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James Cameron: Zauber der Tiefe

„Titanic“-Regisseur James Cameron ist zum niedrigsten Punkt der Erde getaucht – in den Marianengraben.

Steif und ungelenk kletterte der 57-jährige Kanadier James Cameron nach seiner Rekordfahrt in die tiefsten Tiefen der Weltmeere aus seinem grünen Tauchboot „Deepsea Challenger“. Der Regisseur des Films „Titanic“ war zu einem der extremsten Punkte vorgedrungen, die es auf der Erde noch zu erforschen gibt, dem Marianengraben im Pazifik. Stundenlang hockte er mit angewinkelten Knien am unteren Ende des gut sieben Meter hohen U-Boots eingezwängt in einer mit Elektronik und Lebenserhaltungssystemen vollgestopften Kapsel, die innen gerade einmal 109 Zentimeter Durchmesser hat und in der er nicht einmal seine Arme richtig bewegen konnte. In dieser äußerst unbequemen Haltung las er dann am Sonntagabend um 23 Uhr 52 Mitteleuropäischer Sommerzeit auf seinen Instrumenten eine Tiefe von 10 898 Metern ab. Das Challengertief und damit die tiefste Stelle im Marianengraben und gleichzeitig in den Ozeanen war erreicht.

Zum Feiern war keine Zeit, etliche Forschungsarbeiten standen auf dem Programm. Starke LED-Scheinwerfer brachten ein wenig Licht in die ewige Dunkelheit dort unten – natürliches Licht erreicht normalerweise nicht einmal 800 Meter Tiefe. Vier Video-Kameras zeichneten außerhalb der Kapsel jedes Detail der Unterwasser-Landschaft auf, die einer öden Wüste ähnelt. Ohne Sonnenlicht können in der Tiefe ja nur wenige Organismen existieren, die sich oft von den Überresten toter Tiere und Pflanzen ernähren, die aus helleren Regionen nach unten rieseln.

Mit einem Joystick steuerte James Cameron sein Gefährt mit einer Höchstgeschwindigkeit von etwas mehr als fünf Stundenkilometern durch diese eiskalte Wasserwüste mit einer Temperatur von gut zwei Grad Celsius. Zum ersten Mal sah ein Mensch mit eigenen Augen das Challengertief. Wobei er genau genommen auf einem Bildschirm die Aufnahmen verfolgte, die von den dreidimensionalen Weitwinkel-Kameras geliefert wurden. So konnte er nämlich viel mehr erkennen als bei einem Blick durch ein dickes Fenster in der Kapsel.

Aber immerhin sah er Einiges. Die ersten und bisher einzigen Menschen in dieser Tiefe waren dagegen von einer Schlammwolke umhüllt gewesen, als sie am 30. Januar 1960 im Challangertief tauchten. Damals quetschten sich der Schweizer Jacques Piccard und der US-Amerikaner Don Walsh ebenfalls in eine enge Tauchkapsel des U-Bootes Trieste. Ihre Instrumente zeichneten 10 916 Meter Tiefe auf, so genau sind die Messungen dort unten nicht. Die besten Angaben des allertiefsten Punktes im Challengertief sind die 10994 Meter, die im Jahr 2011 ein unbemanntes Tauchboot ermittelt hatte. Allerdings erklärten die Forscher, dass es auch 40 Meter mehr oder weniger sein könnten. Jacques Piccard, Don Walsh und jetzt James Cameron waren also jeweils fast an der tiefsten Stelle dieses elf Kilometer langen und 1600 Meter breiten Challengertiefs.

Diese Senke wiederum ist nur ein Teil des 2400 Kilometer langen Marianengrabens. Auf der gesamten Strecke taucht eine riesige Erdplatte mit einem Tempo von wenigen Zentimetern im Jahr unter eine andere Platte. Mit der Zeit entsteht so eine Tiefe, in die der höchste Berg der Erde, der Mount Everest locker passen würde, wenn man ihn vom Meeresspiegel aus umgedreht ins Wasser tauchen würde. Unter seinem Gipfel wären dann noch einmal zwei Kilometer Wasser bis zum Grund des Challengertiefs.

In dieser extremen Tiefe kurvte jetzt James Cameron gut geschützt von einem 6,4 Zentimeter dicken Stahlpanzer herum, der die Außenhülle seiner kleinen Kapsel bildete. Außen lastete das Wasser mit einem Gewicht von mehr als dem 1100-fachen Luftdruck auf der Kapsel. Das entspricht drei Geländewagen, die auf der großen Zehe des Forschers stehen würden. Vom dicken Stahl gut vor dem Zerquetschen geschützt, holte James Cameron dort mit ferngesteuerten Greifarmen Bodenproben aus dem Untergrund, für die sich Geoforscher brennend interessieren.

Als es ans Auftauchen ging, löste James Cameron einen Mechanismus aus, der ein Gewicht von rund einer halben Tonne am Meeresgrund zurücklässt. Jetzt ist das Gefährt leichter als Wasser und schwebt in nur 70 Minuten die elf Kilometer bis zum Meeresspiegel nach oben. Dieser Aufstieg liefert auch den Grund für die kleine Kapsel, in der sein Abenteuer stattfand: Eine größere Kapsel wäre mit ihrer Ausrüstung viel zu schwer gewesen, um wieder nach oben zu schweben.

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