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Panorama: Wie vital ist L’Oréal?

Neue Runde im Familiendrama bei den Bettencourts: Wieder verlangt die Tochter die Vormundschaft

Frühmorgens, kurz vor 8 Uhr, bekam die mit einem geschätzten Vermögen von 16 Milliarden Euro reichste Frau Frankreichs unerwarteten Besuch: Ermittlungsrichter Jean-Michel Gentil war aus Bordeaux angereist und klingelte die alte Dame, die sich sonst selten vor 11 Uhr zeigt, in ihrer Luxusvilla in Neuilly-sur- Seine bei Paris aus dem Bett.

Liliane Bettencourt, 88-jährige L’Oréal-Erbin, hatte zwei Vorladungen aus Bordeaux aus Gesundheitsgründen abgesagt. Also fuhr Gentil nach Paris und brachte am Dienstag, wie jetzt bekannt wurde, mehrere Polizisten und fünf Ärzte mit. Er wollte sich selbst vom Gesundheitszustand der Erbin überzeugen. Danach soll laut Medienberichten das Büro ihres Arztes durchsucht worden sein. Bisher ist noch nicht bekannt, was Gentil fand.

Nur wenige Stunden nach dem spektakulären Hausbesuch bei Liliane Bettencourt wurde bekannt, dass ihre Tochter Françoise Bettencourt-Meyers (57) die alte Dame erneut unter Vormundschaft stellen lassen will. Mutter und Tochter hatten sich nach einer jahrelangen Fehde Ende vergangenen Jahres versöhnt und sich dann medienwirksam bei einer Modenschau von Giorgio Armani mit dem italienischen Modeschöpfer zusammen vor den Kameras gezeigt.

Doch lange hielt der Frieden nicht. Die Tochter befürchtet, dass die Mutter wieder von Mitarbeitern ausgenutzt wird und wandte sich deshalb an ein Vormundschaftsgericht. Es geht diesmal um den Anwalt und den Arzt der Mutter. Die Tochter erklärte, sie wolle einen besseren „juristischen Schutz“ für ihre Mutter erreichen. Ein Vormundschaftsgericht bei Paris hat schon im März festgestellt, dass die intellektuellen Fähigkeiten der Mutter durch eine Hirnerkrankung eingeschränkt seien. Ursprünglich war das Gericht bei Paris für den Fall Bettencourt zuständig, doch er wurde nach Bordeaux verlegt, um für mehr Unabhängigkeit zu sorgen.

Bei den ganzen Untersuchungen geht es zwar erstens um die Frage der Vormundschaft. Aber das ist nur der Anlass für viel weitreichendere Ermittlungen. Denn schon der ursprüngliche Antrag der Tochter hatte Auswirkungen bis in die oberste Politik, was der alten Dame den morgendlichen Besuch aus Bordeaux auch einbrachte.

Durch einen Butler, der Liliane Bettencourt bespitzelt hatte, kam der Verdacht der Steuerhinterziehung und illegaler Parteispenden auf. Es geht um die Frage, ob die Familie Bettencourt die konservative Regierungspartei UMP mit großzügigen Spenden rechtswidrig unterstützt hat und ob Liliane Bettencourt einen Teil ihres Vermögens ins Ausland schickte, um keine Steuern zu zahlen. Über die Affäre war auch der ehemalige Arbeitsminister Eric Woerth gestolpert.

Der Butler hatte Tonbänder zwei Jahre lang heimlich in einem Salon laufen lassen, die die Tochter der Justiz übergab. Der „Lauschangriff“ förderte auch die mutmaßliche Parteispendenaffäre, den mutmaßlichen Steuerbetrug und etliche weitere Ungereimtheiten im Hause Bettencourt zutage, mit denen sich die Ermittler nun befassen.

Auch wenn der persönliche Zwist zeitweise beigelegt war und die Tochter ihren ersten Vormundschaftsantrag zurückzog, gingen die Ermittlungen zur Staatsaffäre in Bordeaux weiter. Die Bettencourts haben zuletzt beantragt, dass die Tonbänder nicht juristisch zulässig sind. Doch darauf beruht ein großer Teil der Ermittlungen. Die Entscheidung, ob sie zugelassen werden oder nicht, soll am 28. Juni fallen.

 Tanja Kuchenbecker[ Paris]

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