht es traditionell den Respektpreis an eine Person "für ihren herausragenden Einsatz für die Akzeptanz von homosexuellen und transgeschlechtlichen Menschen".

Die Bühne hat Polizist Wolfram Pemp grad verlassen, da öffnet dort die Staatssekretärin für Integration, Barbara Loth (SPD), einen goldenen Umschlag. "Den Preis 2016 erhält", Loth setzt die Lesebrille auf, "Gerd Liesegang". Er wird auf die Bühne applaudiert und sagt dann, "recht herzlichen Dank". Er engagiert sich dafür, dass Schwule akzeptiert werden, wo niemand schwul sein darf: im Fußball. Mit Aktionen wie "Sprachfoul" setzt sich der Vizepräsident des Berliner Fußballverbandes sich gegen die Verrohung der Sprache ein. "Wir treffen nicht nur mit unseren Fäusten", sagt Liesegang. "Da müssen wir rangehen."

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