Mode aus Plastikmüll: Pharrell Williams ist ein Katalysator
G-Star fertigt Kleidung aus Plastikmüll, den eine Umweltorganisation aus dem Meer fischt. Und Pharrell Williams ist mehr als das Gesicht der Kampagne.
In den letzten Monaten haben sich über soziale Netzwerke beeindruckende Bilder verbreitet: Pinkfarbene Flüsse durchziehen exotische Landschaften. Interessante Kunst, könnte man meinen. Die berühmten Bilder des Dokumentar-Fotografen Richard Mosse vielleicht, der Landschaftsaufnahmen aus dem Kongo farbig verfremdet. Doch schon das Greenpeace-Logo am unteren Bildrand verdeutlicht: Diese pinkfarbenen Flüsse stehen für eine harte Realität. „An den Farben der Flüsse in China erkennt man die Farben der Saison“, steht darunter. Tatsächlich gehört die Modeindustrie zu den fünf größten Chemieverbrauchern überhaupt. Bis zu 7000 schädliche Chemikalien finden in der Bekleidungsproduktion Gebrauch – darunter auch jene Färbemittel, die letztlich in chinesischen Flüssen landen. Höchste Zeit, etwas zu ändern.
In Berlin hat alles begonnen
Seit 2012 gibt es das Projekt RAW for the Oceans. Um die Reinigung der Ozeane bemühen sich hier die Non-Profit-Organisation Parley for the Oceans, der Materialentwickler Bionic Yarn und die niederländische Jeansmarke G-Star RAW. Die Idee zum Projekt kam in Berlin. „Parley for the Oceans hat hier damals ein Treffen auf der Modemesse Premium initiiert“, erzählt Shubhankar Ray, Global Brand Director von G-Star im Berliner Showroom: „Dort waren wir eingeladen und haben auch die Initiatoren von Bionic Yarn kennengelernt.
Die Organisation Parley for the Oceans ist im Projekt vorrangig für die Reinigung der Strände und Ozeane zuständig. Das auf Entwicklung von Hochleistungsgarnen aus recycelten Kunststoffabfällen spezialisierte Unternehmen Bionic Yarn sucht dann nach Möglichkeiten, Garne aus dem gesammelten Plastikmüll zu produzieren. Diese verwendet G-Star schließlich in seinen Kollektionen.
Meist sind es Plastikflaschen aus denen das Garn entsteht
Der Kunststoffabfall, zumeist PET-Flaschen, wird dazu geschreddert und mithilfe einer Strangpresse zu einer Faser recycelt. Diese bildet den Kern des letztendlichen Materials und wird mit Baumwolle umwickelt. So sollen zur Herstellung von Jeans und T-Shirts bis zu 30 Prozent Baumwolle gespart werden. „Meistens wird Nachhaltigkeit in der Modeindustrie bloß als eine unternehmerische Verantwortung betrachtet. Diese Mentalität muss aber dahingehend verändert werden, dass es nicht mehr nur um Verantwortung, sondern um eine Voraussetzung zur Produktion geht“, sagt Shubhankar Ray. Ein Umdenken in Bezug auf Arbeitsprozesse und verwendete Materialien sei entscheidend. Baumwolle als meistgenutzter Rohstoff der Mode zum Beispiel braucht viel Wasser und Pestizide, um gut wachsen und effektiv genutzt werden zu können. In den Mengen, in denen global agierende Modeunternehmen heute Baumwolle verbrauchen, ließe sich die nachhaltige Produktion der Naturfaser kaum bewältigen. Das führe dazu, dass auch bei jenen Marken, die sich mit entsprechenden Linien schmücken, nur ein bis fünf Prozent der verwendeten Materialien tatsächlich nachhaltig produziert werden.
Pharrell Williams ist Anteilseigner an Bionic Yarn
Mit Pharrell Williams hat das Projekt RAW for the Oceans gleich noch einen prominenten Katalysator im Boot. Er ist nicht nur das Gesicht der Kampagne, sondern auch Kreativdirektor und mit 30 Prozent Anteilseigner von Bionic Yarn, schon bevor das gemeinsame Projekt entstand.
Es hilft natürlich, einen großen Namen mit dabeizuhaben, das weiß auch Shubhankar Ray. Pharrell Williams schaffe es, „ein ernsthaftes Thema wie Nachhaltigkeit sexy zu machen.“ Daran scheitern viele andere Modemarken. „Normalerweise landen solche Kollektionen doch in einer Art ,Hippie-Ghetto‘. Beige oder grüne kratzige Stoffe, die meistens in der letzten Ecke der Geschäfte hängen“, sagt Ray. Wahrgenommen würden entsprechende Kollektionen nur von jenen Kunden, die ohnehin schon ein Interesse an Ökologie haben. In diesem Mikrokosmos wolle er mit G-Star nicht bleiben.
„Das muss andersrum funktionieren“, sagt er. „Statt die Nachhaltigkeit zu predigen und gewissermaßen von den restlichen Linien zu isolieren, muss sie fester Bestandteil der gesamten Produktion und so auch der Firmenphilosophie sein.“ So würden mittlerweile 20 Prozent aller von G-Star verwendeten Materialien dem Nachhaltigkeitskonzept folgen. Die Kollektionen des Projekts kämen vor allem in Ländern mit vielen Küsten gut an, in denen die Strand- und Surferkultur groß ist. Die erste Kollektion 2012 zum Beispiel sei in Südafrika sofort ausverkauft gewesen.
Auch G-Star will bald auf Plastiktüten verzichten
Doch nicht nur die Linien mit Tintenfisch-Maskottchen, sondern auch alle anderen Kollektionen bedienen sich der Errungenschaften des Projekts. „Es gibt für unsere Kunden gar keine andere Möglichkeit mehr, als ein nachhaltiges T-Shirt zu kaufen“, sagt Ray. Dabei soll es nicht bleiben: Im Gegensatz zum herkömmlichen Prozedere des „Stonewashing“, das unterschiedliche Waschungen produzieren soll und viel Wasser verbraucht, entstehen viele Jeans-Veredelungen bei G-Star mit Laser-, Gas- oder Ozonbleichung. Das verbrauche 95 Prozent weniger Wasser. Und auch an anderen Stellen des Unternehmens soll gespart werden. „Zeitnah wollen wir in unseren Geschäften komplett auf Tüten aus Bioplastik oder Papier umsteigen, in unseren Büros und Showrooms weltweit gibt es schon längst kein Wasser aus Plastikflaschen mehr“, sagt Shubhankar Ray mit einem prüfenden Blick auf den Konferenztisch. Die deutschen Kollegen haben Glück, tatsächlich hat sich kein Plastik unter die kleinen Getränkeflaschen aus Glas gemogelt.
Nachhaltigkeit nimmt einen immer größer werdenden Teil im Bewusstsein unserer Gesellschaft und dem täglichen Leben ein. Wenn große Modeunternehmen dementsprechend ihre Geschäftsfelder erweitern, reagieren sie damit vorrangig strategisch auf das geänderte Kaufverhalten. So ließe sich auch erklären, warum mittlerweile trotz anfänglich großer Bedenken zahlreiche Unternehmen wie H&M, Kik, Adidas und C&A dem „Bündnis für nachhaltige Textilien“ von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) beigetreten sind, das die verheerenden Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern verbessern soll. Die Orientierung an politischen Strömungen, gesellschaftlichen Ansprüchen und der damit einhergehenden medialen Aufmerksamkeit bleibt entscheidend für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens. Auch bei G-Star. Doch vielleicht ist es hier andersrum als sonst: Die Mittel heiligen den Zweck.
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