Betritt man das alte Fachwerkhaus am Rande des Regierungsviertels, fühlt man sich wie auf einer Insel im Ozean. Das ganze Ambiente wirkt noch genau so wie in den 80er Jahren, als nicht weit von hier die westliche Welt zu Ende war. Ringsum hat sich alles verändert, und dieser Prozess ist noch längst nicht zu Ende. Einst wirkte das Lokal wie ein einsames Bahnwärterhäuschen mit Küchenanschluss an der alten Strecke Paris-Moskau, heute ist es ein Restaurant, das demnächst als Säule der Kontinuität im Mittelpunkt eines neuen Viertels stehen wird.
Wer Sehnsucht nach den 80ern hat, sitzt im Innern goldrichtig. Während die Welt draußen bunt wurde, ist innen noch immer alles in Schwarz und Weiß gehalten. Gestaltet wurde das aus der Gründerzeit stammende Haus von Anke-Paula Gentner und Georg Ritschl. Auf den edel gedeckten Tischen brennen Kerzen, aber das elektrische Licht wird nicht mehr wie früher gelöscht. Schummrigkeit passt nun doch nicht zum rasanten Fortschritt ringsum.
Die Tische stehen recht eng beieinander. Den komfortablen Dreier-Tisch, den uns der Barkeeper zunächst verweigern wollte, wies uns die nette Restaurantleiterin dann doch noch zu. Anfang Mai kann mit einiger Verspätung auch endlich die Gartenterrasse wieder eröffnet werden. Der Neubau des Innenministeriums nebenan erwies sich dafür als echte Herausforderung.
Der gute Riesling-Sekt aus dem Rheingau kostet 7 Euro das Glas, der Pinot Blanc aus dem Elsass 29 Euro die Flasche. Hier bewegen wir uns freilich in den unteren Regionen der Preisliste. Die Weinauswahl konzentriert sich auf einige gute Lagen aus Deutschland und den europäischen Nachbarn. Die Speisekarte ist nicht sehr lang, es gibt außerdem ein festes Menü.
Küchenchef Ingo Möller hat einst im Paris-Moskau gelernt und ging dann auf Wanderschaft, unter anderem nach China und in die Südsee. Vorweg grüßte er nun mit einem Gläslein voll köstlicher Kalbs-Consommé mit einer Einlage aus Waldpilzen und Hirschfleisch, dazu Basilikum-Pesto und zweierlei Sorten Brot. Reichlich und gut war der Rucola-Salat mit Balsamico-Trüffel-Vinaigrette, feiner Parmesan-Mousse, hausgemachten Crackern und eingelegten Cherry-Tomaten (9,50 Euro). Die lauwarme Tomatenconsommé wurde bei Tisch auf eingelegte und frische Tomaten gegossen (9 Euro).
Etwas weniger zäh hätte beim Hauptgang die Entenbrust sein dürfen, vielleicht war sie schlicht zu rosa gebraten. Die dunkle Wacholdersauce, die winzigen Gnocchi und das bissfeste Frühlingsgemüse mit zweierlei Spargel, Saubohnen und Möhren konnten für den eingeschränkten Fleischgenuss nicht völlig entschädigen (25,50 Euro). Dafür war der zweite Hauptgang gelungen. Ein saftiger Loup de Mer in großzügiger Portion mit kross gebratener Haut, dazu gab es Fenchel-Safran-Couscous und Auberginenkaviar (28,50 Euro).
Auch das Dessert war exzellent. Eine Pistazien-Crème Brulée mit Ragout von Orangenfilets, Chili-Fäden und weißem Schokoladeneis. Vielleicht war dies das modernste Gericht des Abends (9,50 Euro). Wie früher haben sie auch französischen Käse in verschiedenen Zusammenstellungen als Alternative zum Dessert. Mit Mandelkeksen, karamellisierten Haselnüssen und saftigem Minimarmorkuchen grüßte die Küche noch einmal mit Verve zum abschließenden Cappuccino. Es gibt immer ein festes Menü, vier Gänge für 69 Euro, sieben Gänge für 93 Euro, mit Weinbegleitung für 140 Euro. Den Namen des Hauses reflektieren hier zum Beispiel Pelmeni mit Spanferkel und Räucheraal und gratinierter Crottin de Chavignol. Uns schreckte die Terrine von der Entenmastleber ab. Das Oster-Menü mit – unter anderem – Onsen-Ei, Zweierlei vom Lamm und Rhabarbertarte kostet 79 Euro.
Dass die Gerichte durchaus unterschiedlich gelingen, trägt hier seltsamerweise zum authentischen Eindruck bei. Sous Vide-Techniken und andere Errungenschaften würden in ein altes Fachwerkhaus vermutlich nicht passen. Schade nur, dass die neuen Hotels den Blick vom Hauptbahnhof inzwischen verstellen. Es ist dies durchaus ein Ort, an dem auch Besucher von außerhalb ein besonderes Berlin-Erlebnis haben können. Die Stammkunden wissen das sowieso.
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