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© dpa

USA: Willkommen in San Francisco

Die Stadt ist wunderschön gelegen, das haben auch die Seelöwen des Pazifiks gemerkt. Die Touristen sind begeistert, Fischer und Schwimmvereine weniger.

Der Mann mit der lila Wollmütze auf dem Kopf zetert und fuchtelt mit den Armen. „Ein Problem? Ein Problem nennen Sie das?“ Seine Stimme überschlägt sich. „Das ist kein Problem! Das ist eine Katastrophe!“ Diejenigen, die den knorrigen Berufsfischer am Fisherman’s Wharf in San Francisco so in Rage bringen, aalen sich derweil ungerührt in der Herbstsonne.

Seelöwen sind es. Flosse an Flosse, dicht an dicht gedrängt liegen sie auf den Planken am Pier 39. Sie reißen zwar wie er das Maul auf, doch ihnen entfährt – je nach momentaner Seelenlage – nur ein zufriedener Rülpser oder ein kläffendes Gebrüll, um kundzutun, dass man auch noch da ist.

Da sind sie, in der Tat. Unübersehbar. Die fetten Leiber glänzen. Gehören zu dieser Jahreszeit normalerweise 300 zu den Dauersiedlern auf den Docks vor dem touristischen Ausflugsziel, so schwoll ihre Zahl jetzt zeitweise auf mehr als 1500 an.

Ganz zur Freude von Karen Duvic und ihrer kleinen Tochter Caitlin. Denn die plumpen, bis zu 400 Kilo schweren Tiere ziehen eine wahre Show für die Touristen aus Montana ab. „Soooo viele“, juchzt die Sechsjährige und hüpft von einem Bein aufs andere, wenn wieder einmal ein alter Seelöwe seinen jüngeren Kollegen gnadenlos von den Brettern schubst.

So viele. Das ist das Problem. Nicht nur hat Hafenmeisterin Sheila Chandor schon mal schnell sechs neue Stege herangeschafft, „da es einfach zu eng wurde“. Was Touristen und die Betreiber der Restaurants, der Souvenirläden und Büdchen am Fisherman’s Wharf erfreut, geht anderen derweil gehörig auf die Nerven.

Fischer am Hyde Street Pier beklagten sich über das rüpelhafte Benehmen der Tiere mit den Glubschaugen, die den Fischfang aus den Netzen stehlen und schon mal Stege und Boote beschädigen. Manch einer auch fühlt sich vom ständigen Gebrüll belästigt oder vom herben Geruch, der von den Docks auf die Uferpromenade weht. Auch die Schwimmbrigade des Dolphin Clubs, die regelmäßig in der Bucht umherkrault, teilt nicht gern das Gewässer mit den bissigen Migranten. Ähnliches sagen die Kayaker in ihren leichten Booten. Tourismusverantwortliche fürchten, dass die Tiere Touristen allzu nahe rücken. Oder umgekehrt, wie die unbedarfte Besucherin, die sich für ein Foto neben ein Männchen legen wollte. Das ging gerade noch einmal gut aus.

Was die Seelöwen en masse in die Stadt am Golden Gate lockt, gibt Meeresbiologen ein Rätsel auf. Waren es Sardinenschwärme, denen die Tiere in die Bucht von San Francisco folgten? Oder Umweltfaktoren? Oder einfach die Gastlichkeit, wie ein Einheimischer mutmaßt? Fliegen doch regelmäßig Fischabfälle von den Restaurants am Pier ins Wasser. Tatsache ist, dass die Zahl der Seelöwen an Kaliforniens Küste jährlich um 5,6 Prozent zulegt und ihre Zahl inzwischen auf über 230 000 anstieg. Tatsache auch ist, dass die schwimmenden Docks in San Francisco, die mit Ebbe und Flut elegant steigen und fallen, ein ideales Plätzchen in der Sonne garantieren. Das wussten schon die Ohrenrobben, die sich vor rund 20 Jahren zum ersten Mal hier niederließen.

Doch so sehr San Francisco seine Seelöwen auch liebt, angesichts der Invasion spricht man nun von „tough love“. Die Hafenverwaltung installierte einen kniehohen, 70 Meter langen Zaun am Hyde Street Pier, wo die Fischerboote liegen. Das hat die meisten Tiere vertrieben. Ein Wachmann patroulliert auf benachbarten Bootanlegestegen, um die Horde fernzuhalten. Notfalls setzt er den Wasserschlauch ein. Was die Seelöwen gar nicht mögen.

Härtere Maßnahmen sind jedoch verboten. Kalifornische Seelöwen genießen Artenschutz und dürfen nicht gewaltsam vertrieben werden. Deshalb übt sich Ken Coren, Präsident des Dolphin Schwimm- und Bootclubs, auch in resignativer Geduld. „Das sind Respekt einflößende Tiere. Wenn sie sich einmal irgendwo niedergelassen haben, dann verschwinden sie auch nicht so schnell.“

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