zum Hauptinhalt
Diese Anlegestelle am Toten Meer wurde tatsächlich einmal genutzt.
© picture-alliance/ dpa

Vorschlag von Jordanien: Wiederbelebung für das Tote Meer

Ideen zur Rettung des austrocknenden Gewässers gab es schon viele – nun versucht sich Jordanien daran.

Das Tote Meer stirbt, der Wasserspiegel im Nordteil sinkt jedes Jahr um rund einen Meter. 2013 lag sein Wasserspiegel 427,13 Meter unter dem Meeresspiegel. Ursache dafür ist, dass die Anrainer Israel, Jordanien und Syrien immer mehr Wasser aus dem Fluss Jordan entnahmen, der wichtigsten Quelle für das Tote Meer. Immer wieder planen die Anliegerstaaten Israel und Jordanien – zudem beanspruchen die Palästinenser das Salzgewässer für sich – mal einzeln, dann wieder gemeinsam, den endgültigen Tod des Gewässers zu verhindern. Diesmal ist es Jordanien, das zu diesem Zweck einen Kanal vom Roten zum Toten Meer vorschlägt, wobei zwischen den Zeilen zu erkennen ist, dass es weniger um die Rettung des Toten Meeres, also um nachhaltigen Umweltschutz, geht als vielmehr um Business.

In einer ersten Phase soll die Infrastruktur geschaffen werden, um 300 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich aus dem Golf von Akaba im Roten Meer im Süden Jordaniens zu pumpen. Zur ersten Bauphase gehört auch eine Entsalzungsanlage mit einer Kapazität von 65 bis 85 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Die Kosten für beide Projekte schätzt Jordanien auf 900 Millionen Dollar (851 Millionen Euro). Ein Teil des Wassers aus dem Roten Meer soll in das von Austrocknung bedrohte Tote Meer fließen; ein anderer Teil würde entsalzt und Israel und den Palästinensern zugutekommen.

Doch Israel verfügt inzwischen dank mehrerer Entsalzungsanlagen am Mittelmeer mittlerweile über genügend Trinkwasser – und liefert vertragsgebunden auch an Jordanien und in den Gazastreifen bereits Kubikmillionen davon. Aber in Jordanien ist die Trinkwassernot dennoch erheblich. Das Land besteht zu 92 Prozent aus Wüste, und die derzeitige Bevölkerung von 6,5 Millionen Menschen wächst, hinzu kommen eine Dreiviertelmillion syrische Flüchtlinge.

Neun Milliarden Euro teuer

Der Baubeginn des eigentlichen Zwei-Meeres-Kanals soll dann, teils als Pipeline, teils offen, aber ausschließlich auf jordanischem Territorium, in drei Jahren erfolgen. 180 Kilometer lang und mindestens neun Milliarden Euro teuer wird das Projekt. Zwei Fragen bleiben in diesem Zusammenhang von jordanischer Seite unbeantwortet: Wieso ging man bisher von einem um 120 Kilometer längeren Kanal aus? Und vor allem: Wer soll das bezahlen? Die Weltbank, die 2012 einem gemeinsamen israelisch-jordanischen Projekt eines „Friedenskanals“ – nach dem acht Jahre zuvor geschlossenen Frieden der beiden Staaten – zugestimmt hatte, ist heute nicht mehr an Bord. Und woher die jordanische Regierung die privaten Investoren nehmen will, weiß sie wohl selbst nicht so genau.

Vor allem aber sind vor allem die ökologischen Auswirkungen des gigantischen Projekts auf das Tote Meer ungewiss. Das extrem salzhaltige und daher die Badenden an seiner Oberfläche tragende Meer besteht eigentlich aus zwei durch einen Kanal verbundenen Teilen: dem großen, austrocknenden Nordteil, dessen Level jedes Jahr um einen Meter sinkt, und dem kleinen Südteil, der jährlich um 20 Zentimeter ansteigt. Was wiederum laut dem Umweltforscher Alon Tal zur Folge hat, dass „in fünf bis sechs Jahren das Wasser in den Hotellobbys steht“. Ursache für den Wasserablauf ist, dass durch den massiven Abbau der weltweit reichsten Mineralien-Vorkommen an Kalium, Brom, Magnesium und Jod sowie durch die industrielle Herstellung von Speisesalz und vor allem Pottasche die Salzablagerungen den Meeresboden gefährlich anheben. Israels Regierung und die privaten Totmeer-Werke streiten sich seit Jahren, wer die Milliarden aufbringen muss für das Ausheben der Ablagerungen.

Zwei-Meeres-Kanal

Wenn eines fernes Tages – frühestens im Jahr 2024 – 215 bis 235 Millionen Kubikmeter Rotmeer-Wasser und die Sole von 65 bis 85 Millionen Kubikmetern entsalzenen Wassers in das Tote Meer einfließen sollen, dann würden sich nicht nur die Ablagerungen an dessen Boden massiv erhöhen. Vielmehr würde sich eine eigentliche ökologische Katastrophe ereignen, wie nicht nur die Umweltschutz-Organisation „Friends of the Middle East“ warnt. Das Mega-Projekt, so die Umweltexperten, diene nämlich nur vordergründig der Rettung des Toten Meeres. In Wirklichkeit wolle man nur Trinkwasser und – dank der 430 Meter Höhenunterschied zwischen den beiden Meeren sowie der zusätzlichen 300 Meter Höhe der Hügel, auf denen die Jordanier die Pipeline planen – elektrischen Strom erzeugen.

Die Mischung aus sulfatreichem Rotmeer-Wasser und Sole, einem nach Ansicht der Umweltschützer „giftigem Abfallprodukt“, mit dem kalziumreichen Totmeer-Wasser ergibt laut unabhängigen Experten eine schnell dicker werdende Gipsschicht. „Dann ist das Tote Meer wirklich tot“, fürchtet Lilia, eine Israelin, die soeben von einem „noch gesunden Erholungsurlaub“ von dort zurückgekehrt ist. „Wann kommen endlich die Bagger, um den Meeresboden zu reinigen und Überschwemmungen zu verhindern“, fragen die Hotel-Manager. Wenn das nicht bald geschehe und tatsächlich der Kanal gebaut werde, würden „die überschwemmten Hotel-Ruinen zu Gips-Denkmälern verkommen“. Doch der Zwei-Meeres-Kanal „Rot-Tot“ wird ohnehin in absehbarer Zeit nicht gebaut, davon sind auf israelischer Seite fast alle überzeugt. Folglich könne man unbesorgt weiter im Meer baden. Aber Vorsicht: Man kann auch im Toten Meer ertrinken.

Zur Startseite